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Bahn

Sieg dem GDL-Streik!

Martin Suchanek, Neue Internationale 125, November/Dezember 2007

Der Streik der Lokführer könnte zu einem Wendepunkt im aktuellen Klassenkampf werden. Er trifft

a) zentrale Stellen der Gesamtwirtschaft;

b) ist er nicht einfach ein defensiver Streik, sondern tritt mit einer offensiven, wenn auch zunächst v.a. ökonomischen Forderung auf;

c) richtet er sich objektiv gegen die Bahn-Privatisierung, also einem zentralen Projekt von Kapital und Regierung;

d) steht er im Widerspruch zur Politik von Transnet und DGB, die über Jahre die Privatisierung der Bahn und die Konzerninteressen zum obersten Gebot ihres Handels gemacht haben.

Daher werden die Lokführer auch im ganzen Land der „Terrorisierung“ des Landes bezichtigt, die Gerichte bemüht, das Ende von freiem Unternehmertum und des „Aufschwungs“ beschworen.

Alle Appelle zur „Mäßigung“ durch Regierung, bürgerliche Presse, Unternehmerverbände und DGB-Gewerkschaftsbonzen laufen darauf hinaus, dass die LokführerInnen ihren Kampf einstellen und endlich „vernünftig“ sein - sprich: nachgeben sollen.

Wir müssen hier wohl nicht wiederholen, dass die Forderungen der GDL und der Streik mehr als berechtigt sind. Das sagen nicht nur die Streikenden. Das sieht auch die Mehrheit der Bevölkerung so.

Aber es ist klar, dass die GDL und die Streikenden mit harten Bandagen zu rechnen haben. Praktisch alle Mächtigen im Land haben sich hinter Mehdorn und die Bahn AG gestellt, weil sie die strategischen Ziele der Privatisierung gefährdet sehen und auch einen „Nachahmungseffekt“ eines erfolgreichen und langwierigen Kampfes der GDL fürchten.

Diese Furcht mag zwar dazu führen, dass Mehdorn und Transnet-Chef Hansen gezwungen werden, über ihren Schatten zu springen und der GDL einen Tarifvertrag zuzugestehen - was bald auch das Ende dieser beiden bedeuten würde. Auf diese Weise mögen Teile des Kapitals und der Regierung hoffen, dass sich ein Streik der GDL nicht mit Organisierung des Unmut größerer Teile der Bevölkerung verbindet, eine Radikalisierung unter den Lokführern verhindert und die GDL-Führung doch noch in das „System Bahn AG“ eingebunden wird.

Aber wahrscheinlich ist das nicht. Vielmehr müssen sich die Streikenden auf einen harten Kampf einstellen. Das heißt aber auch, dass die Gunst der Stunde - spricht hohe Sympathie in der Bevölkerung - genutzt und weiter gesteigert werden kann.

Mit der ständigen Wiederholung seines Angebots hat der Bahnvorstand deutlich gemacht, dass er nichts wirklich geben will. Eine Rückkehr zum Ergebnis der „Vermittlung“ vom August wäre ohnedies fatal, weil diese schon weit reichende Zugeständnisse an die Bahn AG beinhaltete.

GDL-Führung zaudert

Doch die GDL-Führung zaudert, den Kampf radikal auszuweiten. Nach den ersten Streiks im Güterverkehr vom 8.-10. November will sie weiter an der Taktik festhalten, befristete Streiks in einzelnen Bereichen durchzuführen.

Der Vorsitzende der GDL Berlin-Brandenburg-Sachsen lehnte in einem Interview mit der Berliner Zeitung einen unbefristeten Streik ab. Vielmehr wolle er bei den geplanten Streiks vom 14.-16. November auch die B-Bahnen in Berlin und Hamburg außen vor lassen - als „Zeichen an die Pendler.“

Eine solche Taktik spielt dem Bahnvorstand in die Hände, der im Moment gerade hofft, auf Zeit zu spielen und dass sich die GDL in schrittweisen Arbeitsniederlegungen zermürbt.

Viele KollegInnen an der Basis wollen hier mehr. Sie erkennen, dass der Druck weiter erhöht werden muss.

Damit würde noch einmal unterstrichen, dass es die Lokführer Ernst meinen und nicht bereit sind nachzugeben. Genau das - nicht irgendwelche klugen „Teiltaktiken“ - hat ihnen bisher die Sympathie in der Bevölkerung gebracht.

Zweitens würde eine unbefristeter Vollstreik bei der Bahn nicht nur den Konflikt zuspitzen, er würde auch die Gefahr des Streikbruchs verringern, Zwang zum Nacharbeiten stoppen und schließlich erlauben, die Energien und Entschlossenheit der relativ wenigen LokführerInnen und anderen GDL-Mitglieder bei der Bahn dazu zu nutzen, die anderen Bahnbeschäftigten wie auch die Bevölkerung zur aktiven Solidarität zu gewinnen und zu organisieren.

Dazu sind aber zwei Dinge nötig:

Einerseits eine Diskussion unter den LokführerInnen und GDL-Mitgliedern über die Streiktaktik und eine Festlegung der Taktik und etwaiger Verhandlungen durch gewählte, ihrer Basis verantwortliche und abwählbare Streikkomitees. Diese Frage stellt sich unmittelbar jetzt. Wer entscheidet über befristeten oder unbefristeten Streik? Wer entscheidet bei etwaigen neuen Angeboten? Wer entscheidet, wie auf etwaige zukünftige Streikverbote zu reagieren ist? Der Vorstand der GDL? Der geschäftsführende Vorstand? Oder die Streikenden selbst, indem sie Delegierte wählen, die beraten und entscheiden?

Andererseits der Aufbau aktiver, organisierter Solidarität. Das betrifft unmittelbar die Bahn selbst. Die KollegInnen von Transnet und GdBA müssen an die Seite der GDL gezogen werden. Das heißt aber auch, dass die GDL nicht nur ihren Tarifkampf sehen darf, sondern die Interessen alle Beschäftigen bei der Bahn aufgreift, in Transnet eine Solidaritätsbewegung aufbauen hilft, die KollegInnen von Transnet zum Kampf für die Verbesserung ihres Tarifvertrags ermutigt.

Denn ein gemeinsamer Tarif aller Beschäftigten, der die Arbeitszeit für alle drastisch reduziert, Neueinstellungen erzwingt und die Lohnsteigerung aller zum Ziel hat, ist nicht nur notwendig, sondern auch ein Mittel gegen die Hetze der Presse und von Transnet, dass es den LokführerInnen nur um ihren eigenen Arsch ginge.

Ebenso geht es darum, aktive Solidaritätskomitees in Stadtteilen usw. zu bilden, die den GDL-Streik unterstützen und mit dem Kampf gegen die Privatisierung der Bahn verbinden. Hier muss die GDL ihre halbherzige Position zur Privatisierung überwinden. Bisher lehnt sie nur die „Privatisierung in ihrer jetzigen Form“ ab - eine Formel, die angesichts der aktuellen Situation Tür und Tor für eine Neuauflage der Bahnprivatisierung in neuer Form öffnet.

Dahinter steckt aber ein grundsätzliches Problem der GDL-Politik und ihrer Führung. Die GDL hat diesen Streik in der Hoffnung begonnen, einen begrenzten ökonomischen Kampf zu führen, an dessen Ende ein Spartentarif stünde. Ansonsten war sie durchaus bereit, die konzerninternen Vorgaben anzuerkennen, was ihr Vorsitzender Schell auch ständig wiederholt.

Doch ohne es zu wollen, ist sie in einen politischen Konflikt geraten, weil ihr Streik die Bahnprivatisierung und das bisher gut laufende System der Integration der Bahnbeschäftigten in die Unternehmensziele über die Achse Mehdorn-Hansen in Frage stellt.

Um aber diesen Kampf zu gewinnen, muss der Angriff des Kapitals von den Lokführern als politischer Kampf begriffen werden! Das ist von der DGL-Spitze nicht zu erwarten, noch wird das einfach spontan aus der DGL erwachsen. Es ist vielmehr die Aufgabe der GewerkschafterInnen in anderen Gewerkschaften, der linken BasisaktivistInnen sowie der politischen Linken dem eine Stoßrichtung und Form zu geben, sprich den Kampf und die Solidaritätsarbeit zum Aufbau einer klassenkämpferischen Basis zu nutzen. Eine bundesweite Konferenz von Vertrauensleuten und Gewerkschaftern zur Unterstützung des Streiks wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Unterstützt die Forderungen der GDL! Für einen eigenen Tarifvertrag der GDL!

Unbefristeter Streik bis zur Erfüllung dieser Forderungen!

Für Streikkomitees und Solidaritätskomitees zur Unterstützung des Arbeitskampfes und zur Verhinderung von Streikbruch! Die KollegInnen bei Transnet/GdBA sollen die Aufkündigung ihres Tarifvertrags und eine gemeinsame Streikfront erzwingen!

Für den Fall von neuerlichen Verboten des Streiks: Politischer Massenstreik aller Gewerkschaften!

Rücknahme der Preiserhöhungen bei der Bahn! Kostenloser Nahverkehr! Stopp aller Privatisierungen! Kein Börsengang der Bahn AG!

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Nr. 125, Nov./Dez. 2007
*  Bahn: Sieg dem GDL-Streik!
*  Börsengang: Was steckt hinter der Privatisierung?
*  IG Metall Gewerkschaftstag: Durchmarsch der Rechten
*  SPD: Beck to the roots?
*  Kopftuchverbot: Die große Scheinheiligkeit
*  Sozialforum: Wie weiter?
*  Heile Welt
*  NLO: Am Scheideweg
*  Linke Zeitung: Antikommunistische Märchenstunden der Minderheit
*  Linksruck: Selbstliquidation als Erfolgsstory
*  Neue Großmacht? Wohin geht China?
*  Pakistan: Nieder mit dem Ausnahmezustand
*  Solidarität mit den KurdInnen!