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Präsidentschaftswahlen in Frankreich

Dämpfer für Sarkozy

Dave Stockton, Neue Internationale 169, Mai 2012

Obwohl manche „Medienexperten“ von einer Politikverdrossenheit im Vorfeld der Wahl sprachen, gingen 80,1% der Wahlberechtigten zur Wahl und es wird erwartet, dass Präsident Sarkozy im 2. Wahlgang am 6. Mai eine Niederlage erleidet.

Es ist wahrscheinlich, dass Frankreich seinen ersten „sozialistischen“ Präsidenten seit 1995 haben wird. Sarkozy, der „Präsidenten der Reichen“, hatte es während seiner Amtszeit nicht vermocht, den Widerstand der französischen Arbeiterklasse zu brechen. Diese konnte trotz ihrer mangelhaften politischen Führung seinen Generalangriff aufhalten. Schon 2010, während der größten Angriffe, war Sarkozys Zeit abgelaufen. Dies Wahl ist nur eine nachträgliche Abrechnung.

Sarkozy führte einen Wahlkampf am rechten Rand - in der Hoffnung, die WählerInnen des rassistischen Front National (FN) zu erreichen. Beim 1.Wahlgang erreichte Marine Le Pen von der FN einen historischen Erfolg, angefeuert durch den rechten Wahlkampf Sarkozys gewann sie 17,9%, das sind 6.412.000 stimmen. Sie ist die Tochter des alten faschistischen Jean-Marie Le Pen, welcher seit Jahrzehnten die Rolle einnimmt, die Trotzki als „Vogelscheuche im Garten der bürgerlichen Demokratie“ treffend beschrieben hatte. Schon 2002, beim 2.Wahlgang der Präsidentschaftswahlen, animierte sein drohender Erfolg sogar fataler Weise die „trotzkistische“ LCR dazu, den Gaullisten Jacques Chirac zu unterstützen.

Obwohl Marine Le Pen gemäßigter auftritt, sind die programmatischen Grundlagen des FN immer noch die gleichen: Rassismus, Abschaffung der Einwanderung und „Förderung“ der nationalen Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums sowie Rückzug aus Euro und EU.

Le Pen hat sich nicht zum 2.Wahlgang geäußert, sie will die UMP von Sarkozy schwächen und wenn möglich als rechte, nationale Opposition ersetzen. Dementsprechend wird Sarkozy wahrscheinlich noch weiter nach rechts steuern, um die WählerInnen der FN zu bekommen, selbst auf das Risiko hin, die WählerInnen des liberalen Bayrou zu vergraulen.

François Hollande erhielt mit 28,63% den höchsten Anteil der jemals für ein Kandidaten der Sozialistischen Partei (PS) abgegeben wurde, mehr als Mitterrand 1981 und Ségolène Royal 2007.

Jean-Luc Mélenchon, Kandidat der Front de Gauche (Linksfront, hier LINKE) führte eine rhetorisch linke Kampagne, die begeisterten UnterstützerInnen kamen zu Großdemonstrationen mit mehr als 100.000 in Paris und Marseille. Aber am Ende erhielt er deutlich weniger als die 15-17 vorausgesagten Prozente. Mit 11,13% (3.985.000 Stimmen) verpasste er sein Hauptziel, Le Pen auf den vierten Platz zu schieben. In der Tat sind diese 11% ungefähr der Stimmenanteil der Linken, links von der PS bei den letzten Wahlen gewesen.

Die radikale Linke

Sein wirklicher Erfolg war es, die radikale Linke zu demütigen - die Neue antikapitalistische Partei (NPA) und Lutte Ouvrière (LO). Der NPA-Kandidat Philippe Poutou erhielt 1,15% und Nathalie Arthaud von LO 0,56% - die niedrigste Quote für die Kandidaten der radikalen Linken seit 1968.

2007 gewann die LCR 4,08% (1.498.000 Stimmen) und 2002 4,25% (1.210.000). In den gleichen Jahren erhielt LO 1,33% (487.000) und 5,72% (1.630.000). LO holte 1995 5,30% (1.613.000 Stimmen).

Die Niederlage der radikalen Linken und der Aufstieg der reformistischen Linken, ist nicht nur primär dem populären Frontmann Mélenchon zu verdanken, sondern auch der Unterstützung der Linksfront durch die alte PCF und ihre Gewerkschaft CGT zu finden. Während in den letzten 10 Jahren die radikale Linke auf dem Vormarsch war, sie insgesamt 10% erreichten und gleichzeitig die PCF sehr geschwächt war, hat sich dies nun verändert. Warum?

Die PCF war 2007 am Ende, sie erreichte nur 707.268 Stimmen (1,93%), während NPA und LO weiter Stimmen dazu gewannen und speziell die NPA viele AktivistInnen an sich binden konnte. Die Gründe für den Niedergang der NPA haben wir schon in anderen Artikeln analysiert.

Sie liegen u.a. in der extremen politischen Heterogenität der NPA - im Fehlen eines revolutionären Programms, mit dem eine unabhängige Rolle bei den diversen Massenkämpfen möglich gewesen wäre. Ein anderes Problem ist die Sabotage der eigenen Wahlkampagne durch Teile der Partei.

Das Programm der PS

Der Wahlkampf und das Programm von Hollande sind nur radikal, wenn wir es mit den derzeit üblichen Programmen von reformistischen bürgerlichen Arbeiterparteien in Europa vergleichen. Es werden Verbesserungen für die Arbeiterklasse versprochen, wie auch gleichzeitig die Staatsverschuldung bis 2017 den EU-Kriterien entsprechen soll - was im Widerspruch zueinander steht. Die Einhaltung der Schuldengrenzen bedeutet Sozialkürzungen auf der ganzen Linie, aber Hollande will gleichzeitig auch die Steuergeschenke von Sarkozy an die Reichen zurücknehmen - dies ist ein zentraler Punkt seines Programms!

Sein Versprechen, die Einkommensteuer auf 75% anzuheben, hat schon Wehklagen der Euro-Millionäre verursacht. Er hat auch versprochen, das Rentenalter auf 60 zu senken, wie auch volle Rente für diejenigen zu zahlen, die 42 Jahre gearbeitet haben, und 60.000 gekürzte Arbeitsplätze im öffentlichen Bildungswesen wieder zu besetzen. Ebenso sollen homosexuelle Paare das Recht zu heiraten und für Adoptionen bekommen. Er hat auch versprochen, Mieterhöhungen zu kontrollieren und  Kommunen und Städte zu mehr sozialem Wohnungsbau zu zwingen. Die größte Panik im internationalen Geschäftskreisen hat aber sein Aufruf, den Europäischen Fiskalpakt neu zu verhandeln hervorgerufen - obwohl er schnell hinzufügte, dass Frankreich seine vertraglichen Verpflichtungen natürlich einhalten wird.

Klassenkämpferische Antwort

Die Politik der Liga für die Fünfte Internationale (LFI) und ihrer Sympathisanten in Frankreich in der NPA ist es, dass die NPA sich richtig verhält, wenn sie zur Stimmabgabe für François Hollande aufruft. Es ist prinzipientreu, dies zu tun, weil die PS das bleibt, was LeninistInnen eine bürgerliche Arbeiterpartei nennen - bürgerlich im Programm, aber gestützt auf die Stimmen und Organisationen der Arbeiterbewegung.

Die große Mehrheit der französischen Arbeiterklasse will Sarkozy loswerden, hofft auf die Verhinderung weiterer Sparmaßnahmen und gleichzeitig auf Reformen im eigenen Interesse. Normalerweise werden diese Hoffnungen immer dann getrübt und betrogen, wenn die Reformisten (PS oder die Front de Gauche) die Regierungsverantwortung übernehmen. Solange diese Parteien nicht durch eine revolutionäre Arbeiterpartei ersetzt sind, müssen wir die Klasse und die Unterdrückten mobilisieren, sie müssen für ihren Schutz eine Hollande-Regierung unter Druck setzen.

Wir werden nicht nur fordern, dass Hollande seine begrenzten Versprechungen erfüllt, wir argumentieren auch, dass wir zu Massenmobilisierungen aufrufen, wenn die Finanz- und Aktienmärkten ihn daran hindern wollen. Wir werden fordern, dass Hollande - der sagt, er hasst die Hochfinanz - zu Zwangsmaßnahmen greifen soll, um deren Macht zu brechen, um ihr Vermögen zu verstaatlichen und um eine Arbeiterkontrolle durchzusetzen.

Wir stimmen mit Philippe Poutou überein, wenn er für größere und militantere Demonstrationen als je zuvor am Maifeiertag aufruft, mit Forderungen gegen die Sparmaßnahmen, für eine drastische Besteuerung der Reichen, für mehr Arbeitsplätze, für deutliche Steigerungen des Mindestlohns, für die Gleichberechtigung von Frauen und die sans papiers - kurz, für einen Aufschwung des Klassenkampfs, wie ihn Frankreich zuletzt 1936 und 1968 erlebt hat.

Um auch nur eine substantielle Reform für die Arbeiterklasse durchzusetzen, brauchen wir Massenmobilisierungen, damit Hollande eben nicht auf die Sparmaßnahmen eines Zapatero oder Papandreou zurückgreift. Wenn es dazu kommt, kann das das Kräfteverhältnis zugunsten der Arbeiterklasse in ganz Europa verändern.

Es wird zu einer unvermeidbaren Zusammenstoß mit der herrschenden Klasse führen - wie wir es immer wieder in den letzten Jahrzehnten in Frankreich gesehen haben. Revolutionäre Mittel des Kampfes wie der unbefristete Generalstreik oder die Schaffung von Aktionskomitees und Selbstverteidigungsorganen werden sich als notwendig erweisen.

Um eine solche Situation nutzen zu können, muss die Arbeiterklasse mit einem Aktionsprogramm, das den Tageskampf mit dem  Kampf um die Macht verbindet, bewaffnet sein. Für die Schaffung einer Arbeiter-Regierung, basierend auf Arbeiterräten, welche das kapitalistische Profitsystem durch ein System von demokratischer Planung ersetzen kann!

Im letzten Jahrzehnt gab es mehrere vorrevolutionäre Situationen in Frankreich. Aber der Arbeiterklasse fehlte eine politische Führung, die in der Lage gewesen wäre, diesen Vorteil zu nutzen. Die NPA ist immer noch die Kraft, die viele ArbeiterInnen und AktivistInnen vereint. Aber um eine revolutionäre Partei zu werden, muss die NPA ihren eigenen Schwankungen zwischen Reform und Revolution überwinden und ein klares revolutionäres Programm entwickeln.

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Nr. 169, Mai 2012
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