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Tarifrunde 2007

Ohne Kampf kein Lohn

Frederik Haber, Neue Internationale 117, Februar 2007

Die anstehende IG Metall-Tarifrunde steht scheinbar unter guten Vorzeichen. Die IG Metall-Spitze wie die Unternehmerseite gehen davon aus, dass es diesmal einen „größeren Schluck aus der Lohnpulle“ geben könnte, als wir in den letzten Jahren gewöhnt waren. Auch die Regierung, die sonst immer auf Mäßigung bei Tarifrunden drängt, gesteht den Beschäftigten diesmal etwas mehr zu. Doch Vorsicht!

Unter den Bedingungen der verschärften globalen Konkurrenz entscheiden die Prozente der Lohnabschlüsse direkt mit über die Stellung der Konzerne im Wettbewerb und um die Stellung des deutschen Imperialismus im Rennen um eine bessere Ausgangsposition. Deshalb ist es eine Illusion zu glauben, die Konzerne würden in Zeiten hoher Profite und hoher Auslastung eher etwas abgeben.

Die relative „Freigiebigkeit“ der ansonsten ja bekanntlich immer knapp vor dem Ruin stehenden Kapitalisten hat ganz andere Gründe. Zum einen läuft die Konjunktur momentan recht gut und die Profite sprudeln - nicht zuletzt durch die geringen Lohnzuwächse oder vielfachen -verluste der KollegInnen in den letzten Jahren.

Auch die permanent sinkenden Unternehmenssteuern erklären die Position des Kapitals. Vor allem geht es ihm darum, angesichts voller Auftragsbücher unbedingt einen intensiveren Streik zu vermeiden. Der Abschluss soll schnell zustande kommen - und möglichst keine Verpflichtungen für das nächste Jahr enthalten. Deshalb plädiert die Kapitalseite auch für eine Einmalzahlung und für ertragsabhängige Komponenten. Gerade letztere sollen die Belegschaften stärker an Wohl - oder eben auch Wehe - Betriebes binden und somit Bewusstsein und Kampffähigkeit untergraben und die ohnedies rasch voranschreitende Spaltung der Klasse vorantreiben.

Dazu kommt, dass die großen - auch in den Unternehmerverbänden und als Tarif“partner“ maßgebliche - Unternehmen wegen deren höheren organischen Zusammensetzung des Kapitals (also relativ geringerer Lohnkostenanteil) leichter zu Lohnerhöhungen in der Lage sind, als kleinere. Zudem erlauben ihnen die export-gestützten Extraprofite besser, einer kleiner werdenden Arbeiteraristokratie Zugeständnisse zu machen.

Forderungen aus den Betrieben

Viele KollegInnen freilich haben da ganz andere Vorstellungen. Sie wissen sehr wohl, dass in der aktuellen Wirtschaftslage viel mehr drin ist als das, was ihnen da besonders kulant zugestanden wird. So forderten z.B. die Vertrauensleute von Daimler Untertürkheim 8% Lohnerhöhung und die von Porsche gar 9,5%.

Die KollegInnen wissen auch, dass - egal wie die Erhöhung ausfällt - ein Großteil davon, wenn nicht gar alles von Inflation und Sozialabbau aufgefressen wird; von der Gefahr, arbeitslos zu werden, ganz abgesehen. Zudem - und das haben etliche betriebliche Aktionen gezeigt - treibt sie die geplante Rente mit 67 um.

Daran wird deutlich, dass diese Tarifrunde objektiv keine reine Lohnrunde sein darf und das subjektiv auch von vielen Beschäftigten so empfunden wird. Der seit Jahren laufende Generalangriff auf Beschäftigte, Arbeitslose, RentnerInnen und Jugendliche geht auf breiter Front weiter. Es wäre geradezu absurd, sich auf ein kleines Scharmützel beschränken zu wollen.

Genau das ist aber die Absicht der IG Metall-Spitze und des Gewerkschaftsapparates. So beeilte sich der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von DaimlerChrysler, Erich Klemm, angesichts der Forderungen seiner BasiskollegInnen auch sofort, öffentlich zu verkünden, dass 6,5% als Forderung reichen würden.

Letztlich gilt das Bemühen der Bürokratie in den Gewerkschaften eben nicht dem Kampf für hohe Löhne und dem Erhalt der sozialen Sicherung, sondern dem Erhalt der Stabilität von Staat und Regierung und der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie - und natürlich dem Erhalt der eigenen privilegierten Mittler-Position zwischen Arbeiterklasse und Kapital. Streiks aber tragen immer die Gefahr in sich, dass der Apparat die Kontrolle darüber verlieren könnte.

Der gestürzte Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende von VW, Volkert, erklärte neulich in einem Interview, er persönlich habe in seiner Funktion viele Streiks verhindert. Er sei stolz darauf, dass es so wenige Streiks bei VW gegeben habe.

Wenn solche höheren Forderungen wie die der VLK bei Daimler oder Porsche von den Tarifkommissionen beschlossen würden, dann würde dass mit Sicherheit zu einem Streik führen.

Die Reaktion des Vorstands war, die Debatten in den Betrieben, die gerade begonnen hatten, so schnell wie möglich zu beenden. Die Fristen zur Forderungsaufstellung wurden um drei Wochen verkürzt, nachdem die Tarifkommission im Bezirk Küste der Meinung gewesen war, die Forderung könnte sich bis zu einer Höhe von 7% bewegen. Die Vorgabe von IGM-Vize Huber, der 4,1 bis 6,5% ausgegeben hatte, war damit angekratzt - genauso die Gewissheit, dass man sich mit dem Kapital schnell würde einigen können.

Schlimm genug, dass die Gewerkschaftsführungen es bisher vermieden haben, politische Massenstreiks bis hin zum Generalstreik gegen die permanenten Attacken von Staat und Kapital zu organisieren. Ihr Argument, dass politische Streiks unzulässig seien, geht ins Leere, denn 1. müsste sie gegen diese Gesetzeslage ankämpfen, anstatt sie als quasi als Schicksal hinzunehmen. 2. gibt es sehr wohl Möglichkeiten, das Verbot zu umgehen und 3. ist diese Frage - wie alle anderen - letztlich vom Kräfteverhältnis im Klassenkampf abhängig und nicht von der Farbe der Paragraphentinte.

So könnte diese Tarifrunde genutzt werden, um ganz legal zu streiken. Eine Forderung etwa von "10% mehr Gehalt" ließe sich so praktisch gut mit dem Anliegen "Weg mit der Erhöhung des Renteneintrittsalters" verbinden.

Die Rentenfrage und alle anderen brennende Fragen, welche die gesamte Klasse betreffen, müssen auch gerade von der Gewerkschaftslinken in die Debatte eingebracht werden! An diesen Punkten müssen die Forderung und das Ergebnis gemessen werden. Aber die Aufgabe geht darüber hinaus.

Wird die Tarifrunde in der Metallindustrie zur Lokomotive für die ganze Arbeiterklasse oder sichert sich die Creme der Arbeiterschaft ein ordentliches Stück vom Kuchen, der bezahlt wird aus den Exporten, der Ausbeutung der „Dritten Welt“ und der Ausgliederung und Prekarisierung von ganzen Teilen der Arbeiterschaft?

Angesichts dessen, dass die Spannung nicht nur zwischen Kapital und Arbeit immer weiter auseinander geht, sondern auch die Spaltung innerhalb der Arbeiterklasse zunimmt, müssen hier neue Perspektiven aufgezeigt werden. In der Berliner IG Metall wird diskutiert, dass die Tariferhöhung auch für alle Leiharbeiter im jeweiligen Unternehmen gelten muss. Warum nicht auch für die Ausgegliederten und in Subunternehmen Beschäftigten? Das würde die Kampfkraft erhöhen und wäre eine wirksame Waffe gegen die Erpressung mit Ausgliederung!

Solche Perspektiven müssen nicht nur in die Tarifrunde eingebracht werden, sondern auch auf dem Gewerkschaftstag! Denn dort wollen die Leute um Huber die Weichen in die andere Richtung stellen. Sie wollen zukünftig eine ertragsabhängige Komponente, um der „gespaltenen“ Wirtschaft Rechnung zu tragen.

Es ist eine Tatsache, dass die großen Unternehmen im verschärften Kampf um die Profite den kleineren immer stärker an die Gurgel gehen. Dafür sollen dann die Belegschaften zahlen. Auch das Pforzheimer Abkommen, dass eine großzügige Ausweitung der 40-Stunden-Woche für viele Einzelfälle ermöglicht, wurde gezielt nicht in diesem Jahr gekündigt. Der Gewerkschaftstag soll eine noch größere Flexibilisierung der Tarifverträge erlauben.

Um aus diesem Teufelskreis von Verschlechterungen, Kürzungen, Spaltungen der Klasse usw. herauszukommen, bietet die Tarifrunde eine gute Chance. Doch entscheidend wird sein, ob es gelingt, die AktivistInnen vor, während und nach der Tarifrunde zusammen zu bringen, sie zu vernetzen. In Versammlungen der gewerkschaftlichen und betrieblichen Basis müssen alle Forderungen, Aktionen und deren Ergebnisse diskutiert und bilanziert werden. Wenn möglich, sollten direkt kontrollierbare Kampfführungen gewählt werden, die der Basis verantwortlich sind und wenn nötig auch gegen die Maßnahmen der Bürokratie agieren können.

In der Tarifbewegung muss auch für ihre Kontrolle durch die gewerkschaftliche Basis gekämpft werden. Keine Abschlüsse, keine Geheimverhandlungen, keine „Aussetzung“ oder Beendigung von Streiks ohne vorherige Diskussion und Beschlussfassung unter Basis!

Um die für die Beschäftigten (und dadurch indirekt auch für die Arbeitslosen) ruinöse „Besänftigungsstrategie“ der IGM-Spitze zu durchbrechen, kommt es vor allem darauf an:

Aufstellung hoher Lohnforderungen etwa wie die der Vertrauensleute von Porsche;

Keine Einmalzahlung, keine ertragsabhängigen Komponenten, sondern Lohnerhöhung durch Aufschlag einer Festgeldsumme;

Lohnforderungen auch für marginalisierte Beschäftigte (Zeitarbeiter, Ausgegliederte usw.), um sei besser in den Kampf einzubinden;

Verbindung der Tarifrunde mit politischen Zielen (Kampf gegen Hartz-Gesetze, Rentenerhöhung, Privatisierungen usw.).

Kontrolle der Tarifbewegung durch die gewerkschaftliche Basis. Keine Abschlüsse, keine Geheimverhandlungen, keine „Aussetzung“ oder Beendigung von Streiks ohne vorherige Diskussion und Beschlussfassung unter Basis.

Das Ergebnis eines Kampfes darf nicht allein an den erreichten Lohn-Prozenten oder diesem oder jenem Zugeständnis des Klassengegners in der Rentenfrage gemessen werden. Der eigentliche und langfristig entscheidende Erfolg liegt darin, im Zuge des Kampfes jene Instrumente aufzubauen und zu verbessern, die für die nächsten Kämpf nötig sind: eine klassenkämpferische Basisbewegung in Betrieb und Gewerkschaft, mit Arbeitslosen, der Jugend, MigrantInnen und Frauen sowie eine neue klassenkämpferische, revolutionäre Arbeiterpartei!

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Nr. 117, Februar 2007
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