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Tod eines Widerstandskämpfers

Alexej Mosgowoj wurde ermordet

Franz Ickstatt, Neue Internationale 200, Juni 2015

Er war wohl die markanteste Figur unter den Kommandeuren im ostukrainischen Widerstand. Er war ein Künstler, ein Linker, ein Mann, der sich auch mit den Chefs im eigenen Lager anlegte, der den Krieg als Selbstzweck ablehnte und der sich zugleich an die KämpferInnen auf beiden Seiten wandte und für eine gemeinsame Zukunft warb, einer der sich als Teil einer internationalen Bewegung verstand, die er förderte und für die er kämpfte. Am 24.Mai wurde Alexej Borisowitsch Mosgowoj ermordet. Es traf einen der Besten in diesem Bürgerkrieg.

Geboren und aufgewachsen in der Region Lugansk, hatte Mosgowoj schon 7 Jahre in der Ukrainischen Armee gedient. Von Beruf war er Musiker und Sänger, aber er selbst sagte von sich, dass er erst mit dem Bürgerkrieg begonnen hatte zu leben. Als der Bürgerkrieg in der Ostukraine begann und sich der Widerstand gegen die Übergriffe der Faschisten und Regierungstruppen formierte, waren Leute gefragt, die in unübersichtlichen Situation handeln und planen können, die Strukturen aufbauen und führen können. Alexej konnte das. Er begann sein neues Leben.

Selbsternannt?

Die gleichgeschalteten Medien in Deutschland reden gerne von „selbsternannt“, wenn sie über jene reden, die sie selbst als ihre Gegner, als die Gegner der herrschenden Klasse und ihren imperialistischen Zielen ausgemacht haben. So sind die Volksrepubliken Lugansk und Donezk „selbsternannt“, der Willen der dortigen Bevölkerung zählt für die deutschen „Demokraten“ nicht. Auch Mosgovoj nennen sie „selbsternannt“.

In einer Bürgerkriegssituation kann sich natürlich jeder zum Brigade-Kommandeur ernennen. Ob er es wird, hängt davon ab, ob er eine Brigade hat. Etliche tausend Männer und Frauen sahen Alexej als guten militärischen und politischen Führer an. Sie, die ihr Leben aufs Spiel setzen, haben darauf vertraut, dass sie in der Brigade Prisrak am wirkungsvollsten kämpfen können. Sie sind seine Brigade geworden.

Erst formte Mosgowoj die Lugansker Miliz, aus dieser wurde eine Kompanie. Den Name Prisrak, also Gespenst, gab er seiner Truppe, nachdem die Kiewer Medien mehrfach die Vernichtung seiner Einheit bekannt gegeben hatten. Tatsächlich hatten sie dank seiner Fähigkeiten wenig Verluste.

Alexej Borisowitsch wurde in seinem neuen Leben nicht nur militärischer Führer, sondern auch politisiert. Er war frustriert von der Passivität der politischen Führung, den alten Kadern aus der „Partei der Regionen“ und auch der alten ukrainischen KP, denen es v.a. darum ging, ihre von Kiew bedrohten Pfründe in ein Nowarossija hinüberzuretten. Sie waren mit ihrer Passivität für die Schwäche des Widerstands mitverantwortlich. Sie setzten auf ihre guten Kontakte zu den Oligarchen, nicht auf die Bevölkerung.

Diese Politisierung hat ihn soweit gebracht, in seiner Brigade ein Kommunistisches Bataillon einzurichten, ein sehr internationalistisches Bataillon, in dem KommunistInnen aus vielen Ländern unter roten Fahnen kämpfen. Er organisierte eine politische Abteilung zur Schulung der Kämpferinnen und zur Produktion von Propaganda. Er warb SozialistInnen und KommunistInnen dafür an.

Er rief immer wieder auch die gegnerischen Soldaten dazu auf, den Krieg zu beenden, die ganze Ukraine von den Oligarchen zu befreien und alles Privatisierte wieder in Gemeinschaftsbesitz zu überführen. Damit war er einer der Wenigen in diesem Land - neben der Organisation „Borotba“ - der eine anti-kapitalistische Perspektive formulierte und zwar für das ganze Land. Der ganze Rest der Linken, samt AnarchistInnen und „Linker Opposition“, kommen über ein paar demokratische Forderungen nicht hinaus, wobei sie aber treu und fest zur „anti-terroristischen“ Operation der Regierung und der Faschisten stehen.

Weltbild

Seine politische Perspektive hat Mosgowoj in Altschewsk, dem Sitz seiner Brigade, in Ansätzen umgesetzt. Ein Agrarbetrieb, den seine Besitzer im Stich gelassen haben, wird jetzt kollektiv zur Versorgung der Bevölkerung bewirtschaftet. Eine Metallfabrik wurde ebenfalls übernommen. Es gibt eine öffentliche Kantine, die täglich 800 kostenlose Mahlzeiten für Arme und Alte bereitstellt.

Moskowoj war sicher kein Kommunist, allenfalls entwickelte er sich in diese Richtung. Er war ein Populist, eine Art „volkstümlicher“ Sozialist. Neben seinem aus der Not geborenen Antikapitalismus vertrat er aber auch typische reaktionäre Ideen, wie die Ablehnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften oder eine Verklärung des „slawischen Abwehrkampfes“ gegen die „teutonische“ Unterdrückung. Auch sein Sozialismus war keineswegs klar oder marxistisch. Einerseits wandte er sich zwar energisch gegen die Oligarchen und forderte deren Eineignung, richtete sich also gegen die großen Monopole.

Andererseits idealisierte er auch die aus der Not geborenen Formen seiner Agrarkommune. Zweifellos bleibt in der Ostukraine angesichts der Zerstörung großer Teile der Industrie und des Verlustes ihres Marktes oft nur der Schritt zu einer genossenschaftlichen Subsistenzproduktion - eine zukunftsfähige Alternative stellt das aber nicht dar.

Ob Moskowoj reaktionäre und untaugliche, utopische Ideen überwunden hätte, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass genau deshalb eine kommunistische revolutionäre Internationale notwendig ist, damit in Zeiten von Krieg und Revolution, wenn Menschen sich politisch rasch entwickeln, diese Entwicklung nicht in Reformismus und Links-Nationalismus stecken bleibt.

Rein praktisch hat Alexej Borisowitsch dem internationalen Kampf noch einen großen Verdienst erwiesen. Zum 8./9. Mai hatte die KP von Lugansk zu einer internationalen Konferenz eingeladen, um den Kampf gegen den Faschismus zu koordinieren. Wir als Liga für die fünfte Internationale konnten nicht direkt teilnehmen, doch unsere Grußadresse wurde vorgetragen. Die politisch Verantwortlichen haben versucht, diese Konferenz zu verhindern. Alexej stellte sie unter seinen Schutz und ließ sie in Altschewsk stattfinden.

Er hatte viele Feinde. Natürlich die Kiewer Regierung und die Faschisten, die ihn schon so oft für vernichtet erklärt hatten. Aber auch die nationalistischen Kräfte der Regierungen der Volksrepubliken und natürlich die Putin-Leute in Russland und der Ukraine, die „Nowarossija“ nicht aufgeben können, aber auf keinen Fall wollen, dass es zum Spielfeld der „Roten“ wird. Ihnen hat er so oft die Stirn geboten und sie öffentlich kritisiert. Ein gutes Beispiel übrigens dafür, dass eine militärische Allianz mit anderen politischen Kräften die politische Kritik, ja den politischen Kampf, nicht nur nicht ausschließt, sondern geradezu erfordert.

Wer sind die Mörder?

Es könnte also sein, dass seine Mörder, die Minen und Maschinengewehre einsetzten und weiter 5 GenossInnen töteten, auch in russisch-nationalistischen Kreisen zu suchen sind. Im Internet hat sich eine pro-Kiewer Sabotage-Gruppe „Schatten“ dazu bekannt. Aber auch das muss nichts heißen.

Wenn es „westliche“ Kräfte waren, war sicher mehr als nur ukrainisches Militär darin verwickelt. Selbiges hat sich zuletzt als zu unfähig erwiesen, irgendeine Aktion erfolgreich durchzuführen. Zu solcher Aktion dürften US-amerikanische Spezialisten nötig sein, die besten und geübtesten auf diesem Gebiet. Der US-Imperialismus sieht seine Position schon immer von Linken in der ganzen Welt bedroht, da er ja die ganze Welt dominieren möchte. Aber hat auch noch ein spezielles Interesse in der Ukraine, nämlich den Konflikt zwischen dem deutschen/EU-Imperialismus und dem russischen anzuheizen. Der Minsker Waffenstillstand stört sie. Die Kombination Kiew/Washington ist die wahrscheinlichste Erklärung für das feige Mord-Komplott.

Alexej Borisowitsch Mosgowoj wurde 40 Jahre alt. Sein neues Leben währte gerade 14 Monate. Sein Tod ist ein schwerer Verlust. Aber zurecht sagt sein Stellvertreter Alexej Markow: “Ein Mensch kann ermordet werden, aber nicht seine Ideen. Die Idee die Alexej Mosgowoj seit dem letzten Jahr vertreten hat, hat tausende Manschen dazu gebracht, sich uns anzuschließen. Diese Ideen werden nicht mit dem Tod eines Menschen sterben.“ Tatsächlich haben Ideen dann Kraft, wenn sie Massen ergreifen. Mit denen, die sie ergriffen haben, hat Alexej Mosgowoj eine schlagkräftige Einheit geformt, die weiterkämpfen wird. Ein Kampf mit dem auch wir verbunden sind und verbunden bleiben werden!

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