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Rifondazione Comunista

Italienische Lehren

Frederik Haber, Neue Internationale 119, April 2007

Die Parteitage von L.PDS und WASG haben alles klargemacht für den Anschluss der letzteren. Die Jubelchöre klingen. Von der „Bildung einer pluralistischen gesamtdeutschen Partei der Linken“ singen auch Bischoff und Radke in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift „Sozialismus.“ Als negatives Gegenbeispiel zur L.PDS erscheint ihnen Frankreich, wo fünf KandidatInnen der Linken gegeneinander antreten.

Leider schweigen Bischoff/Radke, der „Sozialismus“ und die gesamte Führungsriege von L. PDS und WASG zur Entwicklung in Italien, wo es links von der sozialdemokratischen DS vor allem die Rifondazione Comunista (Kommunistische Neugründung, RC) gibt - eine Schwesterpartei der L.PDS in der Europäischen Linkspartei.

RC sitzt nicht nur im Parlament, sondern auch in der Regierung Prodi. Ein Mitglied dieser Partei war es, der im Februar im Senat gegen die Außenpolitik der Regierung gestimmt hatte, gegen die Verlängerung und Verstärkung des Militäreinsatzes in Afghanistan und gegen den Ausbau der US-Basis in Vincenza. Mit dem Scheitern dieser Politik trat Prodi zurück - um sofort danach erneut die Regierung zu bilden und der gesamten Mitte-Links-Koalition sein Programm zu diktieren.

Turigliatto, der dissidente Senator, wurde sofort aus der Partei ausgeschlossen, die er selbst mitgegründet hatte. Die Partei entschuldigte sich öffentlich für sein Verhalten und kroch vor Prodi zu Kreuze. Brav stimmten sie für Truppenentsendungen, die US-Basis, Angriffe auf die staatliche Rente und das umstrittene Projekt einer Hochgeschwindigkeitstrasse durch Naturschutzgebiete. So darf Rifondazione weiterhin in der Regierung sitzen.

Das Schweigen von L.PDS und WASG zu diesem Vorgehen spricht Bände. Andere Mitglieder der Europäischen Linkspartei verteidigen sogar das Vorgehen ihrer italienischen GenossInnen. Es ginge ja darum, Berlusconi zu verhindern.

L.PDS und WASG schweigen aus gutem Grund: Die Regierungsbeteiligung der L.PDS in Berlin hat dieser die Hälfte der Wählerstimmen dort gekostet und die vereinbarte Vereinigung mit der WASG gefährdet. Dabei haben die L.PDS-SenatorInnen doch „nur“ Privatisierung und Tarifbruch zugestimmt, nicht der Entsendung imperialistischer Truppenkontingente. Eine ehrliche Diskussion der italienischen Erfahrung hätte denjenigen, die den Anschluss an die L.PDS kritisieren, noch Mal Auftrieb gegeben.

Im Grunde ist die RC aber genau der Typ Partei, den Gysi und Lafontaine wollen: Protest und Widerstand einfangen, auf dem Boden des Systems halten und entschärfen. Die dabei abfallenden Ministerposten sind eine willkommene Zugabe.

CWI/SAV

Wie aber reagiert die Linke in Deutschland auf die Ereignisse? Die internationale Organisation der SAV schreibt dazu: „Das CWI in Italien, Lotta per il Socialismo, argumentiert, dass es nicht zu spät ist, um innerhalb der PRC gegen die fortgesetzte Teilnahme an einer kapitalistischen Regierung und für ein authentisch antikapitalistisches Programm mit sozialistischen Methoden zum Wiederaufbau der Partei eine Kampagne zu führen.“

Wie in Deutschland die L.PDS noch einmal reformiert werden soll, so also auch in Italien. Auch hier ist das Komitee für eine Arbeiterinternationale (CWI) bereit zugunsten einer vermeintlichen günstigen Parteiaufbau-Konzeption, nämlich der Arbeit in einer reformistischen Partei, eine Politik mitzumachen, die sie selbst als neoliberal und pro-imperialistisch bezeichnen. Sie fordern zwar den Austritt aus der Regierung und den Kampf für eine „wahrhaft sozialistische Alternative,“ verbreiten aber den Glauben, dass das mit einer Partei funktionieren soll, die sich gerade auf der anderen Seite der Barrikade befindet. Der Begriff „kommunistisch“ ist dabei nicht entscheidend.

Ob sich eine Partei kommunistisch oder sozialistisch nennt, sagt nichts über ihren wirklichen Charakter. Schon gar nicht der Begriff „links“. Der Charakter wird durch das Programm und die Aktionen der Partei entschieden, ob die Partei sich auf den Boden des Kapitalismus stellt und diesen reformieren will oder ob sie ihn stürzen will. Ob sie den bürgerlichen Staatsapparat bekämpft oder „benutzen“ will, was immer darauf hinausläuft benutzt zu werden.

Diese Konzeption des CWI, in der RC zu bleiben, ist umso schlimmer, da sich nach ihren eigenen Worten: „eine echte Krise entwickelt. Es herrscht Enttäuschung, es herrscht Wut. Wegen der Entscheidung über die US-Basis, kam es in der Region Vicenza bereits zu massenhaften Austritten aus der PRC. Dasselbe steht jetzt im Susatal wegen des TAV-Projekts bevor. Viele jüngere Mitglieder des Sinistra Critica-Flügels und einige Schichten der (ehemals stalinistischen) Ernesto-Fraktion der PRC überlegen, die Partei zu verlassen.“

Das Gegenteil ist also richtig: Ein Bruch mit RC hätte schon vor einem Jahr, beim Regierungseintritt stattfinden müssen. Dann würden jetzt die Strukturen existieren, die verhindern, dass enttäuschte Mitglieder und WählerInnen in Zersplitterung und Isolation verfallen!

Keinen Bruch mit der RC wollen auch die Anhänger der IV. Internationale, zu denen auch Turigliatto gehört. Protest gegen den Ausschluss aus Fraktion und Partei, Verzicht auf das Senatorenamt, aber keinen Kampfaufruf gegen diejenigen, die für Truppen in Afghanistan stimmen.

Ja, letzten Endes stimmte Turigliatto noch einmal für Prodi. Die internationalen Solidaritätsaktionen fordern im Grunde nur die Meinungsfreiheit für Sozialisten in dieser Partei. Dieser „Pluralismus“ ist allerdings heftig abzulehnen. Was wäre denn im umgekehrten Falle? Wenn RC wirklich eine kommunistische Partei wäre und einzelne Senatoren würden für den Krieg stimmen? Natürlich müssten sie sofort ausgeschlossen werden! Die ganze Erfahrung der Arbeiterbewegung zeigt, dass Abgeordnete schärfstens kontrolliert werden müssen! Sie neigen dazu, dem Druck des bürgerlichen Staatsapparates und der bürgerlichen Parteien nachzugeben. Das Problem von RC ist nicht, wie sie Politik in den eigenen Reihen durchsetzt, sondern welche Politik.

Die Regierungskrise in Italien wirft ein Schlaglicht auf die hohlen Phrasen von einer „pluralistischen Linken“ und auf die falsche Vorstellung, man könne eine Partei der Linken bilden, in der die einen etwas linker sind als die anderen. Sie ist genauso illusorisch wie der Glaube, eine solche Partei könne stückweise nach links verschoben werden, bis sie irgendwann revolutionär ist, ohne es selbst zu merken.

Es gibt einen Graben zwischen Systemerhaltung und Kampf für seine Zerstörung. Wer Reformen und andere Forderungen der Massen unterstützt, um sie davon zu überzeugen, dass diese System gestürzt werden muss und diese Kämpfe dazu nutzen will, die Ausgangsbedingungen für diesen Kampf zu verbessern, bleibt revolutionär.

Wer Reformen durchführen will, um nur das Leben der Ausgebeuteten erträglicher zu machen, und dazu an die Regierung will, der muss die Existenz des Systems anerkennen, seine Notwendigkeiten und die Interessen der herrschenden Klasse. Dann ist egal, ob auf der Packung „sozial“ oder „kommunistisch“ steht: der Inhalt ist bürgerlich.

Das klägliche Verhalten der Anhänger der IV. in Italien ist ein Abbild ihrer isl-GenossInnen in der WASG, die ebenfalls für die Freiheit kämpfen, in einer „antikapitalistischen Linken“ ihre Meinung zu äußern und in der Praxis den Führungen so wenig wie möglich weh zu tun.

Linksruck

Was aber hat Linksruck zu diesem Thema zu sagen, die Gruppe, die seit der Gründung der WASG in beispielhaftem Opportunismus die rechte Führung unterstützt und Wahlkampf für den SPD/PDS-Senat in Berlin betrieben hat? Für einen de facto- Unterstützer des SPD/PDS-Senats findet Chefredakteur Bornost erstaunliche Worte:

„Mittlerweile führt Berlusconi in den Meinungsumfragen, weil sich die vormaligen Prodi-Wähler aus Enttäuschung über den Sozialabbau der Regierung von ihr abwenden. Die Unterstützung des vermeintlich ‚kleineren Übels' der Prodi-Regierung hat dem ‚größeren Übel' Berlusconi, das die Rifondazione-Führung verhindern wollte, wieder den Weg an die Macht geebnet. (...) Durch die Bedingungen, die Prodi an seine weitere Regierungszeit geknüpft hat, wird ein weiteres Argument für den Verbleib der Rifondazione in der Regierung vollends hinfällig, nämlich, dass die Rifondazione in der Regierung ‚linke Akzente' setzt, oder Prodi gar zu einem ‚Bruch mit dem Neoliberalismus' treibt, wie Parteichef Bertinotti behauptet. Prodi hat die Regierungskrise benutzt, um das Programm der Koalition kräftig nach rechts zu verschieben - von den Projekten der Rifondazione bleibt nichts.“ - so viel, wie von den Projekten der L.PDS im Berliner Senat, möchte man ergänzen.

Sollen KommunistInnen denn nun auch mit RC brechen, sollen sie zur Bildung einer neuen Arbeiterpartei aufrufen? Dazu schweigt Bornost und erklärt: „Dabei zeigte sich wenige Tage vor der Regierungskrise, worin die Alternative zum Verbleib in der Regierung liegt. Mehr als hunderttausend Menschen demonstrieren im norditalienischen Vicenza gegen den Ausbau des US-Militärstützpunkts Ederle. Der Zug war sechs Kilometer lang und richtete sich sowohl gegen den US-Krieg im Nahen Osten als auch gegen die Außenpolitik der Prodi-Regierung. Im Aufbau solcher Bewegungen liegt die Perspektive für die italienische Linke - egal ob unter konservativen oder sozialdemokratischen Regierungen.“

Italien ist das Land in Europa, in dem die meisten und größten Bewegungen und Streiks stattgefunden haben: gegen Krieg, zur Verteidigung der Rente, zur Verteidigung der Bildung usw. Wie entsteht aus diesen Bewegungen eine politische Kraft zur Änderung der Verhältnisse? Alles was Bornost dazu einfällt, ist: weiter in Bewegung bleiben!

Aus unserer Sicht zeigen die italienischen Ereignisse, dass der Aufbau einer neuen Arbeiterpartei und Internationale nicht nur dazu da ist, die Kräfte zu bündeln und die Kämpfe zu koordinieren, sondern auch, um sich schnell die nötigen Erfahrungen aus den Ländern anzueignen, die in der Entwicklung schon weiter sind.

Ein zentraler Punkt bei der Bildung „neuer“ Formationen wie der RC oder der WASG in Deutschland ist doch, dass sie selbst nicht nur „programmatisch unzulänglich“ sind, sondern dass sich in diesen Parteien auch eine systemintegrative Kraft bildet. So richtig ein Kampf in diesen Parteien war, um dafür zu kämpfen, die proletarische Basis für den Kommunismus zu gewinnen, so notwendig ist es, den Bruch mit diesen Parteien vorzubereiten und zu vollziehen, je mehr sich die bürgerliche Richtung verfestigt.

Politisch nicht nur falsch, sondern auch ausgesprochen dumm wird eine solche Politik aber, wenn sich - wie in der RC - die AktivistInnen und fortgeschrittensten Teile der Klasse sich in großer Zahl von ihr abwenden, die „Linke“ aber trotzdem in ihr verbleibt.

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Nr. 119, April 2007
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