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Pakistan

Selbstbestimmungsrecht für Belutschistan!

Arshad Shahzad, Revolutionary Socialist Movement, Pakistanische Sektion der Liga für die Fünfte Internationale

In den vergangenen Monaten hat das pakistanische Militär seine Operationen in Belutschistan verstärkt, wo sich eine Widerstandsbewegung gegen nationale Unterdrückung und Folter gebildet hat. Tausende politische AktivistInnen sind „verschwunden“, viele von ihnen wurden von pakistanischen Sicherheitskräften ermordet. Bis jetzt sind die Leichen von etwa 400 StudentInnen, ÄrztInnen, TechnikerInnen und ArbeiterInnen gefunden worden. Einige weisen Folterspuren auf.

Die Ermordung von Nawab Akbar Bugti 2006 erzeugte eine große Widerstandswelle gegen das mörderische Vorgehen von Armee und Sicherheitskräften. Die am 13. Februar dieses Jahres aufgefundene verstümmelte Leiche von Sangat Sana Baloch, einem Führer der nationalen Bewegung, hat noch mehr Menschen in den Kampf geführt, darunter auch viele Frauen.

Geschichtlicher Hintergrund

Seit Gründung des Staates Pakistan 1947 ist die Belutschi-Bevölkerung eine unterdrückte Minderheit gewesen. Die Selbstbestimmung oder Unabhängigkeit war von den britischen Kolonialherren versprochen worden, wurde aber nie umgesetzt. Nach der Teilung mussten sie sich entscheiden, ob sie zu Indien oder Pakistan gehören wollten. Außerdem sind die Autonomiekonzessionen, die ursprünglich den Belutschi-Nationalisten gegeben wurden, durch eine Reihe von Maßnahmen der pakistanischen Bundesregierung beseitigt. Das wiederum löste Aufstände und dauerhaften bewaffneten Widerstand seit der Gründung aus.

Belutschistan erstreckt sich über 44% des Territoriums Pakistans und ist damit die größte, wenn auch sehr dünn besiedelte Provinz des Landes mit 13 Millionen EinwohnerInnen von insgesamt 177 Millionen. Es ist eine der reichsten Regionen der Welt in Bezug auf Rohstoffe wie Kohle, Gas, Gold, Kupfer u.a. Mineralien.

Diese natürlichen Ressourcen haben sich aber nicht positiv auf das Leben der Bevölkerung ausgewirkt. Diese Reichtümer waren Anlass für imperialistische Interventionen, weshalb der Kampf gegen nationale Unterdrückung auch sehr widersprüchlich ist. Die Imperialisten haben an Belutschistan v.a. wegen seiner geostrategischen Lage Interesse. Die USA und China wie auch die pakistanische herrschende Klasse und die Eliten der Belutschen streiten sich um den Zugriff auf die Mineralvorkommen und den Tiefseehafen Gwadar Port, der nahe der strategisch wichtigen Straße von Hormuz liegt.

Welche Position ist revolutionär?

Zur nationalen Selbstbestimmung Belutschistans gibt es zwei verschiedene Positionen in der pakistanischen Linken.

Einige sind dagegen, weil die Belutschen-Befreiungsbewegung von den USA und Indien unterstützt würden. Andere wiederum weisen darauf hin, dass die Führung in der Hand von Stammesführern liegt. Sie argumentieren, dass diese FührerInnen dem Fortschritt feindlich gesonnen seien und die kapitalistische Entwicklung zunächst gefördert werden müsse. Belutschi-Nationalisten haben wiederholt Angehörige anderer Völkerschaften und ArbeiterInnen getötet, meinen andere, weswegen die Linke sie nicht unterstützen könne.

Zunächst zum Vorwurf, die Stammesfürsten würden sich gegen den Fortschritt sperren. Warum existieren diese Stammesführer immer noch und warum hat der pakistanische Staat ihre soziale Basis noch nicht beseitigt? Die Mehrheit der Führer und oberen Kasten waren immer und bleiben Unterstützer des pakistanischen Staates. Warum sind die Regionen unterentwickelt geblieben? Der pakistanische Staat ist reaktionär. Seine herrschende Klasse hat nicht eine Aufgabe der bürgerlich demokratischen Revolution erfüllt, sie hat keine sozialen Verbesserungen wie Infrastruktur gebracht, ganz zu schweigen von einer Lösung der nationalen Frage. Die bürgerliche Herrschaft in Pakistan stützt also die Mehrheit der Stammesführer.

Pakistans herrschende Klasse partizipiert von den enormen Profiten an den natürlichen Ressourcen von Belutschistan, die belutschistanische Bevölkerung aber wird beraubt und lebt in Armut und Hunger. Die ‚Linke' mag die Stammesführer als Haupthindernis des Fortschritts sehen, aber für die belutschistanische Bevölkerung sind diese Führer nicht das Hauptproblem. Für sie sind die Ausplünderung und die nationale Unterdrückung der Hauptgrund für Unterentwicklung und Elend. Letztlich sind die Clanführer Agenten einer auf den Kolonialismus zurückgehenden imperialistischen Ordnung, aus der Pakistan selbst hervorging.

Imperialistische Intervention

Einige linke Kritiker behaupten, der US-Imperialismus und Indien würden die belutschistanische Befreiungsbewegung anheizen, und diese wäre eher eine Verschwörung gegen Pakistan als eine echte nationale Bewegung. Mit demselben Argument versuchen die Kapitalisten jede neue Arbeiter- und Befreiungsbewegung zu diskreditieren. Sie behaupten stets, es sei nicht gerechtfertigt, gegen Ausbeutung und Unterdrückung Widerstand zu leisten, die ja solche Bewegungen erst hervorbringen. Stattdessen sehen sie ‚ausländische Aufwiegler' am Werk, Gewerkschafter oder SozialistInnen, die die ArbeiterInnen in die Irre führen. Während der russischen Revolution würden die Bolschewiken z.B. bezichtigt, Agenten Deutschlands zu sein.

Diese Haltung sieht Geschichte als eine lange Reihe von Verschwörungen und unterschlägt die Tatsache, dass solche Bewegungen aus sozio-politischen Krisen entspringen, weil verschärfte Ausbeutung und Unterdrückung ihre Entstehung begünstigen. Zweifelsohne werden Teile der Bewegung von imperialistischen Mächten unterstützt, die sie für ihre eigenen Zwecke manipulieren wollen.

Das kann aber nicht der Grund sein, eine ganze Bewegung abzulehnen, die gegen nationale Unterdrückung, die Plünderung der Ressourcen des Landes und militärische Besetzung kämpft. Praktisch jeder nationale Befreiungskampf, jede revolutionäre Erhebung auf der Welt sieht sich auch damit konfrontiert, dass Imperialismus und Reaktion versuchen, auf sie einzuwirken.

Reaktionäre Attacken auf ArbeitsmigrantInnen

Es ist leider wahr, dass einige belutschistanische Nationalisten ArbeitsmigrantInnen angegriffen haben. Wir sind absolut gegen solche Übergriffe. Die übergroße Mehrheit dieser ArbeiterInnen sind arm, und solche terroristische Akte schwachen effektiv den belutschistanischen Kampf durch die Konfrontation mit potenziellen BundesgenossInnen innerhalb Pakistans.

RevolutionärInnen unterstützen jedoch das Recht auf Selbstbestimmung. Obwohl es eine bürgerlich-demokratische Forderung ist, schafft der Rückhalt seitens der ArbeiterInnen der Unterdrückernation für die Selbstbestimmung unterdrückter Völkerschaften bessere Bedingungen für den Klassenkampf, wie auch Lenin hervorhob. Statt dass sich die ArbeiterInnen verschiedener Nationen gegenseitig bekämpfen, müssen sie sich gegenseitig in ihren Kämpfen unterstützen.

Wir fordern freiwillige Föderationen von Nationen, keine erzwungenen. Wir wollen Grenzen abschaffen und keine neuen schaffen. Nationale Selbstbestimmung, einschließlich des Rechts von unterdrückten Nationen, eigene Staaten zu bilden, wenn sie es wünschen, ist als Schritt zu dieser Einheit zu verstehen. Es stärkt die Kräfte für die sozialistische Revolution, weil die Arbeiterklasse und alle fortschrittlichen Elemente der Unterdrückernation nur dann das Vertrauen der Unterdrückten gewinnen können, wenn sie deren Rechte und deren Kämpfe ohne Zögern unterstützen. Die Errungenschaft der Selbstbestimmung, mit Beistand der ArbeiterInnen und Bauern der ehemaligen Unterdrückernation, ist der beste Weg, die reaktionären Kräfte in beiden Nationen zu schwächen. So kann auch die Basis für die Ausbeutung einer Nation durch eine andere überwunden werden.

Unter diesen Vorzeichen sollten revolutionäre SozialistInnen die belutschistanische Befreiungsbewegung also unterstützen. Sie müssen zugleich vor der Intervention des Imperialismus warnen. Keine der widerstreitenden Mächte USA oder China wird der belutschistanischen Bevölkerung Unabhängigkeit bescheren, stattdessen wird ihre Intervention die Situation verschlimmern.

Wir müssen die Klassenunterschiede in der nationalen Befreiungsbewegung und die Gefahren der falschen Führung durch bürgerliche und Stammesführer betonen. Wir müssen dafür eintreten, dass die proletarischen und sozialistischen Kräfte die Führung in der nationalen Befreiungsbewegung übernehmen. Die Arbeiterklasse muss ihre eigenen Kampforgane aufbauen und mit jenen der gesamten pakistanischen, ja weltweiten Arbeiterklasse verknüpfen. Dies muss mit den Methoden des Klassenkampfs geschehen: Besetzungen, Streiks bis hin zum Generalstreik und in massenhaften politischen Aufstand münden, statt eine kleinbürgerliche Guerrilla-Taktik anzuwenden. Nur so können die nationale Befreiung Belutschistans und der Kampf für den Sozialismus voran kommen.

Stoppt die militärische Offensive! Abzug des Militärs aus Belutschistan!

Nein zu jeglicher imperialistischer Einmischung!

Selbstbestimmung für die belutschistanische Nation!

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