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Frauenbefreiung

Was nützt die Quote?

Hannes Hohn, Neue Internationale 168, April 2012

Die Frauen-Quote ist zu einem wichtigen Thema geworden. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens ist der Anteil von Frauen in gehobenen Stellungen in Deutschland nach wie vor sehr gering und noch niedriger als in anderen Ländern. Auch ein positiver Trend ist nicht erkennbar. Das allein verweist überdeutlich auf die reale Benachteiligung von Frauen.

Zweitens haben die bürgerliche „Frauenpolitik“ und damit die Medien das Thema neuerdings für sich entdeckt. So macht sich die frühere Familienministerin und jetzige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) dafür stark, dass per Quotierung mehr Frauen in Führungspositionen gelangen. Doch diese bürgerliche Kampagne doktert nur an Symptomen herum und ist v.a. eine Alibi-Aktion, die den Anschein erwecken soll, dass auch die CDU etwas gegen die Benachteiligung von Frauen unternimmt.

Im Marxismus und in der Arbeiterbewegung war die Frauenbefreiung immer ein Thema. Selbst der reformistische DGB oder die SPD bekennen sich - wenn auch eher formell und ohne wirklich dafür zu kämpfen - zur Gleichberechtigung der Frau. Der Stellenwert der Quotierung wird dabei sehr unterschiedlich gesehen.

Welche Position?

Zunächst einmal drückt die Forderung nach Quotierung den realen Sachverhalt der sozialen Benachteiligung von Frauen aus und ist ein Versuch, deren Repräsentanz im Berufleben wie überhaupt in der Gesellschaft zu erhöhen.

Das Hauptproblem bei vielen FürsprecherInnen der Quote ist jedoch, dass sie die Frauenunterdrückung nicht auch als Klassenfrage sehen, sondern nur als Geschlechterfrage. Wenn Frau von der Leyen oder auch Alice Schwarzer die Wahl von Angela Merkel zur Kanzlerin als Erfolg im Kampf für Gleichberechtigung sehen, wird das besonders deutlich. Was der soziale Inhalt ihres „Jobs“ ist, nämlich Spitze des repressiven bürgerlichen Staatsapparates zu sein, bleibt ausgeblendet. Natürlich soll jede Frau das Recht - und v.a. die reale Möglichkeit - haben, einen bisher typischerweise von Männern besetzten Posten einzunehmen. Doch es wäre einfach dumm oder verlogen, anzunehmen, dass es der Frauenbefreiung dienen würde, wenn auch Frauen als Soldatin im Dienste des Imperialismus in Afghanistan töten dürfen oder als Managerin Ausbeutung und Entlassungen organisieren.

Dasselbe gilt im Prinzip auch für die Quotierung. Wenn der Anteil von Frauen per Quote erhöht wird, so erhöht das zwar die Präsenz von Frauen, ihr „Ansehen“ und ihre Einflussmöglichkeiten, doch eine Befreiung der Frauen oder auch nur eine relevante Verbesserung ihrer sozialen Lage ist das noch lange nicht. Schließlich ist die soziale Unterdrückung der Frau v.a. eine Frage der gesellschaftlichen Strukturen und nicht primär davon abhängig, wer diese Strukturen personell füllt. Die „Sachzwänge“ des Kapitalismus wie Konkurrenz, Profitstreben usw. sind tausendmal zwingender als ein paar tausend Machos in Chefsesseln.

Allerdings kann die Quotierung - oder besser: der Kampf darum - durchaus dazu beitragen, dass die Frage, wer was in höheren Positionen vertreten soll, stärker diskutiert und somit ein höheres Bewusstsein dafür entsteht. So könnte das Eintreten für eine Frauen-Quote damit verbunden werden, Forderungen damit zu verbinden.

Deshalb müssen Linke immer klar machen, dass eine Quote allein die strukturelle Benachteiligung von Frauen nicht überwinden kann. Im Gegenteil: Erst die Überwindung dieser Benachteiligung, z.B. durch die Vergesellschaftung von Hausarbeit und Kinderbetreuung, ermöglicht es real, dass Frauen bereit und in der Lage sind, „ihre“ Quote auch zu nutzen.

Andererseits müssen wir die konservative Ansicht, dass Frauen nicht oder weniger gut in der Lage wären, „höhere“ Positionen auszufüllen, strikt zurückweisen.

Generell sollte gelten, dass das Eintreten für eine Frauenquote damit verbunden werden muss, die Lage von Frauen z.B. im Unternehmen zu diskutieren und für Verbesserungen einzutreten.

Quote und Arbeiterbewegung

Anders als in der bürgerlichen Gesellschaft allgemein sieht es mit der Quotierung in Massenorganisationen der Arbeiterbewegung aus.

Hier ist eine stärkere Repräsentanz von Frauen unbedingt erforderlich, um Frauen stärker in den Klassenkampf, in Organisationen und Strukturen wie z.B. Gewerkschaften, Betriebsräte oder Vertrauensleutekörper einzubinden. In den letzten Jahrzehnten haben viele Gewerkschaften, aber auch reformistische Parteien Mindestquoten für Frauen eingeführt.

Damals stieß dies auf heftigen Widerstand nicht nur der männlichen Kollegen, sondern auch in der  Linken. Die Frauen würden nur Alibifrauen sein oder leichter von der Bürokratie zu manipulieren sein.

Schon damals waren diese Argumente äußerst fragwürdig und im Kern chauvinistisch. Heute sind sie auch in der Praxis widerlegt. Alibimänner gibt es ebensoviele wie Frauen und willfährige Helfer  der Bürokratie sind nicht seltener als Helferinnen.

Verändert hat sich allerdings die reale Beteiligung der Frauen in den Gremien, z.B. in Vertretungskörperschaften. Und das ist gut so.

Klassenbewußtsein

Aber sie hat sich v.a. aufgrund einer vorwiegend administrativen Maßnahme erhöht. Und das ist der Haken. Der gesteigerten Vertretung durch Frauen entspricht bis heute nicht annähernd das Bewusstsein, der männlichen wie auch weiblichen Beschäftigten. Noch heute herrschen bei manchen Gewerkschaften, gerade im industriellen Bereich, männerbündische Strukturen vor.

Dass einer erhöhten Repräsentanz der Frauen nicht auch ein gleichermaßen erhöhtes Bewusstsein entspricht, kann nicht administrativ gelöst werden. Dazu bedarf es erstens einer gesteigerten Rolle der Frauen im Kampf. Dazu können die Tarifrunden im Öffentlichen Dienst, z.B. die stärkere Militanz der Erzieherinnen ein wichtiger Ausgangspunkt ein. Wenn Frauen zu gewerkschaftlichen und politischen Führerinnen in diesen Aktionen werden, wird das einen enormen Antrieb auch zur Änderung der gesamten Kultur, zur Veränderung des realen Verhältnisses zwischen den Geschlechtern geben.

Zweitens reicht aber eine rein zahlenmäßige oder rein gewerkschaftliche Aktivierung nicht aus. Die Frauen - wie die Arbeiterbewegung insgesamt - müssen auch für eine andere, für eine revolutionäre Politik gewonnen werden, die den Kapitalismus selbst und die gesellschaftlichen Grundlagen der Frauenunterdrückung wie die bürgerliche Familie und die private Hausarbeit in Frage stellen.

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Nr. 168, April 2012
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