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Programmdebatte in der Linkspartei

Das übliche Geschacher

Martin Suchanek, Neue Internationale 160, Juni 2011

“Die Art und Weise, wie die Debatte gelaufen ist, stimmt mich da sehr zuversichtlich: Wir haben am Wochenende eine konstruktive Diskussion gehabt, nach der es weder Sieger noch Besiegte gibt. Ich persönlich bedaure z.B., daß unsere ‚Haltelinien' geschwächt sind, andere kritisieren andere Punkte - aber die Richtung stimmt.” (Christine Buchholz in einem Interview mit der Tageszeitung Junge Welt vom 24.05.11)

Somit hat die Redaktionskommission des Parteivorstandes endlich einen Vorschlag erarbeitet, der, so die Parteivorsitzenden Ernst und Lötsch, mit „konsensfähigen Vorschlägen“ überarbeitet wurde.

Staats- und Regierungsfrage

Der von Anfang bis zum Ende reformistische, auf eine Verbesserung des Kapitalismus im Rahmens des “demokratischen Sozialismus” abzielende Text lässt auf 35 Seiten immerhin eine klare Stoßrichtung erkennen, die Wesen und Praxis der Linkspartei entspricht. Zur Regierungsfrage heißt es dort:

“Parlamentarische Opposition wie auch das Wirken in Regierungen sind für DIE LINKE Mittel politischen Handelns und gesellschaftlicher Gestaltung. Der Kampf für die Verbesserung der Lage von Benachteiligten, die Entwicklung und Durchsetzung linker Projekte und Reformvorhaben, die Veränderung der Kräfteverhältnisse und die Einleitung eines Politikwechsels sind der Maßstab für den Erfolg unseres politischen Handelns.“

Und weiter:

„DIE LINKE strebt dann eine Regierungsbeteiligung an, wenn wir damit eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen erreichen können. So lässt sich die politische Kraft der LINKEN und der sozialen Bewegungen stärken und das bei vielen Menschen existierende Gefühl von Ohnmacht und Alternativlosigkeit zurückdrängen. Regierungsbeteiligungen sind konkret unter den jeweiligen Bedingungen zu diskutieren und an diesen politischen Anforderungen zu messen.“

Diese Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung kann natürlich auch die SPD unterschreiben. „Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen“ hat schließlich noch jede/r bürgerliche PolitikerIn versprochen. Gegenüber solchen Allerweltsversprechen kümmert der Klassencharakter einer Regierung erst gar nicht.

Die Parteilinke

Dass eine Regierung, die sich auf das bürgerliche Parlament und den bürgerlichen, bürokratischen Staat stützt, immer - auch ganz ohne jeden Sozialabbau übrigens! - eine Regierung des Kapitals ist und sein muss, von dieser Grunderkenntnis des Marxismus findet sich nicht nur bei der Linkspartei, sondern auch bei der „Sozialistin“ Buchholz keine Spur. Der große Malstrom der Parteilinken, die AKL gibt sich zwar etwas kritischer als Buchholz und mahnt „Nachbesserungen“ beim Text an - eine grundsätzliche Kritik gibt es aber auch da natürlich nicht.

Buchholz, Frontfrau von Marx21 und „Sozialistin von unten“, geht nicht einmal so weit. Vielmehr stimmt sie eine Debatte, die bei solchen bürgerlichen Positionen endet, so „zuversichtlich“, dass sie auch dem „Ergebnis“ zugestimmt hat.

Dass der „neue Entwurf“ keinen Schritt vorwärts brachte, war von einer Linkspartei, die von Beginn an fest auf dem Boden von Kapitalismus und bürgerlicher Demokratie steht, bei nüchterner Betrachtung nicht zu erwarten. Bemerkenswert ist vielmehr, dass es der LINKEN nicht nur an der Regierung an „Haltelinien“ mangelt, sondern auch der Parteilinken, wenn es um die Schönrederei solcher Texte und die weitere Anbiederung an die Parteispitze geht.

Programmverständnis

Lehrreich ist freilich, wie in der Linkspartei „Programmdebatten“ betrieben werden. Der Inhalt ist Nebensache. Hauptsache, es gibt weder Sieger noch Besiegte, nachdem Marxismus und Sozialismus offenkundig längst auf der Strecke geblieben sind. Wenn es um Grundsatzfragen geht, schachern alle Fraktionen der Partei wie auf einem Jahrmarkt. Und sollten sich die „DenkerInnen“ der verschiedenen Strömungen nicht einigen können, so geht der muntere Schacher eben weiter. Die politische Praxis der Partei wird davon ohnedies nicht tangiert. Schließlich ist auch den naiveren Gemütern in der LINKEN bewusst, dass das Programm nicht als Richtschnur eigenen Handelns oder gar als verbindlich missverstanden werden soll.

Daher folgt dem Programmschacher sicher bald der eigentlich wichtige Schacher, der in einer Parlamentspartei die Gemüter allemal mehr erhitzt als „Programmfragen“ - der Postenschacher.

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Nr. 160, Juni 2011
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*  Heile Welt
*  Tarifrunde Druck/Verlage: Generalangriff auf Arbeitszeit und Löhne
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*  Griechenland: Die Krise und die Aufgaben der Arbeiterbewegung
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*  Berlin: Der Streik an der Charité und die SAV
*  Programmdebatte in der Linkspartei: Das übliche Geschacher
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