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Antikapitalismus

Braucht die Bewegung eine Partei?

Susanne Kühn, Neue Internationale 77, Februar 2003

"Parteien und die Bewegung" war eines der am stärksten besuchten Veranstaltungen beim Europäischen Sozialforum in Florenz. 5000 folgten der Debatte, an der VertreterInnen verschiedener Strömungen der Anti-Globalisierungsbewegung teilnahmen.

Fausto Bertinotti, Vorsitzender von Rifundacione Communista, lobte die anti-kapitalistische Bewegung für ihren Aktivismus. Der Reformismus wäre auf der ganzen Linie gescheitert, führte er aus, er hätte das aktive politische Engagement von Millionen ArbeiterInnen erstickt. Diese rhetorische Selbstkritik zeigt, dass sich der Linksreformist Bertinotti genötigt sah, sich möglichst radikal zu geben. Seine Schlussfolgerung bestand dann aber auch darin, dass er die Hegemonie irgendeiner Partei in der Bewegung ablehne.

Hetze

Bernard Cassen von attac, seines Zeichens kleinbürgerlicher Intellektueller und Reformer ohne organische Bindung zur Arbeiterbewegung, nahm diesen Ball dankend auf. Er vertrat die These, dass es für die Bewegung überlebenswichtig sei, "keine Partei oder Werkzeug einer oder mehrerer Parteien zu sein."

Während Bertinotti für eine "freiwillige Selbstbeschränkung" der Parteien in der Bewegung eintrat, sprach sich Cassen für ein Verbot der offenen Beteiligung von Parteien aus. Nur Organisationen der "bürgerlichen Gesellschaft" oder "Zivilgesellschaft" sollten am Europäischen Sozialforum teilnehmen.

Kein Wunder, dass er Florenz "mit Sorge betrachtete", prägten doch politische Organisationen wie Rifundacione Communista, aber auch größere zentristische Gruppierungen wie die IST und das Vereinigte Sekretariat der Vierten Internationale das Erscheinungsbild des Forums.

Natürlich will niemand eine "führende Rolle der Partei" nach stalinistischem Vorbild. In Wirklichkeit kann diese bürokratische Form aber nur durch offene Debatte, durch zielgerichtete Aktion verhindert werden. Welche politische oder "zivilgesellschaftliche" Kraft eine führende, vorwärts treibende Rolle wirklich beanspruchen kann, muss sich so in der Diskussion und in der Aktion erweisen.

Das Verbot von Parteien bedeutet nur, dass diese Diskussion nicht offen geführt werden kann und soll. Es bedeutet keinesfalls, dass dadurch ihr Einfluss bzw. der Einfluss bestimmter Parteiideologien verschwindet. Im Gegenteil: es stärkt den Einfluss der rechteren, reformistischen Kräfte - ganz ähnlich wie die vorgebliche politische "Neutralität" der deutschen Gewerkschaften nur ein Deckmantel für ihre reale sozialdemokratische Dominanz ist.

Für Cassen (und seine Freunde im französischen Reformismus von KP und SP) aber auch für einen Bertinotti oder die brasilianische Arbeiterpartei (PT) ist es oft sogar ein Vorteil, nicht offen als Partei in Erscheinung zu treten. Wer "offiziell" nicht da ist, kann auch zu nichts verpflichtet werden - und hinter der Fassade umso besser die Strippen ziehen.

Zweifellos sprechen die Reformisten und kleinbürgerlichen Intellektuellen damit viele Vorbehalte von ArbeiterInnen und Jugendlichen an, die aus der Erfahrung des Verrats gerade des Reformismus oder der kleinbürgerlichen Grünen resultieren.

Auch die AnarchistInnen stimmen gern in diesen Chor ein, stellen für sie doch "Politik" und "Parteien" ohnehin nur "Übel" dar. Dieser Pseudoradikalismus führt dazu, dass sich die Anarchisten oft genug zum nützlichen Idioten der rechteren Strömungen machen.

Das reaktionäre Parteienverbot muss bekämpft und über Bord geworfen werden!

Die Vertreter zentristischer Organisationen - Chris Nineham von der "Socialist Workers Party" (SWP, Britannien, in der BRD: Linksruck) und Olivier Besancenot von der "Ligue Communiste Revolucionaire (LCR, Frankreich, in der BRD: RSB und isl) - hielten in der Diskussion ein Stück weit dagegen.

Nineham sprach sich für den Aufbau revolutionärer Parteien aus, die gegen das ganze System kämpfen. Sein Problem: Einerseits betrachtet er z.B. die SWP bereits als "die revolutionäre Partei", andererseits lehnt es die SWP in der Praxis ab, gegen die Reformisten in der Bewegung politisch zu kämpfen, sie offen zu kritisieren, dies in ihren Publikationen darzustellen usw.

Bescancenot sprach sich ebenfalls für den Aufbau von Parteien aus - aber nicht für eine direkt revolutionäre, sondern eine Partei, die einen "linken Flügel der Linken" bilden solle, die offen sein soll für "ökologische, revolutionäre, marxistische, feministische und libertäre Traditionen" - ein politisches Mischmasch, das aufgrund seiner unklaren, widersprüchlichen politischen Grundlagen nicht in der Lage sein kann, Kämpfe zum Sieg zu führen und an diesen Bewährungsproben selbst zerbrechen wird.

Revolutionär

Unsere Perspektive ist eine andere. Die aufstrebende internationale anti-kapitalistische Bewegung, die Krise des globalen Kapitalismus und die weltweiten Kämpfe gegen den Kapitalismus werfen die Frage nach der Schaffung einer neuen, internationalen politischen Massenorganisation auf: nach einer neuen internationalen Arbeiterpartei.

Wir kämpfen für eine solche Partei, weil wir eine organisierte politische Antwort auf die Internationale das Kapitals brauchen, weil wir eine Alternative zu den reformistischen "Internationalen" von der sog. "Sozialistischen Internationale" bis hin zu attac brauchen und weil die bloße Vernetzung und punktuelle Zusammenarbeit nicht ausreicht, eine internationale politische Führung und Vereinheitlichung der Kämpfe der Arbeiterklasse und Unterdrückten herbeizuführen.

Wir fordern alle Organisationen der Arbeiterbewegung, alle dauerhaften Vernetzungen in der anti-kapitalistischen Bewegung dazu auf, eine solche Internationale mit aufzubauen!

Aber wir treten dafür ein, dass diese von Beginn an ein revolutionäres, kommunistisches Programm hat, dass es eine neue revolutionäre Arbeiterinternationale ist.

Zu diesem Zweck haben wir als LRKI einen Programmentwurf vorgelegt, den wir mit anderen Strömungen und Individuen diskutieren wollen.

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Nr. 77, Februar 2003

*  Krieg den Kriegstreibern! Nieder mit dem Imperialismus!
*  Aufgaben der Anti-Kriegsbewegung: Verteidigt den Irak!
*  Friedensengel? Fünf Fragen zur UNO
*  Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit: Allheilmittel Grundeinkommen?
*  Tarifrunde im Öffentlichen Dienst: Wenig mehr als Nichts
*  Frauen in Afghanistan: Frieden ohne Freiheit
*  Venezuela: Ein reaktionärer Generalstreik
*  Resolution: Sozialforen und Neue Internationale
*  Antikapitalismus: Braucht die Bewegung eine Partei?
*  kanalB: Nie wieder herkömmliches Fernsehen