Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Gegengipfel zum Treffen der EU-Bildungsminister in Wien

Bildung statt Bologna!

Theo Tiger, Neue Internationale 148. April 2010

Als die EU-Bildungsminister sich zum 10jährigen Jubiläum des „Bologna-Prozesses“ in Wien und Budapest trafen, gab es von europäischen AktivistInnen einen Gegengipfel auf dem Campus in Wien. Am 11. März gingen mehr als 5.000 Studierende und SchülerInnen gegen den Bildungsabbau, welcher unter der Überschrift „Bologna“ stattfindet, auf die Straße.

Neoliberale Reformen

Diese Reformen stehen für Kürzungen, Privatisierung und Studiengebühren; sie stehen für Verschulung und Verkürzung des Studiums; sie stehen für die Interessen der Wirtschaft in der Bildung.

Der „Bachelor“-Abschluss (BA) ist ein verlängertes Grundstudium, durch den die AbsolventInnen schneller auf den Arbeitsmarkt kommen. Der „Master“ (MA) ist stark reglementiert, nur die Notenbesten des BA dürfen noch weitere vier Semester studieren. Bologna bedeutet Einschränkung der Lehre und Selektion der Studierenden.

Dagegen gibt es seit vielen Jahren Protest und Widerstand an den Universitäten, im letzten Herbst gab es eine Besetzungswelle in Österreich und Deutschland sowie einzelne Besetzungen in Italien, Polen, Schweiz, Kroatien, Serbien und den Niederlanden. Beim Gegengipfel in Wien sollten die weiteren Perspektiven der Proteste und unser Verständnis von Bildung diskutiert werden.

Positiv war, dass in Wien viele AktivistInnen aus Europa anwesend waren - neben Österreich und Deutschland auch Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland, Serbien, Kroatien. Auch verschiedene europäische Gewerkschaften beteiligten sich. Die politischen Gruppen traten meist offen auf - ganz anders als auf den Bildungskonferenzen hierzulande. Es gab einen intensiven internationalen Austausch über die Erfahrungen im Bildungsstreik und einen starken antikapitalistischen Akzent bei Redebeiträgen und Forderungen.

Negativ war, dass es leider zu überhaupt keinem Ergebnis, zu keiner Erklärung oder gemeinsamer Perspektive kam!

Am Freitag und Samstag gab es jeweils eine Podiumsdiskussion, auf denen die studentischen AktivistInnen eher spärlich vertreten waren. Am Samstag saß ein Genosse von REVOLUTION UK als einziger Studierender am Podium.

Ansonsten traten die Gewerkschaften zwar kämpferisch auf, allerdings nur, um für ihre eigenen Mobilisierungen zu werben, wie den Anti-Lissabon-Agenda-Gipfel in Brüssel. Von der Vorbereitungsgruppe gab es keine Planung, was vom Gipfel ausgehen soll, oder ob dieser Gegengipfel ein Anfang für weitere europäische und internationale Treffen und Koordinierung sein soll. So wurden auch die am Samstag zahlreich veranstalteten Workshops nicht einer breiteren Masse vorgestellt - Diskussionen und Ergebnisse blieben den Teilnehmenden vorbehalten.

REVOLUTION am Gegengipfel

REVOLUTION veranstaltete zusammen mit der französischen Basisgewerkschaft SUD etudiants einen Workshop zum Thema „Gewerkschaften und Bildungsstreik und die Frage des Aufbaus einer europäischen SchülerInnen- und Studierenden-Gewerkschaft“.

Für uns ist eine entscheidende Frage, ob aus den zahlreichen internationalen Protesten mehr werden kann, als bloßer Erfahrungsaustausch. Natürlich ist auch das wichtig, natürlich zeigt auch dies die internationale Perspektive von Angriffen und kann auch inspirieren und motivieren - aber politisch muss diese Bewegung den nächsten Schritt, d.h. den Aufbau von internationalen Proteststrukturen, vorantreiben.

Die Besetzungen 2009 und der internationale Protesttag am 17.11. zeigten die Möglichkeiten des Widerstands auf (in Deutschland mit ca 60 aktiven Unis, am 17.11.2009 in mehr als 30 Staaten Proteste) aber gleichzeitig ihre taktischen und politischen Schwächen.

Die Besetzungen waren selten eine Massenbewegung, meistens getragen von nur 20-50 AktivistInnen. So brachen die Besetzungen Anfang 2010 zusammen. Außer dem Protesttag am 17.11. gab es keine gemeinsamen internationalen Aktivitäten, es gab keine Treffen von den AktivistInnen in den Unis (außer gelegentliche Besuche, oder regionale Konferenzen), keine gemeinsame Struktur, um den Protest zu verbreitern und auch keine gemeinsame politische Stoßrichtung. Ebenso entfernten sich die Studierendenproteste schnell von den SchülerInnenprotesten in Deutschland  und Österreich, gemeinsame Kämpfe mit Azubis gab es gar nicht. Stattdessen haben wir in Deutschland z.B. Bildungskonferenzen, die keine Entscheidungen treffen wollen, die in endlosen Konsensdebatten die Bewegung hemmen und informelle Strukturen zwar munter erzeugen, aber davor zurück schrecken, der Demokratie durch Mehrheitsentscheidungen Geltung zu verschaffen.

Als nächstes internationales Treffen wird der Education Congress vom 25.-30. Mai in Bochum wichtig. Gemeinsam mit internationalen AktivistInnen organisiert die ISM (International Students Movement) diesen Kongress. Die ISM ruft seit 2005 zu internationalen Protesttagen gegen Bologna auf, ihr Netzwerk erstreckt sich über alle Kontinente und ist derzeit die einzige internationale Vernetzung des Protestes.

Wir rufen alle AktivistInnen, Gewerkschaften und Organisationen dazu auf, sich an diesem Kongress zu beteiligen! Dort können wir die Bewegung gegen Bologna weiterentwickeln. Es wird dort wichtig sein, gemeinsame Absprachen zu treffen und Perspektiven zu entwickeln. Wir brauchen ein Konzept zur Beteiligung der SchülerInnen und Azubis, wir brauchen ein politisches Selbstverständnis und eine gemeinsame Ausrichtung mit den sozialen Kämpfen gegen Kapitalismus und Krise.

Nächste Termine im Bildungsstreik

22.4.: dezentrale Aktionen in Nordrhein-Westfalen

5.5.: landesweite Demo in Düsseldorf

13.-15.5.: nächste bundesweite Konferenz Darmstadt

25.-30.5.: Education Congress an der Ruhr-Uni Bochum

9.6.: bundesweiter Bildungsstreik

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 148, April 2010
*  Anti-Krisenbündnisse: Eine bittere Zwischenbilanz und ihre Lehren
*  IG Metall: Nach den Betriebsratswahlen
*  Unabhängige Betriebsgruppe Klinikum Bremen Mitte: Opposition ist möglich
*  Gegengipfel zum Treffen der EU-Bildungsminister: Bildung statt Bologna!
*  Bundeswehr an Schulen: Militarismus bekämpfen!
*  Honduras: Protestiert gegen den feigen Mord an Gewerkschaftsaktivist!
*  Volksbegehren in Thüringen: Gegen Kitaabbau und Herdprämie
*  Kirchenskandal: Vergewaltigung mit Heiligenschein
*  Heile Welt
*  Linksradikale in Antikrisenbewegung: Keine Forderung ist keine Lösung
*  Interview zu Südasien: Klassenkampf und revolutionäre Perspektiven
*  Cochabamba: Weltklimagipfel der sozialen Bewegungen
*  Griechenland: Im Würgegriff des deutschen Imperialismus