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50. NATO-Sicherheitskonferenz in München

Ein Mordsspektakel

Helga Müller, Neue Internationale 186, Februar 2014

Zum 50. Mal jährt sich in diesem Jahr die Tagung der Nato-Sicherheitskonferenz in München. Entsprechend haben sich neben Vertretern aus Militär und Rüstung auch wieder  hochrangige PolitikerInnen angesagt. So werden aus den USA Verteidigungsminister John Kerry, die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Susan Rice, und mehrere Senatoren erwartet.

Diese hochrangige Delegation aus den USA ist sicher auch den innerimperialistischen Spannungen geschuldet, die ihren bisherigen Höhepunkt in der NSA-Affäre hatte. Die Bundesregierung wird in München voraussichtlich mit der neuen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Außenminister Steinmeier vertreten sein. Insgesamt sollen 18 Staats- und Regierungschefs, 50 Außen- und Verteidigungsminister und 10 Chefs von internationalen Organisationen ihr Kommen angekündigt haben. Als Ehrengäste werden der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt, der ehemalige französische Präsident Valerie d'Estaing und der frühere US-Außenminister Henry Kissinger erwartet.

Erwartungen der deutschen Bourgeoisie

Zum ersten Mal wird die Sicherheitskonferenz am Freitag, dem 31. Januar von einem deutschen Bundespräsidenten eröffnet. Joachim Gauck wird sicher bereitwillig die schon  länger von bestimmten Kreisen geforderte „neue Rolle Deutschlands in der Welt“ in seiner Rede skizzieren. Bereits in seiner Antrittsrede im Juni 2012 machte er deutlich, dass die Bundeswehr einem „gerechten Frieden den Weg bahnen“ und in der Lage sein müsse, „friedliche Koexistenz zu schaffen (…) dort wo Hass regiert.“ Weiter schwadronierte der ex-Pfarrer: „Gewalt, auch militärische Gewalt, wird ja immer ein Übel bleiben. Aber sie kann - solange wir in der Welt leben, in der wir leben - (…) notwendig und sinnvoll sein, um ihrerseits Gewalt zu überwinden oder zu unterbinden.“ (zit. nach IMI-Standpunkt 2014/002 Chauvinisten und Kriegsverbrecher von Jürgen Wagner, 15.1.2014).

Noch deutlicher wurde Gauck in seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 2013: „Ich mag mir nicht vorstellen, dass Deutschland sich groß macht, um andere zu bevormunden. Aber ich mag mir genauso wenig vorstellen, dass Deutschland sich klein macht, um Risiken und Solidarität zu umgehen.“ Wie dieser Satz in politischen Kreisen interpretiert wird, macht der Siko-Koordinator Ischinger auf deren Seite deutlich. Im Dezember 2013 stellt er die rhetorische Frage: “War das eine Absage an die überstrapazierte sogenannte Kultur der militärischen Zurückhaltung?“

Die FAZ, ein wichtiges Organ des bürgerlichen Lagers, sagt es noch deutlicher. In ihrem Kommentar zu den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag - insbesondere in Hinblick auf die außenpolitische Positionierung der neuen Großen Koalition schreibt sie: „Einen Fortschritt zum Koalitionsfundament des Jahres 2005 markiert die außenpolitische Präambel des aktuellen Entwurfes (des Koalitionsvertrages, Anm. der Verf.). Die Formulierung markiert einen Abschied von der Kultur außenpolitischer Zurückhaltung, die frühere Grundsatztexte prägte. Stattdessen haben die Teilnehmer (der Verhandlungen zum Koalitionsvertrag, Anm. der Verf.) (…) eine selbstbewusste Rolle Deutschlands beschrieben, die mit dem Bekenntnis beginnt, die Bundesregierung wolle die globale Ordnung aktiv mitgestalten.“ (FAZ, 6.11.13)

Auf der diesjährigen Siko wird es aber nicht allein um die neue Rolle  Deutschlands in der Welt gehen, sondern um die Neujustierung der Kräfteverhältnisse zwischen den Imperialismen, sind doch die Ursachen der tiefen Wirtschaftskrise trotz aller gegenteiligen Behauptungen und Prognosen längst nicht überwunden. Dies zwingt die imperialistischen Staaten dazu, verstärkt in Konkurrenz miteinander zu treten, die Welt neu zu ordnen, die Ressourcen neu aufzuteilen - zunehmend auch unter Einsatz militärischer Mittel.

NATO und EU

Es geht um eine globale Neuorientierung Europas unter der Führung Deutschlands: es geht um eine Neuordnung der Welt, die Eroberung neuer Absatzmärkte und die Sicherung von Ressourcen. Deutschland ist gestärkt aus der Krise hervorgegangen und ist damit - besser als vor der Krise - in der Lage, sein Programm den schwächeren Staaten Europas aufzuzwingen. Aber diese globale Neuorientierung hat auch ihre Risiken. Nicht nur, dass Deutschland durch seine Austeritätspolitik in Europa seine eigenen Absatzmärkte ruiniert, was bisher noch durch andere, außereuropäischer Absatzmärkte kompensiert werden konnte. Vor allem tauchen mit den BRIC-Ländern neben den USA neue Konkurrenten für den EU-Block auf. Zum anderen ist die militärische Macht der USA nicht gebrochen, die EU ist (noch) nicht in der Lage, die USA militärisch herauszufordern. Dabei setzt die Große Koalition, wie aus dem Koalitionsvertrag hervorgeht, auf neue strategische Partnerschaften z.B. mit China. Zum anderen soll die EU auch als eigenes Militärbündnis etabliert werden, ohne die NATO  vollkommen aufzugeben. Neben der „Heranführung der Länder des westlichen Balkans an EU und NATO“, das sie aktiv vorantreiben will, setzt sie sich dafür ein, „die zivilen und militärischen Instrumente der Europäischen Union weiter miteinander zu verknüpfen und Europas zivile sowie militärische Fähigkeiten zur Krisenprävention und Konfliktbeteiligung zu verbessern. (…) NATO- und EU-Fähigkeiten müssen komplementär zueinander sein.“

Diese stärkere Orientierung auf die EU als Militärbündnis spiegelt sich auch in einer gewissen Neuorientierung der europäischen Rüstungs- und Außenpolitik wider. Bei der Tagung des Europäischen Rats am 19./20. Dezember 2013 lag der Schwerpunkt zum ersten Mal seit 2008 wieder auf dem Thema Sicherheit und Verteidigung. Dazu heißt es auf der Website des Europäischen Rates u.a.: „In der heutigen, im Wandel begriffenen Welt muss Europa bei der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit eine größere Rolle übernehmen. (…) Gleichzeitig ist es angesichts der derzeitigen finanziellen Engpässe noch dringender geboten, dass die europäischen Staaten bei der Entwicklung ihrer militärischen Fähigkeiten eng zusammenarbeiten.“

Noch deutlicher wurde die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton im März 2013: „Aus meiner Warte ist der Sicherheits- und Verteidigungssektor aus drei Gründen notwendig: Erstens, um die Umsetzung der europäischen Ambitionen auf globaler Ebene zu gewährleisten. Das zweite Argument ist operativer Natur: Um zu gewährleisten, dass Europa über die richtigen militärischen Fähigkeiten verfügt, um handlungsfähig zu sein. Und der dritte Grund ist ökonomischer Natur: hier geht es um Arbeitsplätze, Innovationen und Wachstum.“

Widerstand aufbauen!

Auch dieses Jahr werden wieder tausende AktivistInnen aus linken Organisationen, aus Gewerkschaften, der Anti-Kriegsbewegung und viele Jugendliche gegen die Siko demonstrieren.

Aber allen AktivistInnen muss bewusst werden: der einzige Weg, um Schluss zu machen mit Krieg, Ausbeutung und Zerstörung ist der Aufbau eines effektiven Widerstands gegen die deren Verursacher. Dazu ist es auch und vor allem nötig, die Arbeiterschaft und ihre Organisationen verstärkt für diesen Widerstand zu gewinnen. Dies bedeutet auch, den Zusammenhang zwischen der verstärkten militärischen Absicherung der Absatzmärkte und Ressourcen und den Angriffen auf die Arbeiterklasse aufzuzeigen, um sich so mit der Arbeiterklasse verbinden zu können.

Wir rufen deshalb alle Jugendlichen, alle KollegInnen und GewerkschafterInnen auf, zur Großdemonstration am Samstag, dem 1. Februar in München um 13 Uhr auf den Marienplatz zu kommen und die Proteste gegen die Siko zu unterstützen!

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Nr. 186, Februar 14
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