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Berlin

Arm, aber sicher

Hannes Hohn, Neue Internationale 164, November 2011

Nach zehn Jahren Rot/Rot in Berlin musste sich die SPD angesichts den erneuten Verluste der LINKEN einen neuen Partner suchen. Doch Wowereits neue Mitregierer werden nicht wie allgemein erwartet die Grünen, sondern wahrscheinlich die CDU. Nachdem sie vor zehn Jahren am Berliner Bankenskandal gescheitert war, kehrt sie nun erneut an die Futtertröge der Macht zurück.

Offiziell galt der Streit über ein Stück Autobahn als Grund für das Scheitern der Gespräche zwischen SPD und Grünen. Doch das war wohl eher ein Vorwand der SPD, denn irgendein Kompromiss zum Autobahn-Projekt wäre sicher möglich gewesen. Zentral für die rot/schwarze Option in Berlin waren hingegen zwei andere Gründe. Erstens hätte Rot/Grün nur eine hauchdünne Mehrheit von einem Sitz gehabt. Angesichts der Krise und der zu erwartenden härteren Sparmaßnahmen ist aber eine stabile Regierung mit klarer Mehrheit erforderlich, um unpopuläre Maßnahmen durchsetzen und gegen Widerstand effektiv vorgehen zu können. Dafür ist die CDU aus Sicht des Kapitals allemal besser geeignet als die Grünen. Diese Überlegung spiegelt sich auch in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU wider, wo Fragen der inneren Sicherheit breiten Raum einnehmen.

Die Berliner Entscheidung gegen Rot/Grün könnte auch dafür sprechen, dass die SPD - trotz der größeren politischen Schnittmenge mit den Grünen - auch für die nächsten Bundestagswahlen eher auf eine Große Koalition setzt. Immerhin hat sich diese Konstellation beim Management der Krise von 2007/08 für das Kapital gut bewährt - und kleiner sind die Krisen-Probleme nicht geworden.

Sozialabbau und Repression

Mit diesen Schlagworten könnte man treffend charakterisieren, was Wowereit und Henkel beraten und vereinbart haben (soweit es bis jetzt bekannt wurde).

In punkto Soziales ging es u.a. um Folgendes: Die CDU ist in Berlin gegen Mindestlöhne und will das Entsendegesetz kippen, welches die Vergabe öffentlicher Aufträge an Mindestlöhne und bestimmte Auflagen koppelt. Allerdings war es mit der Umsetzung dieser Regelung schon unter Rot/Rot nicht weit her, da sie über Subfirmen oft umgangen wurde.

Zahlreiche Kürzungen sollen erfolgen. So wird der von Rot/Rot eingerichtete Öffentliche Beschäftigungssektor, in dem Langzeitarbeitslose durch Lohnzuschüsse 1.200 Euro erhielten,  nicht weitergeführt. Dafür soll es nur noch die deutlich schlechter bezahlten Bundes-Programme wie z.B. Ein-Euro-Jobs geben.

Die Sozialausgaben sollen künftig einem „effizienteren Controlling“ unterzogen werden. Im Klartext heißt das: weniger Leistungen und mehr Schikanen für Arbeitslose.

Verschiedene Angebote zur Integration von MigrantInnen wie Stadtteilmütter, Integrationslotsen oder Dolmetscher sollen nur mehr befristet sein - können also jederzeit beendet werden.

Die CDU lehnt das kommunale Wahlrecht für AusländerInnen und eine doppelte Staatsbürgerschaft ab. Doch auch bei der Migrantspolitik muss gegenüber Rot/Rot nichts Grundsätzliches geändert werden. Auch mit der LINKEN im Senat waren Flüchtlinge abgeschoben worden. Mehrfach kam es deshalb im Abschiebeknast in Köpenick zu Hungerstreiks und Selbstmorden.

Einen deutlich schärferen Kurs fährt der SPD/CDU-Senat in der inneren Sicherheit. Konkret heißt das u.a.:

250 neue Polizeistellen werden geschaffen.

Der „Unterbindungsgewahrsam“ (den es schon unter Rot/Rot gab) soll von zwei auf vier Tage verlängert werden. Mit dieser Regelung können Leute schon auf den Verdacht hin, sie könnten eine Straftat begehen, in Gewahrsam genommen werden.

Die Überwachung der linken Szene wird verstärkt. Als Vorwand dazu dienen die Anschläge auf Autos und die Bahn. Bisher gibt es jedoch gar keine Beweise für die Beteiligung von Linken, auch die bisher ermittelten Täter passten nicht in das Schema des „Links-Terrorismus“.

Die schon vom rot/roten Senat vorgenommenen Einschränkungen des Demonstrationsrechts und die Einbindung privater Sicherheitsdienste in die Polizeiarbeit werden weitergeführt.

Personell drückt sich diese repressivere Linie in der Ernennung von Udo Hansen (SPD) zum Berliner Polizeipräsidenten aus. Er machte sich bundesweit u.a. damit einen Namen als Hardliner, dass er besonders brutal gegen AsylbewerberInnen vorging. Seit 2008 arbeitete Hansen für den Rüstungskonzern EADS.

Nachdem die LINKE wieder in der Opposition ist, gibt sie sich wieder „oppositionell“, einige aus ihre Führungsriege wurden erstmals seit Jahren auch wieder auf linken Demos gesehen. Doch wir sollten den geschassten Mitregierern trotzdem immer wieder aufs Brot schmieren, dass auch sie es waren, die Sozialabbau, Privatisierung und Tarifbruch mitbetrieben haben. In diesem Sinne: Vorwärts und nicht vergessen!

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Nr. 164, November 2011
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*  Wie kann unsere Bewegung siegen?
*  Interview: Leiharbeit verbieten!
*  Solidarität: Rücknahme der Kündigung von Mehmet Sahin!
*  Stuttgart 21: Kämpfen statt (aus)verkaufen
*  Alpenland/CMF-Streiks: Wo bleibt ver.di?
*  Heile Welt
*  Berlin: Arm, aber "sicher"
*  Griechenland: Die Revolution und ihre Perspektiven
*  G20-Gipfel in Cannes: Im Schatten der Krise
*  Pakistan: Arbeiterinnen kämpfen um ihre Rechte
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*  Konflikt bei SMA: Kein New Deal für ZeitarbeiterInnen
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