Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Frankreich

Wohin treibt die NPA?

Martin Suchanek, Neue Internationale 146, Februar 2010

Seit ihrer Gründung steht die „Neue Anti-Kapitalistische Partei“ (NPA = Nouveau Parti Anticapitaliste) im Blickpunkt vieler Linker und kämpferischer ArbeiterInnen in ganz Europa.

Die NPA hat sich von Beginn an deutlich links von Parteien wie Rifondazione, Linkspartei u.ä. positioniert. In ihrem Programm-Entwurf erklärte sie, dass der Kapitalismus nicht reformiert, sondern gestürzt werden müsse. Sie sprach sich dafür aus, dass die Partei nicht in bürgerlichen Regierungen mitarbeiten dürfe, keine auf Wahlen und Posten fixierte Organisation, sondern vielmehr eine Partei der AktivistInnen, der sozialen Bewegungen und Kämpfe sein müsse.

Die NPA und ihre führenden RepräsentantInnen aus der ehemaligen LCR (Ligue Communiste Revolutionaire, ehemalige Sektion der Vierten Internationale) traten auch für Arbeiterkontrolle und radikale Aktionsformen wie den politischen Generalstreik ein.

Allerdings zeigte die NPA von Beginn an politische Schwächen, die das Erbe der führenden politischen Kraft, der LCR, waren. So trat sie zwar für den politischen Generalstreik und „eine Alternative“ zum Kapitalismus, ja für eine Revolution ein, aber sie gab nicht an, wie diese zu erreichen sei. Die Frage der Machtergreifung, der Zerschlagung des bürgerlichen Staates und seine Ersetzung durch Räte und bewaffnete Organe der Arbeiterklasse blieb „offen“.

Doch auch in der „Tagespolitik“ setzte die NPA schlechte Traditionen fort. So agierte sie zwar vor besetzten Betrieben, unterstützte Streiks und radikale Kampfmethoden. Sie handelte sich dafür auch den Zorn der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie - besonders der CGT ein -, die der NPA vorwarf, sich in „Gewerkschaftsbelange“ einzumischen, also die sozialpartnerschaftliche Politik in Frage zu stellen.

Aber die NPA hat nie versucht, in den Gewerkschaften ihre Mitglieder und andere Militante als organisierte Opposition zu den Gewerkschaftsführungen um ein Programm der Eroberung der Gewerkschaften und den Aufbau einer Basisbewegung zu organisieren.

Die NPA Anfang 2009

Diese Schwächen zeigten sich auch deutlich, als der Kampf gegen die kapitalistische Krise in Frankreich einen ersten, vor-revolutionären Höhepunkt erreicht hatte. Im Januar und März 2009 fanden zwei riesige Generalstreiks mit mehreren Millionen TeilnehmerInnen und ebenso große Proteste im ganzen Land statt. Die NPA agitierte in dieser Bewegung richtig für die Losung des „unbefristeten Generalstreiks“.

Die Regierung war in der Defensive, was durch den Generalstreik in Guadeloupe im März weiter verschärft wurde. Die NPA unterstützte auch diesen Kampf und dessen anti-kolonialen und aufstandsähnlichen Tendenzen.

Aber die NPA versäumte es, um die Agitation gegen die Krise ihre gesamte Mitgliedschaft, ihre Ortsgruppen, die Mitglieder in den Gewerkschaften, die NPA-AnhängerInnen in den Vorständen kleinerer, kämpferischer Verbände gemeinsam und engagiert zu mobilisieren.

Sie nutzte diese Periode nicht, um die Losung des Generalstreiks energisch an die Führungen der Gewerkschaften wie auch an die anderen linken Parteien - besonders an die KP und die Parti de Gauche (PdG, Schwesterorganisation der dt. Linkspartei) - zu richten.

Sie versäumte es, dieser Forderung mit der Agitation für Kampforgane der ArbeiterInnen in den Betrieben - gewählte und abwählbare Streik- und Aktionskomitees - zu verbinden und diese landesweit zu koordinieren, um so räteähnliche Organe zur Vorbereitung und Führung des Generalstreiks zu schaffen.

Vielmehr war es jedem Mitglied, jeder Ortsgruppe der Partei überlassen, ob es etwas für die Generalstreiklosung machen wolle oder nicht. Manche taten viel, andere - v.a. solche, die reformistische oder rechts-zentristische Kräfte hatten - blieben passiv.

Das war um so fataler, als die NPA nicht einfach eine große Propagandagesellschaft ist, sondern eine, wenn auch noch kleine, Partei, die rasch rund 10.000 Mitglieder anzog - deutlich mehr als die „radikale“ Linke und auch als die dominierende politische Kraft, die LCR, die 2-3.000 Mitglieder zählte. Kurz, die NPA ist eine Partei eines bedeutenden Teils der Avantgarde, der bewusstesten und kämpferischsten Teile der Arbeiterklasse in Frankreich.

Demobilisierung

Aber gerade in der Krisenperiode von Januar bis März 2009 verabsäumte sie es, eine alternative Führung zur KP, zur PdG und zur Gewerkschaftsbürokratie zu etablieren und in den Betrieben zu verankern.

Das half nicht nur der Regierung, die stark in Bedrängnis war. Es half auch den Bürokraten in den reformistischen Parteien und in den Gewerkschaften, die ohnedies nie eine Machtprobe mit der Regierung wollten und die Basis mit zwei eintägigen Generalstreiks und einigen vagen Versprechen vertrösteten.

V.a. aber gelang es ihnen, das Ende der Generalstreikphase und schwächere Mobilisierungen zum Ersten Mai dafür zu nutzen, die Aufmerksamkeit der Arbeiterklasse und der Linken weg von der Frage der Zuspitzung und Radikalisierung der betrieblichen Kämpfe und Demos auf das sichere Gleis von Wahlen zu lenken.

Wende zu den Regionalwahlen

Ab Sommer 2009 dominierte die Vorbereitung der Regionalwahlen 2010 die Diskussionen in der französischen Linken - auch in der NPA!

Die PdG und die KPF gingen wie die links-liberale Öffentlichkeit unter der Losung der „Einheit“ in die Offensive. Zu den Regionalwahlen sollten gemeinsame Listen antreten. Die reformistischen Parteien argumentierten, dass die Regionalwahlen nicht nur zu einer Manifestation gegen Sarkozy's UDF werden müssten; sie sollten auch in möglichst vielen Wahlbezirken eine „linke Mehrheit“ mit der PS, den Grünen und auch mit MoDem (Mouvement démocrate; eine Abspaltung von Sarkozys UDF) sichern.

Nun lehnt die NPA seit ihrer Gründung ab, gemeinsame Regierungen mit offen bürgerlichen Parteien oder rechten Reformisten wie der PS zu bilden. Sie bestand auch für die Verhandlungen darauf, dass es keine gemeinsamen Listen geben könne, wenn nicht KP und Linkspartei einer solchen Haltung zustimmen und diese als Wahlversprechen vertreten würden. Dazu waren aber weder die KP noch die PdG bereit.

Als zweite Bedingung für ein Wahlbündnis erhob die NPA eine Reihe von Minimalforderungen. Sie verzichtete jedoch darauf, für ein revolutionäres Programm, für ein Programm von Übergangsforderungen bei den Wahlen zu agitieren.

Paralyse

Aufgrund der gegensätzlichen Haltung von KP/PdG und der NPA hinsichtlich des Eintritts in Regionalregierungen würden wohl die meisten Menschen denken, dass die Verhandlungen über einen gemeinsamen Wahlantritt vorbei wären und die NPA eigenständig antreten würde.

Nicht so die NPA-Führung! Trotz der durchaus klaren Haltung der KP setzte sie auf einen „Verhandlungskurs“, der vom Sommer 2009 bis Ende des Jahres dauerte. Über Monate wurden die Regionalwahlen zum Hauptthema der NPA, die Diskussion darum zur „Hauptaktivität“ der Organisation.

Dabei gab es genug Möglichkeiten für andere Aktivitäten (Unterstützung von Arbeitskämpfen, Bildungsproteste an Unis und Schulen, Streik der sans papiers).

Etliche Ortsgruppen waren dabei auch engagiert. Aber die Partei als ganze konzentrierte sich auf die Regionalwahlen - und zwar nicht auf den Wahlkampf, der erst jetzt beginnt, sondern auf die Frage von Wahlbündnissen. Das führte zu einem starken Niedergang der Aktivität der Mitglieder und in etlichen Ortsgruppen zu einer inneren Paralyse.

Drei Flügel

Die Debatte nahm auch deshalb so viel Platz ein, weil sich in Führung und Basis drei Flügel gebildet hatten. Auch auf der Tagung der nationalen Leitung der NPA im November 2009 zeigten sich klar drei Strömungen.

Der rechte Flügel der Partei sprach sich nicht nur für eine Fortsetzung der Verhandlungen über eine gemeinsame Liste aus, sondern erhob diese überhaupt zur strategischen Aufgabe. Er entspricht im Grunde einer Rückkehr zur Politik der LCR (v.a. ihres rechten Flügels) vor Gründung der NPA, der in der Schaffung einer „pluralen Linken“ unter Einschluss der linken Reformisten das strategische Ziel sah. Dieser Flügel war und ist auch bereit, Wahlbündnisse und zukünftige Regionalregierungen unter Einschluss von PS und MoDem einzugehen. Um zu viel Aufregung in der Partei zu vermeiden, schlug dieser Flügel vor, solche Entscheidungen nach den Wahlen „auf regionaler Ebene“ zu treffen.

Das Zentrum der Partei, dem die wichtigsten Parteiführer der NPA, der ehemaligen LCR und der Vierten Internationale wie Besancenot angehören, schlug hingegen kritischere Töne an. Die Verhandlungen liefen „schlecht“, was v.a. an der starren Haltung der KP hinge, die überdies versuche, die NPA nicht nur politisch, sondern auch hinsichtlich der Listenplätze zu benachteiligen. Aber auch das Zentrum lehnte einen Schlussstrich unter die monatelangen Verhandlungen ab. Es schlug einen neuen Anlauf zur Verständigung vor, weil sie fürchtet, dass die Reformisten ansonsten der NPA die „Spaltung der Linken“ und ein etwaiges schlechtes Wahlergebnis in die Schuhe schieben könnten. Nur, falls weitere Verhandlungen erneut scheitern, schlug da Zentrum vor, selbst zu kandidieren.

Der linke Flügel der Partei, der sich auf einige größere Ortsgruppen (wie Mulhouse) und die Führungsmitglieder der LO-Fraktion stützen, lehnte weitere Verhandlungen ab. Es sei sinnlos, weiter Zeit darauf zu verschwenden. Vielmehr müsse die NPA aus ihre Fixierung auf die Diskussion um Regionalwahlen herauskommen und wieder zu einer aktivistischen Partei werden, die in betriebliche Kämpfe interveniert, Kampagnen startet und Widerstand aufzubauen versucht. Die Wahlen sollten zur Agitation für ein Sofortprogramm gegen die Krise genutzt werden, wie es Lutte Ouvrier (LO) Ende der 1990er in Wahlkämpfen gemacht hatte.

Auch wenn diese „Sofortprogramme“ von LO keine revolutionären Aktionsprogramme waren und auch der linke Flügel der nationalen Leitung keine solches Programm formuliert, so war seine Kritik ein Schritt vorwärts.

Auf Leitungsebene unterstützen rund die Hälfte den Vorschlag des Zentrums, etwas 30 Prozent den der Rechten und etwa 20 Prozent den der Linken. Die Leitung der NPA beschloss daher, die Mitglieder zu den drei Optionen zu befragen. So sollte eine strittige Entscheidung noch mit dem unverbindlichen „Votum“ der Mitgliedschaft gestützt werden. Aber das Votum, bei dem die UnterstützerInnen der Liga für die Fünfte Internationale zur Unterstützung des Vorschlags der Linken aufriefen, brachte ein überraschendes, ja beunruhigendes Ergebnis.

Überraschend war, dass es kein klares Ergebnis gab. Das Zentrum erhielt 1.554 oder 36 Prozent der Stimmen, die Rechten 1.358 oder 31,5 Prozent und die Linken 1.232 oder 28,5 Prozent.

Die NPA zerfällt also in drei Lager, die jeweils rund ein Drittel der Mitglieder repräsentieren. Das Zentrum ist in der Mitgliedschaft schwächer als die Rechte und die Linke, was dafür spricht, dass es zu einer Polarisierung in der Partei kommt.

So weit so gut. Beängstigend ist freilich die geringe Anzahl der abgegebenen Stimmen von rund 4.500 - zumal auch schriftlich abgestimmt werden konnte. Das zeigt, dass die Inaktivität und Konzentration auf die „Wahldebatte“ zu einer Schwächung der NPA geführt hat, die noch Anfang 2009 rund 10.000 Aktive vereinte.

Wie weiter?

All das zeigt, dass in der NPA eine Kursumkehr dringend notwendig ist. Dazu muss sich der linke Flügel in der Partei organisieren! Die Partei muss die strittigen strategischen Fragen klären. Dazu ist ein Notkongress notwendig! Die Alternative ist klar: Entweder geht die NPA den Weg eines links-reformistischen Anhängsels von KP/PdG, wie von der Rechten vertreten oder sie wird zu einer Kampforganisation, die, gestützt auf ein Aktionsprogramm einen revolutionären Ausweg für die französische Arbeiterklasse weist und eine wirkliche Alternative zum Reformismus darstellt. Dafür kämpfen unsere GenossInnen in der NPA!

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 146, Februar 2010
*  Tarifrunden 2010: Gewerkschaftsbürokratie bereitet Katastrophe vor - wir müssen sie stoppen!
*  IG Metall: Kampf statt Co-Management!
*  Beschäftigte fordern anderen Kurs
*  Schwarzbuch Bahn: Wem die Kritik zu weit geht ...
*  Tarifrunde Öffentlicher Dienst: Kampfkraft oder Kaufkraft?
*  Nazi-Aufmarsch in Dresden: Anti heißt Klassenkampf
*  Linkspartei: Bürokraten im Clinch
*  Frankreich: Wohin treibt die NPA?
*  L5I: Französisches Bulletin erscheint
*  Trotzkismus in Nepal: REVOLUTION-Sektion gegründet
*  Gründungserklärung von REVOLUTION-Nepal
*  Haiti: Teufel als Helfer
*  Afghanistan-Konferenz in London: Imperialismus in der Zwickmühle
*  München: Nein zur NATO-Sicherheitstagung