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Altersteilzeit

Streik vorbereiten!

Frederik Haber, Neue Internationale 131, Juli/August 2008

Wir wollen eine Lösung am Verhandlungstisch“ hatte IGM-Bezirksleiter Hofmann zum Auftakt der „Tarifrunde Altersteilzeit“ verkündet. Nicht nur einmal, sondern dreimal sagte er in einer Rede diesen Satz, damit allen auch klar sei, dass er das ernst meint. Nach sieben Treffen wurden die Verhandlungen jetzt abgebrochen. Die Taktik der Bezirksleitung Baden-Württemberg und des IG Metall-Vorstandes ist gescheitert.

Sie hatten sich darauf verlassen, dass die Großbetriebe der Autoindustrie und die exportorientierten Firmen des Maschinenbaus ebenfalls ein Interesse an der Altersteilzeit hätten. Sie hatten auf vage Absichtserklärungen der anderen Seite gesetzt. Diese politische Fehleinschätzung hat die IG Metall jetzt in eine kritische Lage gebracht. Die Große Tarifkommission Baden-Württemberg und der Hauptvorstand der IG Metall appellieren nun an die Arbeitgeberverbände, „ihre Provokationen aufzugeben und unverzüglich an den Verhandlungstisch zurückzukehren“.

Taktik der Bürokratie

Damit es nicht völlig hilflos aussieht, soll jetzt in Baden-Württemberg eine regionale Lösung gesucht werden statt einer bundesweiten. Anschließend soll diese bundesweit übertragen werden. Dazu soll die Bezirksleitung jetzt auch die „erforderlichen Durchsetzungsschritte“ (Vorstand) planen. Die Resolution der Tarifkommission redet sogar von „Urabstimmung und Streik (...) sollte bis zum Beginn der Entgeltrunde kein Ergebnis gefunden werden“. Die Entgeltrunde, also die Tarifrunde um Löhne und Gehälter beginnt offiziell im Oktober mit dem Auslaufen des jetzigen Tarifvertrags.

Warum sollten die Verhandlungen erfolgreicher verlaufen, wenn sie nicht mehr für das ganze Bundesgebiet geführt werden, sondern nur noch für Baden-Württemberg? Der einzige Unterschied bestünde dann wohl darin, dass der Gegenseite signalisiert würde, dass in anderen Bezirken Abstriche gemacht werden dürfen?!

Die IGM-Tariftaktiker setzen also weiter darauf, dass das Interesse bestimmter Betriebe ausgebrannte oder überflüssige Arbeitskräfte reibungslos zu entsorgen, stärker wiegt als die generelle Orientierung des Kapitals. Oder sie verschließen die Augen vor der Realität. Diese aber heißt weiterhin Generalangriff auf alle sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse. Beim Thema Alter bedeutet dieser Generalangriff - und zwar europaweit - immer späteren Renteneintritt, Zerschlagung der öffentlichen Rentensysteme, Abwälzung der Kosten auf die Betroffenen und ihre Familien, Hungerrenten und Altersarmut.

Tatsächlich gibt es solche Sonderinteressen einzelner Unternehmer. Aber darauf die Taktik in einer Tarifrunde aufzubauen, ist einfach nur abenteuerlich. Für das Scheitern dieser Taktik sind nicht die Hunderttausenden verantwortlich, die in den letzten Wochen gestreikt haben, sondern Bürokraten wie Huber und Hofmann.

Die „neue“ Taktik basiert auf der gleichen Fehleinschätzung wie die alte und kann zu noch größerem Schaden führen: Ein erneutes Scheitern der Verhandlungen oder üble Zugeständnisse zulasten der Beschäftigten. Schon jetzt hat die IG Metall als Kompensation 0,4 Prozent aus einer kommenden Tariferhöhung angeboten - betreibt also auf diese Art quasi Lohnraub.

Ein wirklicher Erfolg in der Altersteilzeit ist nur möglich, wenn es gelingt, den Generalangriff des Kapitals zu stoppen. Eine Regelung zu diesem Thema, die den Generalangriff akzeptiert und nur kosmetische Korrekturen anbringt, wie etwa der Tarifvertrag für die Chemie-Industrie ist geradezu schädlich (siehe Tarifinfo der Gewerkschaftslinken Juni 2008 sowie www.labournet.de/branchen/chemie/allg).

Deshalb ist der Ansatz richtig, die Altersteilzeit mit der Entgeltrunde zu verbinden. Dabei muss eine hohe Forderung nicht nur die Bereitschaft signalisieren,

dass die IG Metall gegen Inflation und Preiserhöhungen besonders bei Lebensmitteln und Energie vorgehen will,

dass sie die gesamte gesellschaftliche Umverteilung der letzten Jahre zulasten der Arbeitenden angreifen will,

dass sie keine Verrechnung der Kosten der Altersteilzeit zu Lasten der Tariferhöhung akzeptiert.

Genauso muss die Altersteilzeit damit verbunden werden, die Rente mit 67 anzugreifen. Ein Streik würde damit eine politische Dimension erhalten und umso wirksamer im Widerstand gegen den Generalangriff sein. Nur wenn so die Interessen der gesamten Klasse aufgegriffen werden, kann er zum Ausgangspunkt für die Mobilisierung aller anderen Arbeitenden, der RentnerInnen und Arbeitslosen werden.

Klar ist aber, dass genau diejenigen das nicht tun werden, die heute als Gewerkschaftsführer den Generalangriff mittragen, wie jene der IG Bergbau, Chemie, Energie oder ihn nicht wahrhaben bzw. bekämpfen wollen, wie Huber und Hofmann. Sollte ein Streik im Herbst einigermaßen Erfolg bringen, muss die Basis die Kontrolle über den Kampf, die Forderungen und die Methoden bekommen. Wir brauchen heute schon Basis-Aktionskomitees derjenigen, die den Kampf für Altersteilzeit und kräftige Lohnerhöhungen ernst meinen!

Die Gruppe Arbeitermacht schlägt für die 2008 Tarifrunde folgende Forderungen vor:

Weg mit der Rente mit 67! Hände weg von der Altersteilzeit!

400 Euro mehr für alle, 100 mehr für alle Azubis!

Ein Jahr Laufzeit  - nicht länger!

Keine Kompensationsgeschäfte gegen Arbeitszeitverlängerung und Flexibilisierung!

Bundesweite Kampagne zur 35-Stunden-Woche und zur Vorbereitung des Kampfes für die 30-Stunden-Woche!

Wähl- und Abwählbarkeit von Streikkomitees!

Keine Geheimverhandlungen, keine Aussetzung von Streiks, keine Abschlüsse ohne vorherige Zustimmung der Basis!

Volle Mobilisierung der Kampfkraft, um eine kräftige Lohnerhöhung durchzusetzen, keine Flexistreiks, sondern eine landesweite Streikbewegung!

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Nr. 131, Juli/Aug. 2008
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