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Interview

Leiharbeit verbieten!

Interview mit Alex, Metallarbeiter in der Region Stuttgart, Neue Internationale 164, November 2011

Neue Internationale (NI): Wo arbeitest Du?

A: Ich arbeite als Monteur in einem Maschinenbaubetrieb. Seit 2007 habe ich einen unbefristeten Vertrag. Davor war ich dort Leiharbeiter. Bei mir hat der Klebeeffekt nach 3 Monaten funktioniert. Davor war ich allerdings seit 2004 als Leiharbeiter in 3 verschiedenen Firmen.

NI: Was sind Deine Erfahrungen?

A: In meiner ersten Anstellung hatte ich zunächst gar nicht gemerkt, dass ich nicht direkt bei der Firma angestellt war, sondern bei einem Verleiher. Erst durch Gespräche mit anderen Kollegen bin ich draufgekommen. Wir Leiharbeiter haben dann gemeinsam gefragt, ob eine Übernahme überhaupt möglich wäre. Die Antwort war Ja, wenn wir immer pünktlich und flexibel sind, wäre eine Übernahme drin. Wir haben im Betrieb für die Dienstwagen einer Autofirma Reifen gewechselt und andere Saisonumrüstungen gemacht. Das Ende vom Lied: Nach einem Jahr hat die Firma beschlossen, Leiharbeiter nur noch zu den Saisonspitzen zu holen. Auch ich wurde später nochmal für 3 Monate geholt. Übernommen wurde niemand.

In der nächsten Firma war ich für 2 Tage als Reinigungskraft, danach kam ich zu einer Umzugsfirma, die für Bosch Umzüge von Lagern gemacht hat. Hatte eigentlich auch nichts mit meinem Beruf als Mechaniker zu tun.

Immer, wenn ein Einsatz beendet war, hat mir die Leihfirma sofort gekündigt, allerdings konnte ich immer wieder sofort vermittelt werden. Habe damals die dritte Stufe im Tarif erhalten, 8 Euro. Andere lagen bei 6 Euro und ein paar Cent.

Erst nach meinem zweiten Einsatz bei dem Auto-Dienstleister bekam ich für einen Monat ohne Arbeitseinsatz eine Weiterbezahlung durch die Leihfirma. Mit dem letzten Tag kam ich zu meinem jetzigen Arbeitgeber, damals war Boom und ein paar Kollegen und ich, wir wurden dann erst für ein Jahr, dann unbefristet eingestellt. Aber auch jetzt sind von rund 300 Leuten 9% LeiharbeiterInnen. Dafür hat die Stammbelegschaft Gleitzeit, Gewinnbeteiligung und Akkordzulagen bekommen. Das ist ein Haustarifvertrag zur „Standortsicherung“.

NI: Wie war Dein Leben als Leiharbeiter?

A: Als Leiharbeiter war ich immer knapp dran mit dem Geld und konnte den Dispo bei der Bank nicht erweitern. Am Monatsende habe ich geschaut, wie ich mit Nudeln mit Ketchup bis zum letzten Tag durchhalte, immer hoffend, dass nichts Unerwartetes kommt. Als Single gibts keine Hilfe von Ämtern, weil du knapp über der Grenze bist.

NI: Die IG Metall macht ja gerade eine Kampagne gegen Leiharbeit. Es gab einen Jugendaktionstag in Köln und den Beschluss der Großen Tarifkommission Baden-Württemberg, das auch zum Thema der Tarifrunde zu machen.

A: Über unseren Betriebsrat habe ich nichts von der IG Metall mitbekommen. Die Unterschriftenliste des Metallertreffs Stuttgart haben aber fast alle Betriebsräte und KollegInnen unterschrieben. Eine Kampagne wäre also möglich. Die Leute sehen das Problem. Sie sehen die Leiharbeit als modernen Sklavenhandel an und als die größte Schweinerei der rot/grünen Regierung. Aber viele halten das auch für nötig, damit die Firmen genug verdienen. Da funktioniert die Spaltung. Aber genau da müsste eine Kampagne der IG Metall auch aufklären.

NI: Möglicherweise sehen auch einige Betriebsräte die Leiharbeit als notwendig an. Wie findest du die Forderung des Metallertreffs nach Übernahme aller LeiharbeitnehmerInnen in reguläre Arbeitsverhältnisse - beim letzten Entleiher?

A: Die Forderung ist realistisch. Unsere Firma würde davon nicht pleite gehen. Die haben doch über Jahre Gewinne gemacht. Wenigstens befristet könnten sie die Leute einstellen, damit sie wenigstens mal am Monatsende keine Angst ums Geld haben müssen.

NI: Was sollte die IG Metall Deiner Meinung nach machen?

A: Die Gewerkschaft als Institution der Arbeiter sollte eine große Kampagne machen mit dem Ziel, Leiharbeit zu verbieten - ohne Wenn und Aber. Wenn es nämlich wieder Ausnahmen gibt, dann müssen wegen ihrer blöden kapitalistischen Konkurrenz wieder alle anderen Firmen nachziehen. Diese Kampagne sollte auch europaweit durchgeführt werden.

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Nr. 164, November 2011
*  Occupy-Bewegung: Gegen die Macht der Banken!
*  Wie kann unsere Bewegung siegen?
*  Interview: Leiharbeit verbieten!
*  Solidarität: Rücknahme der Kündigung von Mehmet Sahin!
*  Stuttgart 21: Kämpfen statt (aus)verkaufen
*  Alpenland/CMF-Streiks: Wo bleibt ver.di?
*  Heile Welt
*  Berlin: Arm, aber "sicher"
*  Griechenland: Die Revolution und ihre Perspektiven
*  G20-Gipfel in Cannes: Im Schatten der Krise
*  Pakistan: Arbeiterinnen kämpfen um ihre Rechte
*  Brasilien: Gewerkschaftskämpfe weiten sich aus
*  Konflikt bei SMA: Kein New Deal für ZeitarbeiterInnen
*  Gorleben: Castor stoppen - Kapital schottern!