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Gorleben

Castor stoppen - Kapital schottern!

Janosch Janglo, Neue Internationale 164, November 2011

Seit 1979 gibt es nun schon Anti-Atom-Proteste und sie wird es in dieser Form auch noch bis 2022 geben, nach dem Motto: „Nach dem Castor ist vor dem Castor“. Doch, so viele Menschen die Proteste auch auf die Straßen bzw. Gleise bringen mögen - sie reichen nicht, um die Castoren zu stoppen, geschweige denn einen raschen Atomausstieg durchzusetzen. Sie können den Castor verzögern, aber nicht aufhalten.

Es ist wieder ruhiger geworden um die Anti-AKW-Bewegung, doch dies ist wohl kaum die Ruhe vor dem Sturm. Nach den beeindruckenden Protesten während der Ereignisse um Fukushima im Frühjahr, bei denen Hunderttausende auf die Straßen gingen, ist die Bewegung nach dem beschlossenen „Ausstieg“ verunsichert und hat deutlich an Schwung verloren. Schon einmal ging nach dem rot-grünen Ausstiegsbeschluss 2001 der Anti-AKW-Bewegung die Luft aus. Ähnliches muss man auch für die diesjährigen Proteste rund um den Castor Ende November befürchten.

Probleme der Bewegung

Was sind die Gründe für dieses Auf und Ab der Bewegung?

Erstens verfügt die Bewegung - v.a. wegen der politischen Dominanz der Grünen u.a. kleinbürgerlicher Kräfte - über keine weiterführende gesellschaftspolitische Orientierung. Der Atom-Ausstieg wird nicht als Kampf gegen einen Teil des gesamten kapitalistischen Profitsystems gesehen. Es fehlt zudem an einer klaren Konzeption, wie die gesamte Energiewirtschaft umgestaltet werden kann. Kein Wunder, denn das würde die Frage aufwerfen, den gesamten kapitalistischen Produktions- und Reproduktionsprozess (z.B. Transportsektor) umzugestalten, was ohne Umwälzung der Eigentumsverhältnisse unmöglich ist. Zwar werden regenerative, „grüne“ Energie-Formen als Alternative zum Atom-Strom gepriesen und eine Vielzahl von dezentralen Energieerzeugern den Konzernen entgegen gestellt, doch eine wirklich alternative Energiewirtschaft würde eine demokratisch geplante Ökonomie erfordern, nicht nur einen „anderen“ Konkurrenz-Kapitalismus von Windmüllern oder Biogas-Erzeugern.

Zweitens ist dem Gros der Bewegung unklar, dass sie ohne die Verbindung mit anderen Bewegungen - und letztlich der Arbeiterklasse - niemals in der Lage sein kann, eine wirkliche Energie-Wende herbeizuführen. Ein erster Schritt, diesen Kampf erfolgreicher zu gestalten, heißt, ihn zu internationalisieren. Es gibt weltweit kaum eine ähnlich starke Anti-AKW-Bewegung wie in Deutschland. Daher  muss die Bewegung hier den Schulterschluss mit AktivistInnen in anderen Ländern - z.B. in Frankreich, dem Atomland Nummer eins in der Welt - suchen und gemeinsam weltweit den Widerstand organisieren.

Gemeinsame Aktionen wie die der belgischen und der deutschen Anti-AKW-Bewegung sind ein Schritt in die richtige Richtung. Ein weiteres Manko ist, dass die Bewegung mehr oder weniger im eigen Saft schmort, sprich kaum die Verbindung mit anderen Bewegungen sucht, z.B. mit der derzeit wieder aufkommenden Antikrisenbewegung. Immerhin haben beide denselben Gegner: das kapitalistische System! Warum solidarisiert man sich nicht mit den Streiks, die um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen kämpfen? Sind es nicht die Lokführer, die die Castoren transportieren? Streikende Bahnmitarbeiter während der Castortransporte könnten die Transporte wirklich stoppen, dann würden auch keine Prügelbullen helfen.

Ein wesentliches Problem der Bewegung besteht auch darin, dass die Linkspartei und auch große Teile der radikalen Linken sich den Ideen der Bewegung anpassen und keine grundlegend anderen Konzepte haben als die Grünen. Kein Wunder, dass z.B. die LINKE nicht oder kaum von den Anti-Atom-Protesten profitiert.

Die Grünen machen sich vom Acker

Schon jetzt ist offensichtlich, dass sich die meisten Grünen-Promis - so schnell sie nach der Laufzeitenverlängerung der schwarz-gelben Bundesregierung und nach Fukushima gekommen waren, als jede noch so kleine Provinzstadt immer montags in den Händen der Grünen schienen - schnell wieder hinter ihre Schreibtische verzogen haben, nachdem auch sie im Bundestag den Atom-„Ausstieg“ bis 2022 durchgewunken haben. Doch dieser „Ausstieg“ war v.a. ein Rettungsanker für die Bundesregierung, um die immer stärker werdende und sich radikalisierende Bewegung auf den Straßen zu befrieden. Die acht abgeschalteten AKW waren ein Bauernopfer der Stromkonzerne, um den Rest der Kraftwerke zu retten und für diese sogar noch eine längere Laufzeit als die weltweit durchschnittlichen 32 Jahre Laufzeit auszuhandeln.

Außerdem hat man ja im letzten Jahr gesehen, wie schnell solche Beschlüsse wieder auf dem Müllhaufen „neuer“ Regierungen landen können. Bürokraten wie Cem Özdemir von den Grünen zeigen dann auch, dass sie auch die Anti-AKW-Bewegung dort sehen will: „Anti-Atom-Sticker bräuchte man nur noch für die globale Auseinandersetzung.“ Hier gilt es für die Grünen, die Basis wieder zu beruhigen, um nicht erneut bei starken Protesten unter Zugzwang zu geraten und dann, als Verräter beschimpft, von den Gorlebener Äckern zu desertieren.

Doch das Problem der Grünen (wie der LINKEN) besteht nicht zuerst darin, dass sie keine Bewegung wollen, sondern darin, dass sie unfähig und unwillig sind, die Bewegung über den Punkt hinaus zu führen, an den sie „spontan“ von selbst kommt. Gerade dann, wenn es notwendig und möglich ist, eine große Massenbewegung weiter zu bringen, versagen diese Parteien konzeptionell, weil sie sich weigern, wirklich gegen den Kapitalismus zu kämpfen und ihn als Grundübel zu begreifen.

Gorleben bleibt Gorleben

Die 50.000 TeilnehmerInnen, die an den letzten Protesten gegen den Castor teilgenommen haben, werden Ende November wohl kaum erreicht werden. Dabei hat sich gerade in der Problematik Gorleben nichts geändert, denn Gorleben macht ganz deutlich: es gibt keine Lösung für die Endlagerung! Die Abschaltung aller Kernkraftwerke erst 2022 verschärft das Problem noch, denn bis dahin werden weitere 2.565 Tonnen hochradioaktiven Atommülls produziert werden.

Es ist schlichtweg unmöglich, radioaktiven Müll sicher über lange geologische Zeiträume endzulagern, schon gar nicht in einem Salzstock, der komplett von Gaseinschlüssen durchzogen ist. Da hochradioaktiver Müll Wärme entwickelt, dehnen sich dadurch auch die Gase aus. Dies führt zu Spannungen und damit irgendwann auch zu Mikrorissen im Salzgestein. Trotzdem wird immer noch an Gorleben festgehalten!

Vorerst werden zwar die ankommenden Behälter „nur“ oberirdisch aufbewahrt, da Gorleben noch in der Erkundung ist. Dass die oberirdischen Lagerhallen aber nicht wirklich besser sind als ein Kartoffellager, zeigen die über den Grenzwert erhöhten Strahlenwerte, die am Zaun des Geländes gemessen und seit Jahren schöngerechnet werden. Seit 2003 wurde die Hintergrundstrahlung, die von den Messwerten abgezogen werden muss, als viel zu hoch angegeben, so dass die Messwerte unter den Grenzwert sanken.

Nach dem GAU ist vor dem GAU

Fukushima hat weltweit zu einem Aufschwung der Anti-AKW-Bewegung geführt und einen großen Teil der Bevölkerung auch für radikalere Positionen, wie der entschädigungslosen Enteignung der Energiekonzerne sensibilisiert. Denn eines ist durch diesen Supergau in einem hochindustrialisierten Land wie Japan deutlich geworden: jeder Tag länger, an dem der Betrieb der AKW in Händen von Kapitalisten liegt, ist ein Schritt in Richtung nächste Katastrophe.

Bloße Proteste reichen nicht, so berechtigt und notwendig diese auch sind. Es ist vielmehr notwendig, die Arbeiterklasse - v.a. die Beschäftigten in der Energiewirtschaft - für den Kampf zu gewinnen.

Sofortige Rücknahme aller Strafanträge gegen AktivistInnen von „Castor schottern“! Keine Repressalien gegen den Castor-Widerstand!

Internationale Kontakte zu UmweltaktivistInnen, Gewerkschaften - v.a. von TransportarbeiterInnen und in der Energiewirtschaft - und antikapitalistischen Parteien (z.B. NPA in Frankreich) zur Mobilisierung gegen AKWs und Atomtransporte!

Forderungen an reformistische Massenorganisationen (Gewerkschaften, SPD, LINKE), Widerstand und Umweltschutzaktivitäten mobilisierend, logistisch und finanziell zu unterstützen!

Schnellstmöglicher geplanter Ausstieg aus der Atomkraft und fossilen Energieträgern! Arbeiterinspektionen und -kontrollen in allen Energieeinrichtungen, insbesondere den AKWs!

Offenlegung aller Verträge und Geschäftsunterlagen der Atomindustrie!

Entschädigungslose Enteignung der Energiekonzerne - unter Arbeiterkontrolle!

Umstellung von Produktions- und Transportsystemen in Richtung auf Energieeinsparung, massive Erforschung und Einsatz von umweltschonenden und erneuerbaren Energieträgern!

Erforschung und Festlegung von Eignung und Sicherheitsstandards sowie Entscheid für atomare Endlagerung unter Kontrolle der Arbeiterbewegung und der örtlichen Bevölkerung!

Ersatzarbeitsplätze für freigesetzte Arbeitskräfte der Atomindustrie in gesellschaftlich sinnvollen Bereichen!

Bezahlung aller Maßnahmen aus Unternehmerprofiten und Spekulantengewinnen!

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Nr. 164, November 2011
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