Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Nach dem Widerstandscamp gegen S21

Bilanz und Perspektiven

Anne Moll, Neue Internationale 160, Juni 2011

Ein neuer Höhepunkt und Aufschwung sollte es werden. Das Widerstandcamp vom 20. - 24. Mai war für 600 bis 1000 TeilnehmerInnen ausgelegt. Es sollte mit einer Großdemonstration eingeleitet, von lebendigen Workshops geprägt werden und in einer Massenblockade münden.

Schon zur geplanten Großdemo am Samstag kamen weniger als erhofft. Mit rund 5000 TeilnehmerInnen konnten sie nicht an das Mobilisierungspotential vor der Wahl der Landesregierung anknüpfen.

Doch die erhoffte Redynamisierung des Widerstandes blieb auch am Camp aus. Die Teilnehmerzahl blieb weit hinter den Erwartung zurück. Insgesamt waren rund 480 Menschen angemeldet, rund 200 waren anwesend. Nur am Samstagabend kamen mehr als Konstantin Wecker aufspielte.

Das Widerstandscamp hat neben vielen BasisdemokratInnen und VerfechterInnen des gewaltfreien zivilen Ungehorsams, überwiegend unorganisierte AktivistInnen angelockt, die mit der Bewegung unzufrieden sind und oft auch von den Grünen desillusioniert sind.

Aber es fehlten fast alle organisierten linken Gruppen, GewerkschafterInnen, Linkspartei, Grüne Jugend, Jugendoffensive am Camp usw. Wenn überhaupt tauchten deren VertreterInnen nur als BeoachterInnen oder Gäste, nicht jedoch als aktive Teile der Bewegung auf.

So waren die Gruppe Arbeitermacht und REVOLUTION, die einzigen linken Organisationen, die eigene Workshops abhielten, die gut besucht waren und wo sie eine offene und interessante Diskussion über „S 21 und die Krise des Kapitalismus“ und „Blockadetaktiken“ entwickelte.

Die Blockaden am 23. und 24. Mai hatten angesichts der Camp-Mobilisierung vor allem symbolischen Charakter. Eineinhalb Tage wurde vor dem Grundwassermanagement die Bauzufahrt blockiert, d.h. vor allem gesessen. Um die ganze Aktion wurde aber im Vorfeld eine große Geheimhaltung gemacht, so dass der Eindruck entstand, dass doch mehr als nur symbolisch blockiert würde. Das führte evtl. dazu, dass nur 60 Personen vom Camp aus daran teilnahmen. Aus der Stadt kamen dann noch ca.120 BlockiererInnen dazu. Von einer Massenaktion kann aber keine Rede sein.

Im wesentlichen wurde die Aktion von der Polizei geduldet, die auch den Weg für Verpflegung der Blockade, Lautsprecheranlage und sogar Dixiklos freimachte.

Außerdem muss kritisiert werden, dass es keine Möglichkeit gab, die Aktiven an der Diskussion über die Blockade am Camp zu beteiligen. Die ganze Aktion wurde von einem kleinen internen Kreis organisiert, die Blockierer mussten sich auf diese bis Montag verlassen. Was auch zu einiger Enttäuschung führte.

Denn: Das wichtigstes Ziel der Organisationen war offenkundig ein gutes - und entsprechend harmloses - Bild für die Presse abzugeben.

Wie weiter?

Kann der Widerstand gegen S21 so gestärkt werden, und wieder eine Perspektive erhalten? Wohl kaum. Auf dem Camp und auch auf der Blockade waren sicher überwiegend die aktivistischsten Kräfte der Bewegung. Überwiegend die VerfechterInnen des zivilen Ungehorsams und basisdemokratischer Konsensfindung. Daneben gab es aber auch TeilnehmerInnen, die erkannt haben, dass politische Organisation wesentlich zielführend ist und jetzt auf der Suche nach Organisation sind. Ob diese Blockade den Widerstand stärkt oder eher unbedeutend bleibt, ist abschließend heute nicht zu beurteilen. Vor allem es hängt nicht so sehr von Blockade ab, sondern davon, ob es die Widerstandsbewegung schafft, ihre Kräfte neu zu bündeln und zu formieren.

Insgesamt muss nämlich festgehalten werden, dass der Widerstand keine Kampfperspektive über die Montagsdemos hinaus hat. Hinzu kommt, dass die Protestbewegung gespalten ist. Auf der einen Seite steht das K21 (Kopfbahnhof 21) Bündnis, das nicht einmal mit der für seinen Geschmack zu „militanten“ Blockadeaktion in Verbindung gebracht werden wollte. Das hat die Mobilisierung geschwächt und erklärt zum Teil die geringe Teilnahme. Auf der anderen Seite stehen die ParkschützerInnen um „Bei-Abriss-Aufstand“, die einerseits versuchen, aktivistisch zu bleiben, andererseits aber auch niemanden (bürgerliche Presse, K21 Bündnis) gegen sich aufbringen wollen und deshalb nicht über kleinbürgerliche Aktionsformen hinaus gehen.

Wie wir in unserem Flugblatt zum Camp argumentiert haben, bedarf es einer gründlicheren Neuausrichtung der Bewegung, eine klaren Beantwortung der Frage, welche gesellschaftliche Kraft, S 21 stoppen kann. „Offenkundig nur eine, die selbst dort eingreifen kann, wo der Profit geschaffen wird. Und das sind die Lohnabhängigen, das ist die Arbeiterklasse. Sie muss letztlich für diesen Kampf gewonnen und organisiert werden.

Dazu bracht es entsprechende demokratische und verbindliche Strukturen der Bewegung. Dazu müssen wir Aktions- und Widerstandskomitees in Betrieben, aber auch in Stadtteilen, an den Unis und Schulen aufbauen.

Natürlich wird eine solche Bewegung weiter Massenaktionen - Demos, Blockaden, Besetzungen machen, ja machen müssen. Sie muss aber auch politische Streiks, Arbeitsniederlegungen in den Betrieben und Büros in Angriff nehmen und versuchen, dafür die Gewerkschaften zu gewinnen.

Dazu brauchen wir aber Forderungen, die den Kampf gegen S 21 mit dem Kampf für ein besseres und vom Unternehmerprofit bezahltes Verkehrssystem verbinden:

Sofortiger Bau- und Planungsstopp für S21! Umwidmung der Mittel für Wohnungs- , Schulbau und Renovierung gesellschaftlich zentraler Versorgungseinrichtungen!

Milliarden für den Ausbau des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs im Interesse der lohnabhängigen NutzerInnen! Kostenloser Nahverkehr für alle!

Keine Privatisierung, kein Börsengang der Bahn! Rückverstaatlichung der Bahn u.a. Verkehrsunternehmen, kontrolliert durch Komitees der Beschäftigten und der NutzerInnen!

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 160, Juni 2011
*  EU, Euro und imperialistische Neuordnung: Schuldenkrise und Widerstand
*  Heile Welt
*  Tarifrunde Druck/Verlage: Generalangriff auf Arbeitszeit und Löhne
*  Nach dem Widerstandcamp gegen S21: Bilanz und Perspektive
*  Schulstreik in Berlin: Eine neue Chance
*  DGB und die "Freizügigkeit": Internationalismus statt Chauvinismus!
*  Griechenland: Die Krise und die Aufgaben der Arbeiterbewegung
*  Jugendbewegung in Spanien: Wofür kämpft die "spanische Revolution"?
*  Burkaverbot in Frankreich und Belgien: Rassisten machen ernst
*  Berlin: Der Streik an der Charité und die SAV
*  Programmdebatte in der Linkspartei: Das übliche Geschacher
*  Nachruf für Friederike Schlesak
*  Anti-Atom-Bewegung: Ausstieg mit Hintertürchen