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Amazon

Sieg dem Streik!

Hannes Hohn, Neue Internationale 186, Februar 2014

Der US-Konzern Amazon ist der weltweit größte Versandhändler. In Deutschland arbeiten etwa  9.000 MitarbeiterInnen in neun Logistikzentren. Die größten sind Bad Hersfeld mit über 3.000 und  Leipzig mit rund 2.000 Beschäftigten.

Amazon errichtete seine Standorte v.a. in strukturschwachen Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit. Der Konzern erhielt reichlich Subventionen. Trotzdem hat Amazon aber die Holding-Gesellschaft in Luxemburg angesiedelt, um Steuern zu sparen. Die Arbeitsbedingungen sind tw. sehr schwer. In Stoßzeiten wie vor Weihnachten artet die Arbeit oft genug zur Hetze aus. Neben der schlechten Bezahlung, wirft ver.di dem Unternehmen auch die vielen befristeten Arbeitsverträge und ein viel zu niedriges Urlaubs- und Weihnachtsgeld vor.

Beschäftigte schildern anschaulich die Zustände bei Amazon. So gab es am Standort Bad Hersfeld  für viele ArbeiterInnen fünf Jahre keine Lohnerhöhung. Erst als sich viele bei ver.di organisierten, gab es Lohnanpassungen. Die Beschäftigten werden bewusst unter Druck gesetzt und in Unsicherheit gehalten, indem ein großer Teil an befristeten Arbeitsverträge oft über Jahre hinaus immer wieder verlängert werden, so dass nicht der höhere Festangestellten-Tarif bezahlt werden muss. Mangels ordentlicher Lüftung fallen im Sommer oft KollegInnen um. Die Beschäftigten werden ständig überwacht, wer zu lange steht, bekommt via Handscanner eine Ermahnung.

Ein Streik für 44 Cent?

Allein diese Schilderungen zeigen, dass es beim Amazon-Streik bei weitem nicht nur um einen besseren Verdienst geht. Der niedrigste Verdienst der MitarbeiterInnen bei Amazon liegt bei 10,22 Euro. Amazon richtet sich nach dem Tarif der Logistikbranche, der 44 Cent unter dem des Einzel- und Versandhandels liegt. Auch diese Dumping-Lohnpolitik erklärt die Mega-Gewinne von Amazon. Der Streik, der nun schon seit Monaten läuft, fordert v.a. die Übernahme des besseren Versandhandels-Tarifs. Doch es geh eben um mehr als nur 44 Cent. Ein Erfolg wäre auch ein Signal, den Kampf für bessere Bezahlung in den unzähligen Bereichen von Handel und Logistik zu führen, wo „anormale“ Beschäftigungs- und Bezahlungsverhältnisse an der Tagesordnung sind. Der Kampf bei Amazon darf also schon deshalb nicht nur unter dem Blickwinkel des einen Unternehmens gesehen werden.

Etwa 1.000 der vor Weihnachten kurzfristig auf 23.000 Beschäftigte gewachsenen Belegschaft waren kurz vor Weihnachten auf die Straße gegangen, um für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu streiken. Bisher wurden noch nicht alle Amazon-Standorte bestreikt, doch ver.di will den Kampf ausweiten. Allerdings ist das ein hartes Ringen. Zum einen steht Amazon gut da und kann Verluste durch Streiks relativ gut verschmerzen. Zum anderen sind viele Beschäftigte stark unter Druck und die Arbeit bei Amazon ist für viele die einzige Job-Chance. So erklärt sich auch, warum es einen kleinen Teil der Belegschaft gibt, der sich gegen den Streik ausspricht und die Stimmungsmache des Managements gegen ver.di mitmacht. Den Boden dafür hat aber nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch die jahrelang betriebene unternehmer- und regierungsfreundliche Politik der Gewerkschaften bereitet, die jetzt auf sie selbst zurückfällt. Warum sollten die Beschäftigten auf die Gewerkschaft vertrauen, die Ja zur Agenda-Politik gesagt oder der Rente mit 67 zugestimmt hat?!

Ausweitung

Beim Amazon-Konflikt kommt sicher hinzu, dass die Tarifforderung von ver.di tatsächlich wenig mehr als ein Tropfen auf den heißen Streik und alles andere als ein (finanziell) wirklich attraktives Kampfziel ist. Neben der Tarif-Forderung müsste daher zumindest auch eine Festgeld-Forderung aufgestellt und die Festeinstellung einer großen Zahl von Befristeten gefordert werden. Dazu müssen Zeitarbeitskräfte die gleiche Bezahlung wie die Festangestellten erhalten.

Zur Ausweitung des Arbeitskampfes werden auf Gewerkschaftsebene im Januar Vernetzungstreffen stattfinden, wo auch die bisherigen Streiks ausgewertet werden. Dort müssten u.a. die oben genannten Forderungen eingebracht werden. Gleichzeitig muss der Kampf direkt unter die demokratische Kontrolle der Basis gestellt werden. Streikleitungen und Verhandlungskomitees müssen gewählt, abwählbar und den Kämpfenden rechenschaftspflichtig sein.

Alle Verhandlungen und Aktionsplanungen müssen offengelegt werden! Kein Abschluss ohne Zustimmung und Diskussion an der Basis, um - den schon zu oft erlebten - Ausverkauf des Kampfes durch die Bürokratie zu verhindern!

Ein Ausweitung des Kampfes bedeutet aber auch, Unterstützung in der Branche wie in der gesamten Arbeiterklasse durch den Aufbau von Solidaritätskomitees zu organisieren. Vor allem aber muss an ver.di die Forderung gestellt werden, auch andere Branchen und Gewerkschaften aufzufordern, den Streik bei Amazon zu unterstützen - nicht nur moralisch, sondern durch praktische Aktionen.

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Nr. 186, Februar 14
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