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1000 Tage Stellenpool Berlin

Öffentliche Leiharbeit

Brigitte Falke, Neue Internationale 115, November 2006

In Berlin wurde der massivste Stellenabbau, den es wohl bundesweit im Öffentlichen Dienst gibt, dazu genutzt, um ein neues Instrument in das Personalmanagement der öffentlichen Hand einzuführen: den „Stellenpool.“

Vorgeblich sollte dadurch Personalabbau verhindert werden und KollegInnen von gekürzten Stellen auf „tatsächlich gebrauchte“ öffentliche Arbeiten zu vermitteln. Schon bei Einführung sagten wir voraus, dass es sich dabei aber vielmehr um ein Pilotprojekt für Vermittlung von öffentlich beschäftigten Leihkräften handelt.

Was ist der Stellenpool?

Der Stellenpool wurde durch das „Stellenpoolgesetz“ am 1.1.2004 als eine Behörde des Landes Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Finanzen, eingerichtet. Zentrale Aufgabe des Stellenpools gemäß Gesetz ist es, Mitarbeiter des Landes Berlin (Senatsverwaltungen und Bezirksämter), die infolge von Streichungen finanzierter Aufgabengebiete in den Überhang (d.h. ohne feste Planstelle) gekommen sind, zentral zu erfassen und auf frei werdende Planstellen zu vermitteln.

Angeblich sollte so ein flexibleres Personalmanagement erreicht werden. Scheidet ein Mitarbeiter, der auf einem finanzierten Aufgabengebiet sitzt, altersbedingt (Rentner) aus, so soll diese frei werdende Stelle wieder durch einen dem Überhang zugeordneten Mitarbeiter besetzt werden. So würden betriebsbedingte Kündigungen vermieden.

Bis zum 31.12.09 besteht aufgrund der bekannten besonderen tarifvertraglichen Situation in Berlin dieser Kündigungsschutz für Arbeiter und Angestellte noch. Da Beamten aufgrund ihres Status nicht gekündigt werden kann, werden diese in der Praxis bei neu zu besetzenden finanzierten Stellen bevorzugt - wodurch ein großer Teil der Beschäftigten leer ausgeht.

Wie funktioniert der Stellenpool?

Alle Mitarbeiter, auch die im Überhang befindlichen, bekommen ihre Vergütung weiterhin. Haushaltsrechtlich sind die finanzierten Aufgabengebiete jeweils den Senatsverwaltungen bzw. Bezirken zugeordnet. Die Aufgaben, die nicht mehr finanziert werden können, erhalten den Vermerk „k.w.“ (kann wegfallen). Da das Personal aber noch da ist und weiterhin für das Land Berlin arbeitet, muss es anderweitig finanziert werden. Bis zur Einrichtung des Stellenpools wurde es aus den zeitweilig frei gewordenen Mitteln (die z.B. durch über 6-wöchige Krankheit eines Mitarbeiters durch die Krankenkasse getragen werden) bezahlt. Dies ist die „normale“ Handhabung im Öffentlichen Dienst.

Da das Land Berlin zur Einsparung von Ausgaben immer mehr finanzierte Aufgabengebiete streicht oder privatisiert, bleiben für die inzwischen über 5.000 MitarbeiterInnen im Stellenpool kaum noch finanzierte Aufgabengebiete übrig, in die sie tatsächlich versetzt werden könnten. Im Gegenteil: so wurde durch die Privatisierung der meisten Kitas Personal freigesetzt, das durch den Kündigungsschutz in den Stellenpool versetzt wurde.

Da wird dann die Verleihung in die Privatwirtschaft interessant. So ist z.B. infolge der Privatisierung des Bereiches „Logistik der Durchführung von Kulturveranstaltungen und Planungen“ durch Personalgestellung vorgesehen, die Mitarbeiter wieder in ihrem alten Aufgabengebiet arbeiten zu lassen.

Dies geschieht durch eine Art Mitarbeiterüberlassung durch Vertrag des Landes Berlin mit dem Privatunternehmer. Die Kollegen sind damit einverstanden, weil sie glauben, ihre bisherige Arbeit solange weitermachen zu dürfen, bis sie wieder auf eine feste Planstelle versetzt werden. Jede Privatfirma hat die Möglichkeit, von ihrer unternehmerischen Freiheit Gebrauch zu machen. Werden Mitarbeiter in Berlin nicht gebraucht, so kann auch ein anderer Einsatzort mit einer anderen Aufgabe in Betracht kommen.

Er kann damit privatrechtlich gekündigt werden. Damit ist dann endgültig jeglicher Kündigungsschutz dahin. So kann die Privatwirtschaft die billigeren öffentlich Beschäftigten nutzen, ohne den „Nachteil“ der Arbeitsplatzsicherheit (mit der ja die niedrigeren öffentlichen Tarife oft gerechtfertigt werden) in Kauf nehmen zu müssen.

Was tun?

Der Berliner Stellenpool ist ein Pilotprojekt zur geräuschlosen Abwicklung im öffentlichen Dienst. Speziell das Instrument der Personalgestellung macht den Staat zusätzlich zur Leiharbeitsbude. Dass ver.di nunmehr „erkannt“ hat, dass die vorgebliche Funktion des Stellenpools nicht erfüllt wird, könnte nun  eigentlich nur heißen, dass die Gewerkschaft für das schnellstmögliche Ende dieses Pilotprojekts kämpft!

Doch wie sieht die Realität aus? Die Gewerkschaftsführung betont zwar bisweilen, dass es genug Arbeit gebe und eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich nötig wäre - doch praktisch unternimmt sie dafür nichts.

In der Belegschaft, unter den Betroffenen, in den gewerkschaftlichen Gremien müssen diese Fragen diskutiert werden. Die ver.di-Führung und der Senat müssen aufgefordert werden, die Stellenpool-Regelung zurückzunehmen! Damit müssen Forderungen nach Aufteilung der Arbeit auf Alle mit vollem Lohn- und Personalausgleich verbunden sowie ein Programm öffentlich nützlicher Arbeit unter Kontrolle der Beschäftigten eingefordert werden!

Damit diese und andere Forderungen auch durchgesetzt werden können, bedarf es aber einer kämpferischen Basisbewegung. Die Isolierung der Stellenpool-Beschäftigten, ihre gewerkschaftliche Trennung von den KollegInnen in ihren befristeten Arbeitseinsätzen muss beendet werden!

Und wenn die ver.di-Führung dies - was zu erwarten ist - nicht macht, dann müssen die BasisaktivistInnen selbst solche Verbindungen aufbauen!

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Nr. 115, November 2006

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