Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Piratenpartei

Do not enter!

Rolf Rabe, Neue Internationale 142, September 2009

Möglicherweise werden etliche Jüngere und Computer-Freaks ihr Kreuz bei der Piratenpartei machen. Allerdings enthält ihr Wahlprogramm zu den meisten wesentlichen politischen Fragen keine Positionen. Dieses Manko wird mit Populismus "ausgeglichen". Die Piratenpartei ist ein klassenübergreifendes Projekt, das allerdings gerade deshalb umso stärker dem Einfluss der bürgerlichen  Ideologie wie dem Druck der bürgerlichen Verhältnisse nachgeben wird. Das stolze Piratenschiff wird im nächsten Sturm kentern ...

Klar ist allerdings, dass sich die "Piraten" v.a. für Bürgerrechte und einen transparenten Staat einsetzen - angesichts der zunehmenden Unterhöhlung demokratischer Rechte durch den Staat und der zunehmenden Repression gegen die illegale Nutzung von Software, Downloads usw. berechtigt und verständlich. Diese Ambitionen der Piratenpartei sind ganz sicher unterstützenswert - doch sollte man die Piratenpartei auch wählen?

Mehr Überwachung, die angeblich der Terrorbekämpung dient, aber natürlich auch zur Eindämmung von Widerstand nutzbar ist, sind eine klare Einschränkung der Freiheit. Dies fängt mit der Speicherung des gesamten Email-Verkehrs an und hört bei Ausweisen mit Fingerabdrücken noch lange nicht auf. Die Rechte der Bevölkerung auf geschützte Privatsphäre und Kommunikation sind wichtige demokratische Rechte. Deshalb sind Forderungen wie jene nach Aufhebung der Vorratsdatenspeicherung und für die Wiedereinführung der generellen Unschuldsvermutung berechtigt und wichtig.

Doch die Piratenpartei sieht die Gesellschaft nicht als das, was sie ist: eine Klassengesellschaft. Sie fordert einen Staat, der frei ist von Lobbyismus und Korruption. Der Staat steht aber nicht neutral über allen "Bürgern", sondern er ist ein Machtinstrument der herrschenden Klasse, der Kapitalisten.

Weiter unterscheidet die Piratenpartei zwischen materiellen und immateriellen Gütern. Letztere sollen von Patenten, Verwertungsrechten und Lizenzen befreit werden, um Fortschritt für die gesamte Menschheit zu ermöglichen. Doch auch "immaterielle" Güter wie Software fallen nicht vom Himmel. Sie werden von Unternehmen entwickelt, um diese Technologie exklusiv anwenden und damit einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, oder sie werden als Lizenzen verkauft. Im Kapitalismus werden eben auch immaterielle Dinge wie Bildung, Computersoftware und effizientere Produktionsabläufe zur Ware und können nicht vom Markt entkoppelt werden. So werden z.B. jährlich weltweit hunderttausende Todesopfer durch das Verbot der "billigen" Nachproduktion von Medikamenten in Kauf genommen, um die Profite durch die Originalmedikamente zu sichern.

Eine Lösung dieses Dilemmas kann nur durch die vollständige Freigabe aller Patente und Urheberrechte erreicht werden. Das aber wäre ein direkter Eingriff in das Verfügungsrecht über das Privateigentum. Er würde im Grunde die Enteignung des Kapitals und die Kontrolle von Produktion und Verteilung durch die Arbeiterklasse voraussetzen. All das wäre auch mit einer Überwindung von Marktbeziehungen und der Konkurrenz verbunden.

Diese gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge spielen für die Piratenpartei jedoch keine Rolle. Ihrem Projekt liegt die kleinbürgerliche Illusion zugrunde, dass der Kapitalismus reformiert und von einigen Übeln befreit werden könnte. Das aber ist nur möglich, wenn der Kampf um Ziele, wie sie der Piratenpartei vorschweben, mit Mitteln des Klassenkampfes geführt werden; es ist nur aussichtsreich, wenn dafür die Arbeiterklasse mobilisiert wird; es ist nur realistisch, wenn der alltägliche Kampf mit dem Ziel des Sozialismus verbunden ist.

Von all dem ist das Konzept der Piratenpartei weit entfernt. Zudem macht es keinen Sinn, eine Partei zu unterstützen, die sich nur auf wenige Ziele konzentriert. Ein solches "Ein-Punkt-Projekt" ist nicht etwa schlagkräftiger als eine "richtige" Partei, sondern im Gegenteil schwächer, weil es in der Realität keinen Bereich gibt, der "gesondert" verändert werden könnte. Zudem stützt oder beruft sich die Piratenpartei auch auf keine Klasse. So fehlt ihr letztlich auch die soziale Kraft, um selbst ihre begrenzten Reformvorschläge umzusetzen.

Aus diesen Gründen meinen wir: Ja zu gemeinsamen Aktionen mit den "Piraten" gegen Überwachung und Profitmacherei durch Patente usw., aber keine Stimme bei Wahlen.

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 142, September 2009
*  DIE LINKE wählen, aber: Den Widerstand organisieren!
*  Wirtschaftskrise: Talsohle erreicht - Krise vorbei?
*  Soziale Lage: Wen trifft die Arbeitslosigkeit?
*  Opel/GM: Wer sich der nationalen Logik verschreibt, wird darin untergehen!
*  Kernenergie: Atomkraft als Klimaretter?
*  Faschisten und Rassisten in Europa: Rechte auf dem Vormarsch
*  Piratenpartei: Do not enter!
*  Heile Welt
*  Theoriegeschichte: 100 Jahre Hilferdings "Das Finanzkapital"
*  Britannien: Neue Arbeiterpartei - Gebot der Stunde!
*  Afghanistan: Wahlfarce im Bombenhagel