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Arbeitslosigkeit

Mit Hartz IV auf die Straße

Theo Tiger, Neue Internationale 117. Februar 2007

Das neue Jahr beginnt für Arbeitslose mit neuen Verschärfungen. Viele eifrige „Arbeits- und Sozialpolitiker“ waren bislang unzufrieden mit der Bestrafung „arbeitsunwilliger Hartz IV-Empfänger“.

In den letzten Monaten rollte erneut eine mediale Hetzkampagne gegen Arbeitslose. Beliebte Sündenböcke waren die „schwarz“ arbeitenden Hartz IV-Empfänger - unter 4000 Euro hatte da keiner. Sie galten als Beispiel für viele „Sozialschmarotzer“. Auch Kurt Beck, Chef einer Partei, die sich „sozialdemokratisch“ nennt,  trat in Aktion. Mit seiner Aussage, die „Arbeitslosen sollten sich richtig waschen und rasieren, dann hätten sie bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“ sorgte er für Schlagzeilen.

Die Arbeitslosen (neben Kranken und RentnerInnen) wurden zum Medien-Thema - die aktuelle neoliberale Verschärfung der Hartz IV-Gesetze wurde in der Berichterstattung gleichzeitig fast „vergessen“.

Ab dem 1. Januar haben Arbeitslose kein Recht mehr auf Wohnung und Unterkunft, wenn sie  zwei, innerhalb eines Halbjahres vorgelegten Zwangsarbeitsdienste (zumeist 1 Euro-Jobs), ablehnen. Dann werden den Arbeitslosen die Mittel für Miete und Heizung gestrichen.

Bislang konnte nur der Grundbetrag, die berühmten 345 Euro, komplett gestrichen werden. Der Arbeitslose bekam dann Lebensmittelgutscheine und die Miete wurde direkt an den Vermieter überwiesen. Jetzt schicken die Arbeitsagentur und ihre kommunalen Partner die Menschen auf die Straße, schon leichte Vergehen wie das Verpassen eines Termins können die Bestrafungsprozedur Richtung Obdachlosigkeit einleiten.

Der bürgerliche Staat und seine Institutionen zeigen hier wieder einmal deutlich, was unter „Sozialstaat“ im Kapitalismus zu verstehen ist. Wenn der ökonomisch und sozial ausgeschlossene Mensch nicht mehr verwertbar ist, verliert er seine Existenzgrundlagen. Müntefering brachte dies 2006 auf den Punkt: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“.

Auch die nächste Kürzung der Bezüge für Langzeitarbeitslose (ab einem Jahr) liegt schon beschlossen in den Schubladen des Sachverständigenrates; die allgemeine Kürzung des Grundbetrages von 345 auf 230 Euro soll die Arbeitslosen noch stärker zur Aufnahme niedrig bezahlter Arbeit zwingen.

Diese neuen Verschärfungen erhöhen auch den Druck auf die Sachbearbeiter, in manchen Ämtern soll es schon „Abschussquoten“ geben, an die sich die Angestellten zu halten hätten. Trotz alledem rühmt sich die Regierung noch dafür, dass die  Arbeitslosenzahlen 2006 niedriger als 2005 ausfallen. Tatsächlich ist dieser „Erfolg“ jedoch in hohem Maße auf Korrekturen der Arbeitslosenstatistik zurückzuführen. So werden z.B. viele Arbeitlose, die krank gemeldet sind, für diese Zeit nicht als Arbeitslose gezählt. Ganz zu schweigen davon, dass die Mehrzahl neuer Jobs Billigarbeitsplätze sind, wodurch der Anteil dieser Jobs an der Gesamtzahl kontinuierlich steigt. Kein Wunder, dass der Slogan „Arm trotz Arbeit“ für immer mehr Menschen zutrifft.

Welche Antworten?

Wir, die Arbeitslosen, prekär Beschäftigten und Niedriglohnarbeiter müssen eine eigene politische Antwort geben. Wir können nicht dem leeren Geschwätz der bürgerlichen Parteien von sozialer Gerechtigkeit und einem „modernen Sozialstaat“ vertrauen. Nur unseren eigenen Möglichkeiten des Widerstandes und des Protestes können wir vertrauen.

Im Jahr 2004 zogen bei den Montagsdemos Zehntausende, ja Hunderttausende gegen Hartz IV durch die Städte. Auch viele ArbeiterInnen und Angestellte nahmen an den Protesten teil. Aber die Gewerkschaftsbürokraten und die Spitzen der PDS samt ihren Verbündeten in den sozialen Bewegungen sabotierten den Kampf offen oder ließen ihn ins Leere laufen. Eine Koordinierung der Montagsdemos mit Streiks in den Betrieben kam nicht zustande.

Ein solches Kampf-Bündnis zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten muss unser Ziel sein. Dieses Bündnis hätte dann auch die Möglichkeit, Proteste mit betrieblichen Aktionen und Streiks zu verbinden, um genügend ökonomischen Druck zu erzeugen, um Staat und Kapital zu Zugeständnissen und zur Rücknahme der Hartz-Gesetze zu zwingen.

Wir dürfen nicht auf illusionäre Ideologien hereinfallen wie z.B. auf das vom „bedingungslosen Grundeinkommen“ (she. dazu Artikel in NI 115), vom „Bürgergeld“ oder vom „Kombi-Lohn“ ganz zu schwiegen.

Anstatt auf solche Vorschläge zu setzen, sollten wir Arbeitslose uns auf den gemeinsamen Kampf mit der Arbeiterklasse orientieren. Der Kampf um höhere Löhne, einen ausreichenden Mindestlohn und höhere Bezüge für Arbeitslose sind nur zwei Seiten derselben Medaille. Wir brauchen einen Arbeitsmarkt, auf dem keiner unter 1.000 Euro netto verdient und Mindestlöhne von 10 Euro netto gelten.

Zugleich müssen wir auf dieser Grundlage für die (freiwillige) Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsprozess - und damit in die Arbeiterklasse - kämpfen. Das bedeutet auch, damit u.a. folgende Forderungen zu verbinden:

Kürzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden/Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Aufteilung der Arbeit auf Alle!

Verbot von Überstunden!

Arbeitslosengeld in der Mindesthöhe von 1000 Euro ohne Schikanen!

Unternehmen, die entlassen wollen oder schließen, müssen verstaatlicht werden - unter Kontrolle der Beschäftigten!

Für öffentliche Beschäftigungsprogramme - zu tariflichen Bedingungen und unter Kontrolle der Arbeiterbewegung und der Betroffenen!

Eine solche Stoßrichtung weist einen Ausweg aus der ruinösen Konkurrenz zwischen Beschäftigen und Arbeitslosen. Nur so können die sozialen Übel der Arbeitslosigkeit und der Verarmung der Arbeiterklasse bekämpft werden.

Diese Ziele kann nur eine breite klassenkämpferische Bewegung aus ArbeiterInnen, Arbeitslosen, SchülerInnen und StudentInnen, aus Armen und RentnerInnen erreichen. Dafür muss die Arbeiterklasse ihrer Gewerkschaften der Kontrolle der mit dem kapitalistischen System verwobenen Bürokratie entreißen; dafür muss eine neue, revolutionäre Arbeiterpartei aufgebaut werden!

Mit diesen Instrumenten kann dann letztlich auch die eigentliche Ursache der Arbeitslosigkeit - das kapitalistische Wirtschaftssystem - überwunden werden!

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Nr. 117, Februar 2007
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