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Jemen und Bahrain

Wie entwickelt sich die Revolution?

Tobi Hansen, Neue Internationale 159, Mai 2011

Derzeit schauen wir gebannt auf die Entwicklung in Libyen, wo sich die Rebellenmilizen einen ungleichen Kampf mit den Spezialeinheiten Gaddafis liefern. Täglich wechseln die Meldungen aus den Städten Misrata, Berga u.a. über Gewinne und Niederlagen der aufständischen Milizen.

Dabei besteht die Gefahr, sich nicht mehr mit der Situation in anderen Staaten zu befassen - den Staaten, in denen die Revolution weiter fortschreitet. Ebenfalls dürfen wir die Entwicklung in Tunesien und Ägypten nicht aus den Augen verlieren. Dort konnten die Massenbewegungen Mubarak und Ben Ali stürzen - doch nun stellt sich die Frage, wie es weitergeht oder ob die Revolution schon zu Ende ist.

Besonders interessant ist die Entwicklung auf der arabischen Halbinsel. In zwei Staaten, Jemen und Bahrain, kam es zu riesigen Massenbewegungen auf den Straßen. Diese Entwicklung ist deswegen von Bedeutung, weil es auch in Saudi Arabien schon erste kleinere Proteste gab, die dann allerdings sofort verboten und niedergeschlagen wurden - besonders für den US-Imperialismus ist das saudische Königshaus der wichtigste arabische Verbündete in der Region.

Bahrain

In Bahrain leben ca. 750.000 Menschen, inklusive 250.000 MigrantInnen, welche hauptsächlich in der Ölindustrie und im Dienstleistungsbereich tätig sind. Von den 500.000 Bahrainis gehören knapp 70% der Religionsgemeinschaft der Schiiten an und diese werden seit 50 Jahren von einem sunnitischen Königshaus beherrscht.

Für die Schiiten in Bahrain bedeutet dies vor allem politische und soziale Unterdrückung. Sie haben weniger Zugang zu den politischen Entscheidungen und werden vom Staatsdienst ausgeschlossen, insgesamt leben sie als „Bürger 2. Klasse“. Bahrain ist das Dienstleistungszentrum auf der arabischen Halbinsel, eine Drehscheibe des Finanzmarktes in der Region und beliebtes Tourismusziel für die reichen Scheichs aus den Nachbarländern. So sind viele Dinge, die in Saudi Arabien verboten sind, wie z.B. Alkohol, in Bahrain erlaubt.

Vor vielen Wochen hatten sich immer wieder Zehntausende auf dem Perlenplatz in der Hauptstadt Manama versammelt. Zu den Hauptforderungen der Demonstrationen gehörte die Umwandlung der absoluten Monarchie in eine repräsentative Staatsform, eine neue Verfassung und die Zulassung von Parteien, d.h. eine  Einschränkung der absoluten Macht des Monarchen Al Khalifa. Das Königshaus bestimmt, welche Wahllisten zum bedeutungslosen Parlament überhaupt kandidieren dürfen, auch wenn Bahrain das erste Emirat war, in dem auch Frauen politische Ämter ausüben durften.

Bislang sind die Sicherheitskräfte, die zu großen Teilen aus MigrantInnen bestehen (Inder und Pakistani), sehr brutal gegen den Widerstand vorgegangen. Von mehreren Dutzend Toten und vielen Hunderten Verletzten ist die Rede. Seit Anfang März sind zudem noch 1000 saudische Soldaten in Bahrain eingerückt. Dies geschah auf Beschluss des „Golf-Kooperationsrates“, welcher unter Kontrolle der USA steht.

Die USA hat ihre 5. Flotte in Bahrain stationiert, inkl. 5000 Soldaten . Bahrain ist ein strategisch wichtiger Knotenpunkt zur Kontrolle des persischen Golfes. Von dieser Insel aus ist es möglich, die saudischen Ölfelder zu überwachen. Ebenso dient Bahrain den USA als Stützpunkt gegen den Iran.  Es ist daher nicht verwunderlich, dass die USA in Bahrain nicht für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte eintreten, sondern der Gewalt gegen den Widerstand quasi zusehen bzw. sie durch ihr Nichtstun gutheißen.

Jemen

Im Jemen gibt es seit dem 27. Januar Proteste gegen das autoritäre Regime des Präsidenten Saleh, welcher seit über 30 Jahren regiert. Er war seit 1978 Präsident des Nordjemen und hat dieses Amt auch seit der Vereinigung mit dem Südjemen im Jahr 1990 inne (der Nordjemen war westlich und der Südjemen stalinistisch orientiert). Einer der Auslöser der Proteste war das Vorhaben von Saleh, sich das Präsidentenamt auf Lebenszeit zu sichern. Vor allem studentische AktivistInnen wurden ebenfalls durch die Proteste in Tunesien motiviert, sich gegen die Diktatur aufzulehnen.

Fast die Hälfte der ca. 20 Millionen JeminitInnen ist 15 Jahre oder jünger. Doch diese Jugend hat keine soziale Perspektive. Schon immer war der Jemen das Armenhaus der arabischen Welt. Heute gehen verschiedene Schätzungen davon aus, dass 40-60% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben. Besonders auf dem Land sind die Verhältnisse hoffnungslos. Dort leben ca. 80% der armen JeminitInnen und diese müssen zwei Drittel bis drei Viertel ihrer finanziellen Mittel für Nahrungsmittel ausgeben.

Bildung, Gesundheit und das gesamte Sozialsystem liegen am Boden. Stattdessen ist Jemen Verbündeter der USA und Großbritannien im Kampf gegen den „Terrorismus“. Besonders im Nordjemen gibt es einen permanenten Krieg. Dort werden Al-Quaida Zellen gejagt - dafür wird Geld im Jemen ausgeben bzw. werden Finanzmittel vom Imperialismus zur Verfügung gestellt.

Seit Beginn der Proteste verliert Saleh auch innerhalb der alten Elite zunehmend an Rückhalt. So distanzierten sich auch führende Generäle vom Präsidenten. Ein Generalmajor versprach, dass seine Truppen die DemonstrantInnen schützen würden.

Am 18. März gab es bislang den blutigen Höhepunkt des Konflikts. An diesem Tag starben 52 Menschen und ca. 300 wurden verletzt. Insgesamt starben bislang wohl mindestens 90 Menschen bei den Protesten. Die Opposition kann man derzeit am besten als eine „Volksfront“ verschiedener Kräfte beschreiben: aus ehemaligen stalinistischen Gruppierungen (der ehemaligen Staatspartei des Südjemen), islamistischen und arabisch-nationalistischen (letztere nach dem ehemaligen Präsidenten von Ägypten Gamal Abdel Nasser auch als „nasseristisch“ bezeichnet) Kräften, welche jeweils auch eigene bewaffnete Milizen stellen.

Bis zu den nächsten Wahlen im Herbst wird eine Neuaufstellung innerhalb der Jemenitischen Einheitspartei (ehemalige Staatspartei des Nordjemens) erwartet. Immerhin hat der Sohn von Saleh wohl schon auf eine Kandidatur verzichtet. Die USA und Großbritannien werden jedes Regime unterstützen, das ihnen weiterhin das Staatsterritorium zum Kampf überlässt - die imperialistische Kontrolle über das Land droht durch den Aufstand in Frage gestellt zu werden. Die Ankündigung von Diktator Saleh, bis Ende Mai zurückzutreten, mag darauf schließen lassen, dass die alte Elite die Kontrolle wiedererlangen will, indem sie ihren Präsidenten opfert. Ebenso gut kann es aber sein, dass Saleh einfach auf Zeit spielt und hofft, in einem Monat besser dazustehen als heute. Versprechen von ihm gab's schließlich schon genug.

Sollten im Jemen und in Bahrain die Regime kippen, stellt sich unweigerlich die Frage, wie das saudische Königshaus weiter regieren kann - hier steht und fällt die Vorherrschaft der USA in der Region mit einem der wichtigsten weltweiten Stützpfeiler der wackelnden US-Wirtschaft. Schon eine demokratische Bewegung, welche die Forderungen nach Abschaffung der saudischen Monarchie und Gleichstellung ihrer verschiedenen Bevölkerungsgruppen stellt, kann zur größten aktuellen Bedrohung der imperialistischen Demokratie der USA werden.

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Nr. 159, Mai 2011
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*  Politische Lage: Regierung in der Krise
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*  Bremer Landtagswahlen: Wählt DIE LINKE, aber teste sie im Klassenkampf!
*  Lieken: Teilerfolg im Kampf gegen Schließungspläne
*  Erste Tarifverhandlungen in der Druckindustrie
*  Pariser Kommune: Enteignung der Enteigner
*  Revolutionäre Erste Mai-Demos: Aktionseinheit oder fauler Propagandablock?
*  Brasilien unter Dilma
*  Jemen und Bahrain: Wie entwickelt sich der Kampf?
*  Ägypten: Die Revolution muss weitergehen
*  Syrien zwischen Revolution und Konterrevolution