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Karstadt-Monopoly

Spielt ver.di mit?

Peter Lenz, Neue Internationale 192, September 2014

Das Bundeskartellamt gab am 21. August grünes Licht für die Übernahme von 88 Karstadt-Warenhäusern durch die Signa-Holding des Österreichers Rene Benko. Die Freigabe erfolgte ohne Auflagen und Bedingungen. Kartellamtspräsident Andreas Mundt betonte: "Letzten Endes wird hier ein Investor durch einen anderen ausgetauscht. An der Marktstellung der einzelnen Karstadt-Warenhäuser ändert sich dadurch aus wettbewerblicher Sicht nichts."

Die Signa-Holding hat Anfang August die Karstadt-Warenhäuser für einen Euro von Vorbesitzer Berggrün übernommen. Die Signa-Gruppe verfügt über Immobilien im Wert von ca. 6,5 Milliarden Euro, davon 1,5 Mrd. in Wien. Rene Benko hat ein privates Vermögen von ca. 700 Millionen Euro. Er ist in Österreich wegen Korruption vorbestraft.

Mit dem Berliner Ex-Oberbürgermeister Diepgen und seiner Firma Zentrum hat Benko 2011 das Münchner Traditionskaufhaus Oberpollinger erworben. Das Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe und 16 weitere Karstadt-Warenhäuser hat das Immobilienunternehmen Signa schon 2012 von Berggrün gekauft. Nach eigenen Angaben wurden insgesamt mehr als 1,1 Milliarden Euro gezahlt, davon 500 Millionen allein für das KaDeWe.

Da die Immobilien, in denen die Karstadt-Kaufhäuser untergebracht sind, von der Kaufhausgruppe getrennt wurden, werden sie auch eigenständig verkauft. Verkäufer war hier Highstreet, an dem Goldmann-Sachs 50% hält. Andere Anteilseigner sind die Versicherung Generali und die Deutsche Bank. Highstreet hatte die Immobilien vor einigen Jahren vom Insolvenzmanager Thomas Mittelstädt übernommen. Der Käufer und nunmehrige Eigentümer der Immobilien ist Lighthouse, das der Signa „nahe“ steht.

Wer ist die Signa-Gruppe von Benko?

Signa ist eine Firmenholding mit 5 Teilfirmen, die für verschiedene Unternehmensbereiche zuständig sind. Dem Vorstand der Holding ist ein Beirat zugeordnet, der sich teilweise aus Anteilseignern zusammensetzt. Ihm gehören unter anderem Wendelin Wiedeking (ehemaliger Porsche-Vorstand) und Beny Steinmetz, Diamantenhändler (Lieferant und Dienstleister u.a. für de Beers) an. Steinmetz ist auch finanziell stark an der Signa-Gruppe beteiligt. Er betrieb auch Erzabbau in Afrika. Daneben gibt es noch Karl Stoss, seit 2007 Generaldirektor der Casinos Austria AG und seit 2009 Präsident des Österreichischen Olympischen Komitees gewählt. Weiter geht es mit George Economou, ein griechischer Reeder, dessen Vermögen auf 2,5 Milliarden Vermögen geschätzt wird. Seit 2009 hält er 50% der Holding-Anteile. Er zahlt keine Steuern in Griechenland. Bekannt ist Vielen auch Alfred Gusenbauer, österreichischer Ex-Kanzler und Berater für den Bankkonzern Hypo Group Alpe Adria, Aufsichtsratsvorsitzender der Baufirma Strabag und bei der WAZ.

Wir kürzen diese Aufzählung hier ab, weil wohl deutlich genug wird, wie Kapital und Politik einen schönen bunten Filz bilden, der wiederum mit dem Bankkapital verbunden ist - ein typischer Fall von „Finanzkapital“.

Die meisten Beiratsmitglieder haben ein Konto bei der HSH-Nordbank, die auf Immobilien und Schiffsverkehr spezialisiert ist. Die Bank, die zu großen Teilen den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein gehört, kam 2008 in Turbulenzen. Über Peter Hasskamp, auch ein Beiratsmitglied der Signa, finden wir folgenden Eintrag auf der Signa-Website:

„Peter Hasskamp hält nach seinem Ausscheiden als langjähriger Vorstand der Bremer Landesbank im Jahr 2004, deren Vorsitz er über 16 Jahre innehatte, eine Vielzahl von Aufsichtsrats- und Beratungsmandaten, u.a. in der Bremer Landesbank Stiftung und der EGC Eurogroup Unternehmensberatung AG, Frankfurt.“

Die HSH Nordbank ist eine Landesbank, wenn auch mit privaten Teilhabern. George Economou hat in der Vergangenheit Kredite von der HSH Nordbank bekommen, um Zukäufe für seine Reedereien zu finanzieren. Die HSH Nordbank sicherte schon Darlehen für eine bevorstehende Übernahme der Kaufhof-Kette durch Signa ab, das Risiko für diese Kette hätte beim Staat gelegen, wenn die Übernahme der 114 Kaufhäuser für über zwei Milliarden Euro gelungen wäre. Auch Pläne für einen Zusammenschluss bzw. Übernahme sind noch nicht vom Tisch.

Die HSH Nordbank war während der Finanzkrise 2008 in Turbulenzen geraten. Nur staatliche Gelder konnten die Bank aus der Schieflage retten. Sieben ihrer Vorstände aus dieser Zeit standen vor kurzem vor Gericht wegen Manipulationen der Bilanzen und „Verstecken von Risiken“. Gegen den Freispruch dieser Manager hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt.

Das erklärte Ziel von Benko ist die „Veredelung“ einiger Karstadthäuser durch eine knallharte Sanierung, damit die Mieteinnahmen stimmen. Benko sammelt mit Hilfe seines Beirats Kapital ein, das in der Sphäre der Produktion nicht gewinnbringend investiert werden kann. Er hilft, „überschüssiges“ Kapital in „Betongold“ anzulegen - nicht mit statischer, sondern mit dynamischer Rendite.

Was macht ver.di?

Es gilt „Alarmstufe Rot“ für 20-30 Karstadt-Filialen: Personalausdünnungen sowie massive Kürzungen an den Arbeits- und Lohnbedingungen der gesamtem Belegschaft sind schon in Planung. Das passende Management-Personal hat Benko schon in Stellung gebracht. Die Gewerkschaft ver.di reagiert mit der Warnung vor „übereilten Beschlüssen“ und fordert ein „vernünftiges Konzept“:

„Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat den neuen Eigentümer der Karstadt-Warenhäuser vor übereilten Entscheidungen und Schließungen von Standorten gewarnt.“ Karstadt hat derzeit andere Probleme als zu viele Häuser“, sagte der ver.di-Vertreter im Aufsichtsrat, Arno Peukes, der Berliner Zeitung. „Zuallererst muss der neue Eigentümer ein vernünftiges Konzept auf den Tisch legen, wie das Unternehmen künftig entwickelt werden soll“.

Dumm nur, dass sich Benko und sein Signa nicht an den verdi-Fahrplan halten und die Angriffe auf die Beschäftigen vorantreiben. Während mindestens 20 Kaufhäuser auf einer Schließungsliste stehen, reagiert ver.di verbal trotzig, in Wirklichkeit blauäugig:

„Beschlüsse über die Zukunft einzelner Standorte dürften nicht zur Debatte stehen. Der Gewerkschafter (Peukes) vertritt entgegen der Auffassung von Branchenvertretern die Meinung, dass der deutsche Einzelhandelsmarkt ‚groß genug für zwei Kaufhaus-Gruppen' sei. Peukes: ‚Die 83 Häuser von Karstadt können bestehen bleiben..'“  (Berliner Zeitung, 2. September 14)

Ver.di fordert Investitionen, die Niclas Berggrün nicht getätigt hat. Allein eine Analyse der bisherigen Aktivitäten Benkos im Warenhausbereich lässt aber klar erkennen, dass er lediglich in Prestigeobjekte investiert, die er dann teuer vermietet. So gehören ihm schon das Berliner KaDeWe, andere Prachtstücke des ehemaligen Karstadt-Konzerns oder Immobilien wie das Tyrol-Kaufhaus in Innsbruck.

Die Immobilien der jetzt übernommenen Karstadt-Häuser gehören der Lighthouse und anderen. Wenn dort Karstadt Filialen geschlossen werden, hat Benko keinen Schaden. Und die Sorge um die Vitalität der Innenstadt von Hamm gehört kaum zu dem, was Benko und Co. Interessiert.

Ver.di fordert ein „zukunftsfähiges Konzept“, in die Planungen solle ver.di und die Betriebsräte eingebunden werden. Die Belegschaften hätten ja schon so viele Opfer gebracht. Die Beschäftigten hätten auch genaue Kenntnis, was die KundInnen an den einzelnen Standorten wollten. Kurz, ver.di fordert ein Recht auf Co-Management. Doch Benko und Co. werden solche Forderungen ignorieren. Auch das Argument, dass eine Stilllegung genauso viel koste wie Investitionen in verschiedene Kaufhäuser, ist kaum eine Grundlage für ein gewerkschaftliches Widerstandskonzept.

Wie weiter?

Für die Karstadt-Beschäftigten ist die aktuelle Entwicklung harte Realität, aber nur dann auch Grund zur Verzweiflung, wenn man die Methoden des Klassenkampfes nicht kennt oder als „überholt“ empfindet.

Für die Verteidigung der Arbeitsplätze lohnt sich durchaus ein Blick auf die Erfahrungen des Tarifvertragskampfes des Einzelhandels im letzten Jahr, als die Beschäftigten mit ihren Methoden den Einzelhandelskapitalisten durchaus Schwierigkeiten bereitet haben. Aber diese Methoden des flexiblen Kampfes wie in Baden-Württemberg setzen zumindest eine gewisse Unabhängigkeit von der Fixierung auf das „Unternehmenswohl“ voraus. Bei Karstadt stehen die Beschäftigen und die Gewerkschaft mit dem Rücken zur Wand.

Als kurzfristige Lösung bleibt eigentlich nur eine gesamtgesellschaftliche. Was bedeutet das? Erstens die Offenlegung der Bilanzen, Verträge und Umstrukturierungen usw., um überhaupt einen klaren, nachprüfbaren Stand über das Geschäftsgebaren zu erhalten. Zweitens müssen Signa, Benko, Berggrün u.a. Mitverdiener an Karstadt entschädigungslos enteignet werden - und zwar nicht nur seine Unternehmen, sondern auch das milliardenschwere Privatvermögen. Damit könnte wenigstens ein Teil der Kosten bestritten werden und diese nicht durch immer weiteren Lohnverzicht der Beschäftigten aufgefangen werden. Drittens müsste ein verstaatlichtes Unternehmen unter Kontrolle der Beschäftigten weitergeführt werden.

Zweifellos ist all das nur eine kurzfristige Abhilfe. Die Konkurrenz im Handel, der brutale Kampf um Marktanteile bei stagnierender Kaufkraft der Lohnabhängigen - selbst eine notwendige Folge der kapitalistischen Krise - kann natürlich im Rahmen des Kapitalismus nicht gelöst, allenfalls abgemildert werden. Ein Durchbrechen der Schließungs- und Entlassungspläne bei Karstadt würde aber zumindest eine Trendumkehr bedeuten und könnte über das Unternehmen hinaus für die ganze Branche eine wichtige Signalwirkung haben.

Doch das wird wirklichen Kampf erfordern. Auf Belegschaftsversammlungen müsste nicht nur über die Lage informiert, sondern v.a. auch über Kampfmaßnahmen beraten und beschlossen werden. Das erfordert aber auch einen Bruch mit der Politik des Co-Managements, des ständigen Zurückweichens, das ver.di und die Betriebsräte bei Karstadt jahrelang praktiziert haben. Die Kaufhäuser werden wahrscheinlich nur gehalten werden können, wenn es zu unbefristeten Streiks und Besetzungen kommt.

Ein Streik in einem von der Schließung stehenden Unternehmen ist natürlich nie einfach, weil der wirtschaftliche Druck, der aufgebaut werden kann, relativ gering ist. Daher wäre es wichtig, die Aktion im Voraus an allen verbliebenen Standorten durchzuführen. Damit wäre sowohl der Druck auf die Kapitalisten größer als auch die öffentliche Wirkung. Darüber hinaus sind Solidaritätsaktionen und Streiks auch in anderen Unternehmen notwendig und ver.di muss dazu verpflichtet werden, solche vorzubereiten und durchzuführen.

Und schließlich geht es darum, Solidaritätskomitees gegen die Schließungen und die drohenden Entlassungen von tausenden Beschäftigten aufzubauen, um die Lohnabhängigen, allen voran die KundInnen in eine Solidaritätsbewegung einzubeziehen und die Vernichtung der Jobs bei Karstadt zu einer gesellschaftlichen, politischen Auseinandersetzung zu machen.

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Nr. 192, September 2014
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