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Care Revolution Wien

Die Pflege steht auf

Arbeiter*innenstandpunkt, Neue Internationale 200, Juni 2015

Vor etwa drei Monaten hat sich in Wien die Initiative CARE Revolution gegründet, sie ist aus einem Vernetzungstreffen der Betriebsflugblätter Herzschlag (herausgegeben von der Gruppe Arbeiter*innenstandpunkt) und Klartext (herausgegeben von der Revolutionär Sozialistischen Organisation) entstanden. Das Ziel dabei war, Beschäftigte im Pflegebereich vernetzen und eine Basisbewegung gegen die Verschlechterungen im Gesundheitswesen aufzubauen.

Gerade für die Pflege wird die Lage immer schwieriger, so wurde bei der Berufsgruppe der AbteilungshelferInnen massiv gekürzt, bis zu 40%, diese sollte der Pflege hauswirtschaftliche Tätigkeiten abnehmen. Auf der anderen Seite gibt es mit dem “mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich” eine Übernahme von Arbeiten, die bis jetzt zum Bereich der ÄrtztInnen gehörten. In dieser neuen Situation können PflegerInnen ohne Personalaufstockung keine optimale Gesundheitsversorgung mehr garantieren. Bei diesem ersten Treffen haben etwa 30 KollegInnen beschlossen, etwas unternehmen. So entstand CARE Revolution Wien. Es wurden Forderungen wurden diskutiert und erste Aktionen geplant.

Aktion am Ersten Mai

Der Erste Mai war ein willkommener Anlass für den ersten öffentlichen Protestauftritt von CARE Revolution. Unter dem Motto „Pflege am Boden“ wurde ein Flashmob organisiert mit dem Ziel, die SPÖ und v.a. Gesundheitsstadträtin Sonja Whesely mit den Forderungen der Pflege zu konfrontieren. Um 9 Uhr sammelten sich die ersten KollegInnen, bis 9.30 Uhr wuchs die Menge auf etwa 80 Leute an, lautstark wurde mit Transparenten und Schildern auf die Situation im Gesundheitsbereich aufmerksam gemacht. Besonders beliebt dabei war das Schild mit der Aufschrift „Häupl 22 Stunden ins Gangbett“. Häupl ist Wiener Bürgermeister und SPÖ-Vorsitzender und macht sich gerade für die Verlängerung der Wochenarbeitszeit der LehrerInnen stark.

Nachdem Flugblätter verteilt wurden, startete der Flashmob mit rund neunzig Personen zum Rathausplatz. Dort „fielen“ alle um und blockierten die Tribüne. In einer kurzen Rede wurde auf die Missstände im Gesundheitsbereich aufmerksam gemacht und die Verantwortlichen aufgefordert, etwas zu verändern. Mit den Rufen „Wir stehen auf!“ erhob sich die Gruppe wieder und marschierte in Richtung Bühne, wo die Gewerkschaftsbosse und die Größen der österreichischen Sozialdemokratie standen. Bei Sprüchen wie „Mehr Personal im Spital” oder „Wir haben keine Wahl, Streik im Spital” verzogen sich ihre Minen. ArbeiterInnen, die vor der Parteiführung für bessere Arbeitsbedingungen demonstrieren, hatten sie anscheinend nicht erwartet. Sehr beeindruckend war auch, dass viele, die am Rand standen, uns applaudierten. Es war ein schönes Gefühl, Solidarität von der Basis der SP zu spüren.

Nachdem wir erfahren haben, dass Frau Whesely mit der Sektion 2 am Weg war, wurde beschlossen, die Aktion zu wiederholen. „Natürlich“ ging Frau Whesely nicht auf unsere Forderungen ein und gab lieber dem Sender Waud24 ein Interview. Doch es gab auch diesmal wieder Applaus von einigen Leuten aus der Sektion 2. So war der Erste Mai für CARE Revolution ein voller Erfolg.

Resonanz

Die Einseitigkeit der Medien am nächsten Tag hat viele von uns dann doch zum Staunen gebracht.  Während nahezu jedes “kritische” Transparent einer Sozialistischen Jugend oder eines aufgebrachten Lehrers erwähnt wurde, fand die CARE-Protestaktion außer in der Kronenzeitung und der Online-Ausgabe der Presse kaum Resonanz. Dass es an der Basis brodelt und jetzt sogar erste KollegInnen etwas unternehmen, dürfte dann aber doch nicht spurlos an Gewerkschaft und SP vorbeigegangen sein. Zwei Tage später gab der ÖGB-Vorsitzende Foglar dem Kurier ein Interview, in dem er feststellt: “es gärt gewaltig in ganz Österreich”, er würde sich “wünschen, dass man sich des Pflegepersonals in gleichem Ausmaß annimmt wie der Ärzte.” Auch hat sich in der „Gewerkschaft der Gemeindebediensteten“ seit April einiges bewegt: Unter dem Motto „HandAufsHerz“ werden Forderungen von KollegInnen gesammelt, um eine “optimale Vertretung” zu garantieren, auch ein Flashmob beim Pflegekongress wurde organisiert.

Internationaler Tag der Pflege

Mit der Gewerkschaft wurde von Seiten von CARE Revolution Wien vereinbart, am internationalen Tag der Pflege den „Pflege am Boden“-Flashmob zu wiederholen. Zu der Aktion auf der Mariahilferstraße kamen rund 200 Menschen aus dem Gesundheitsbereich, der Gewerkschaft und linken Zusammenhängen, die Stimmung war sehr gut und kämpferisch. Es wurden PassantInnen informiert, wieder ein Protest am Boden veranstalten und es wurde ein Statement vorgelesen, auf das sich CARE Revolution und HandaufsHerz geeinigt hatten. Es war ein wichtiger Schritt, dass die Gewerkschaft aktiv wurde und dass auch deutlich mehr KollegInnen als beim ersten Flashmob gekommen waren. Leider hat der Vorsitzende der GdG-Jugend - bewusst oder nicht - die Aktion beendet, bevor eine vereinbarte Rede von CARE Revolution gehalten wurde.

Wie weiter?

Die „Pflege am Boden“-Flashmobs waren ein guter Schritt, um Kolleginnen und Kollegen zu mobilisieren und auf die Situation der Pflege aufmerksam zu machen. Aber zwei Flashmobs allein können nicht den nötigen Druck aufbauen, um ernsthaft etwas im Gesundheitssystem zu verändern. Schön und gut ist es natürlich, dass uns die Gewerkschaft endlich “optimal vertreten” will und für die Verhandlungen im Pflegesektor „rüstet“. Wenn sich die Dinge aber wirklich zum Guten wenden sollen, wird das Verhandlungsgeschick einiger Funktionäre kaum reichen.

Wirklicher Druck muss über Protest erreicht werden. Wir müssen über Flashmobs hinausgehen, wir brauchen Protestaktionen gegenüber dem Management und gegenüber der Stadtregierung. Wir brauchen Demonstrationen für ein besseres und ausfinanziertes Gesundheitssystem. Und wir brauchen betriebliche Kampfmaßnahmen wie Streiks, falls die Verantwortlichen unsere Forderungen nicht umsetzen wollen! Dafür benötigen wir die Gewerkschaft, wir benötigen aber keine abgehobene Stellvertretungspolitik.

Es muss darum gehen, die Leute an der Basis zu organisieren, mit ihnen gewerkschaftliche Strukturen aufzubauen und die Gewerkschaften zu demokratischen Kampforganen der arbeitenden Klasse zu machen. Wichtige Mittel dafür sind regelmäßige Betriebsversammlungen in den Krankenhäusern, um über Forderungen und Kampfmaßnahmen zu beraten. Tarifverhandlungen müssen transparent geführt werden und die Ergebnisse der Verhandlungen müssen in Urabstimmungen bestätigt werden.

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Nr. 200, Juni 2015
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