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Aufgaben der Anti-Kriegsbewegung

Verteidigt den Irak!

Martin Suchanek, Neue Internationale 77, Februar 2003

Der Irak-Krieg steht ummittelbar bevor. Mit Kriegsbeginn ändern sich auch die Hauptaufgaben der Anti-Kriegsbewegung.

Es geht dann nicht mehr darum, die vom US-Imperialismus angeführte militärische Aggression zu verhindern. Losungen wie "Nein zum Krieg" reichen dann nicht mehr. Es ist notwendig klarzustellen, auf welcher Seite RevolutionärInnen stehen, ob und für welche Seite die Arbeiterbewegung Partei ergreifen soll.

Dazu muss der Klassencharakter des Kriegs verstanden werden. Ansonsten wird die Bewegung letztlich ihr Ziel verfehlen, ja ins Fahrwasser einer Fraktion der herrschenden Klasse geraten.

Gewalt

In der Antikriegsbewegung wird oft die These vertreten, dass "Kriege kein Mittel der Politik" sein dürfen, dass sie als Mittel zur Konfliktlösung "prinzipiell" abgelehnt werden müssten.

Kriege sind aber Mittel zur Verfolgung von Klasseninteressen, es sind Mittel der Politik und natürlich auch zur Lösung von Konflikten. Diese Tatsache lässt sich durch moralische Formeln und Wünsche nicht aus der Welt schaffen.

Stillschweigend erkennt das auch ein Großteil der Anti-Kriegsbewegung, ja der bürgerlichen Öffentlichkeit an. Fast jedem ist klar, dass hinter dem Krieg gegen den Irak das Großkapital, insbesondere die Ölmultis stehen, dass Einflusssphären abgesichert und neu geordnet werden sollen.

Unter kapitalistischen Verhältnissen sind Krise wie Kriege notwendige Erscheinungen, keine "Auswüchse" des Systems, die bei "besserer" Politik der Herrschenden vermieden werden könnten. Eine Gesellschaftsformation, die durch unversöhnliche Klassengegensätze geprägt ist, kann ohne staatliche Gewaltmittel zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Inneren wie im Äußeren nicht auskommen.

Einen "prinzipiellen" Gewaltverzicht von den Kapitalisten zu fordern bei Beibehaltung ihrer Klassenherrschaft, die immer wieder zur Anwendung militärischer und polizeilicher Gewalt führen muss, ist genauso illusorisch, wie eine Marktwirtschaft ohne Ausbeutung zu fordern.

Solche Ideologien schüren nicht nur Illusionen über die herrschende Klasse und den Charakter der Gesellschaft. Sie entwaffnen die Unterdrückten - theoretisch, programmatisch, praktisch.

Im Normalfall bedeutet Befriedung der Gesellschaft im Inneren "friedliche", also im Rahmen der bürgerlichen Legalität verbleibende Austragung von Interessenskämpfen. Abgesichert ist das immer durch das staatliche Gewaltmonopol. Entwaffnet ist die Gesellschaft, genauer die Arbeiterklasse - die polizeilichen und militärischen Mittel liegen in den Händen der herrschenden Klasse und sind im bürgerlichen Staatsapparat konzentriert.

Jeder Klassenkampf, der ernsthaft an diesen Machtverhältnissen rüttelt, steht vor der Aufgabe, dieses Monopol zu brechen, Organe der bewaffneten proletarischen Doppelmacht zu schaffen und schließlich den bürgerlichen Staatsapparat in der Revolution zu zerschlagen. Aufstand und Bürgerkrieg sind notwendige Instrumente, "Fortsetzung der Politik" des Proletariats mit anderen Mitteln.

Darauf zu verzichten, der revolutionären Gewalt der Unterdrückten "prinzipiell" abzuschwören, heißt nur, die Verewigung der herrschenden Verhältnisse, die Verewigung der Herrschaft der imperialistischen Bourgeoisie billigend ihn Kauf zu nehmen.

Krieg

Die Haltung von MarxistInnen zu Gewalt und Krieg hat also mit Pazifismus nichts zu tun. Dieser ist eine reaktionäre kleinbürgerliche Ideologie, der seinen anti-revolutionären Charakter gerade dann zeigt, wenn es um die Unterstützung fortschrittlicher Erhebungen und Kriege oder die bewaffnete Verteidigung gegen die Konterrevolution geht.

Als RevolutionärInnen erkennen wir an, dass Gewalt und Krieg in der Geschichte eine fortschrittliche oder eine reaktionäre Rolle spielen können - abhängig davon, von welchen Klassen sie ausgeübt oder gegen welche sie angewandt werden, kurzum: welchem Interesse die Gewalt dient.

Was bedeutet das aktuell? Wir haben es mit einem Krieg zwischen höchst verschiedenen Staaten zu tun. Auf der einen Seite die USA als größte und stärkste imperialistische Macht und ihre Verbündeten, auf der anderen Seite der Irak, eine halb-koloniale, d.h. politisch-formell unabhängige, ökonomisch jedoch als untergeordnete Macht in das imperialistische Weltgefüge einpasste Größe.

Irak

Natürlich herrscht auch im Irak die kapitalistische Produktionsweise, natürlich bestimmt auch im Irak die bürgerliche Klasse den Staatsapparat, ist der Staat Instrument diese Klasse. Aber die irakische Bourgeoisie selbst ist - anders als z.B. die deutsche oder die US-amerikanische - nur bedingt "souverän".

Die eigentlich den Irak (wie andere Halb-Kolonien) beherrschende Klasse ist das Monopol- oder Finanzkapital der imperialistischen Länder, der entwickeltsten kapitalistischen Mächte.

Dieser Anspruch des Großkapitals dieser Länder wird gar nicht geleugnet. Er findet sich ganz offen wieder in der politischen Doktrin der Großmächte. Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, deklariert jede US-Regierung, jede Fraktion der dortigen herrschenden Klasse samt aller Journalisten usw. den Zugang zu billigem Öl und Kontrolle über den Nahen Osten als "nationales Interesse"!

Ähnliches findet sich auch in den "verteidigungspolitischen Richtlinien" der BRD. Auch dort wird die Sicherung des freien Waren- und Kapitalverkehrs, von Handel und Investitionen, also der Profitmacherei deutscher Konzerne zur Richtschnur der "Verteidigungspolitik".

Gegen wen richtet sich aber diese "Verteidigungspolitik"? Natürlich in erster Linie gegen die Massen der Länder der "Dritten Welt" und gegen die "eigene" Arbeiterklasse und deren Klassenkämpfe. Gelegentlich muss auch ein unbotmäßiges Regime zur Räson gebracht und beseitigt werden.

Ein Schlag gegen den Irak, ein US-Sieg wäre vor allem ein Schlag gegen die arabischen, kurdischen, iranischen, türkischen, palästinensischen Massen. Er würde vor allem ihre Unterdrückung festigen, er würde die proletarischen und progressiven kleinbürgerlich-demokratischen oppositionellen Bewegungen in diesen Ländern schwächen. Er würde in Israel die rechtesten zionistischen Kräfte stärken und die Massenvertreibung von Millionen Palästinensern würde drohen.

Zweifellos war und ist Saddam Hussein kein Anti-Imperialist, sondern nur ein unliebsam gewordener Ex-Büttel der USA.

Dadurch wird jedoch der Charakter des Krieges zwischen dem Imperialismus und dem Irak nicht bestimmt. Es geht nicht um einen Krieg zwischen "Demokratie" und "Diktatur".

Der Kampf eines halb-kolonialen Landes gegen die imperialistische Beherrschung oder die Festigung dieser Herrschaft ist ganz unabhängig vom dort installierten Regime ein unterstützenswerter, fortschrittlicher Kampf. Jeder Krieg einer imperialistisch geführten Koalition ist deshalb reaktionär. Wir treten daher nicht einfach für "Frieden", sondern für die Niederlage des Imperialismus und den Sieg der Halb-Kolonie ein!

Es ist auch zweitrangig, wer "angefangen" hat. Der fortschrittliche Charakter des Krieges einer Halb-Kolonie gegen ein imperialistisches Land bzw. Koalition ergibt sich daraus, dass in diesen Ländern ein Teil des Programms der bürgerlichen Revolution - die nationale Unabhängigkeit - nicht realisiert wurde oder werden konnte, dass die Entwicklung dieses Landes durch die Einbindung in die imperialistische Weltordnung determiniert ist und daher die Entwicklung der Produktivkräfte nur in höchst einseitiger, "unausgewogener" Form stattfinden kann.

In der imperialistischen Epoche können die später in den kapitalistischen Weltmarkt gezogenen Länder nicht mehr die Entwicklung der fortgeschrittensten Länder "nachholen".

Ihre ökonomische Entwicklung bleibt von den großen Monopolkapitalen der imperialistischen Länder bestimmt - und die imperialistischen Staaten und ihre politischen, ökonomischen und militärischen Institutionen dienen der Absicherung dieses Verhältnisses.

Für die Niederlage des Imperialismus!

Wir treten dafür ein, dass die USA und ihre Verbündeten militärisch geschlagen oder, was wahrscheinlicher ist, aufgrund des Widerstandes einer internationalen Massenbewegung und des Verteidigungskampfes im Irak zum Rückzug gezwungen werden.

Dazu muss die irakische Arbeiterklasse, dazu würden RevolutionärInnen im Irak mit allen Kräften zusammenarbeiten, die sich dem Angriff des Imperialismus entgegenstellen. Das schließt auch das irakische Regime, die Armee, die republikanischen Garden ein.

Das heißt auch, dass wir dafür eintreten, dass der Krieg des Irak gegen den Imperialismus materiell unterstützt wird - sei es durch Bruch der UN-Embargos, durch medizinische, finanzielle, waffentechnische oder personelle Unterstützung freiwilliger anti-imperialistischer KämpferInnen.

Aber, so fragen sich natürlich viele Leute, bedeutet das nicht "Unterstützung Saddams"? Keineswegs! Die irakische Arbeiterbewegung, die Bauernschaft, das Kleinbürgertum und ihre internationalen UnterstützerInnen verteidigen den Irak gegen den imperialistischen Angriff. Eine prinzipielle Ablehnung der Zusammenarbeit mit der Armee, der Arbeit in der irakischen Armee, der gemeinsamen Verteidigung des Landes würde einen Verrat am Kampf gegen den Imperialismus bedeuten.

Eine solche Weigerung würde aber auch den Kampf gegen das reaktionäre Saddam-Regime schwächen. Warum? Weil es der irakischen Bourgeoisie die Führung eines fortschrittlichen Kampfes einfach überlassen würde. Es würde bedeuten, dass der Nationalismus und der islamische Fundamentalismus unter den arabischen Massen gestärkt würde - weil er sich demagogisch und durchaus zu unrecht als Kämpfer gegen nationale Unterdrückung, halb-koloniale Ausplünderung und Fremdbestimmung präsentieren könnte.

Gerade weil Saddam kein Anti-Imperialist ist, würde ihn ein gemeinsamer Kampf mit den fortschrittlichen Arbeitern, das Wirken von RevolutionärInnen in der Armee, in der Bevölkerung schwächen. Eine solche Politik müsste sich um folgende Losungen entwickeln:

Konsequenter Kampf gegen den Imperialismus!
Bewaffnung und Ausbildung der gesamten Bevölkerung zum Verteidigungskampf!
Kontrolle der Bevölkerung über die Verteilung der knappen Güter!
Volle politische Freiheiten für die Arbeiterbewegung, für alle Organisationen der ArbeiterInnen, Bauern und SoldatInnen, die das Land verteidigen wollen!
Volle politische Freiheit für die Organisationen der unterdrückten Nationen und Minderheiten, der Kurden und Schiiten! Es sei denn, sie wirken als direkte, gekaufte Agenten des Imperialismus.

Solche Forderungen orientieren sich an folgenden Zielen: bestmögliche Verteidigung des Landes; Stärkung der unabhängigen Organisierung der ArbeiterInnen, der Bauern und Soldaten; Vorbereitung des Sturzes des Saddam-Regimes und der irakischen Bourgeoisie und Ersetzung durch eine revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung.

Internationale Solidarität

Der Verzicht auf die Verteidigung des Irak wäre auch deshalb ein politisches Verbrechen, weil die arabischen Nationalisten und viele Islamisten angesichts des US-Angriffes vor dem Imperialismus kapitulieren (werden). Die arabischen Nationalisten hoffen, dass sie sich im UN-Sicherheitsrat hinter Deutschland oder Frankreich bzw. China oder Russland verstecken können.

Die türkischen Islamisten schwanken, wie sie ihre Luftwaffenbasen und Militärstützpunkte den USA und der NATO zur Verfügung stellen können, ohne dass es die Bevölkerung merkt. Die irakischen Islamisten des schiitischen "Rats der islamischen Revolution" stehen mittlerweile auf der Gehaltsliste des CIA.

Auch die Haltung der Arbeiterbewegung in den imperialistischen Ländern spielt eine große Rolle. Um den Rückhalt der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräfte zu brechen, ist eine unzweideutige anti-imperialistische Politik der ArbeiterInnen, der Jugend, der anti-kapitalistischen Bewegung in den imperialistischen Ländern von großer Bedeutung.

Der ganze "humanistische" imperialistische Schwindel von UNO, deutscher und französischer Regierung kann klar werden, wenn die Arbeiterbewegung nicht nur für "Frieden" - d.h. real für eine andere imperiale Ordnung - eintritt, sondern gegen den Krieg und gegen das kapitalistische System insgesamt kämpft.

Eine klare Haltung für Solidarität mit der irakischen Bevölkerung, für die Niederlage der Imperialisten, für die sofortige Aufhebung des Embargos usw. zeigt den Massen in der halb-kolonialen Welt, welche Klasse ihr Verbündeter, ihr Unterstützer ist: die internationalistische Arbeiterschaft.

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Nr. 77, Februar 2003

*  Krieg den Kriegstreibern! Nieder mit dem Imperialismus!
*  Aufgaben der Anti-Kriegsbewegung: Verteidigt den Irak!
*  Friedensengel? Fünf Fragen zur UNO
*  Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit: Allheilmittel Grundeinkommen?
*  Tarifrunde im Öffentlichen Dienst: Wenig mehr als Nichts
*  Frauen in Afghanistan: Frieden ohne Freiheit
*  Venezuela: Ein reaktionärer Generalstreik
*  Resolution: Sozialforen und Neue Internationale
*  Antikapitalismus: Braucht die Bewegung eine Partei?
*  kanalB: Nie wieder herkömmliches Fernsehen