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Rente mit 67

Massenstreiks gegen Renten-Demontage!

Peter Lenz, Neue Internationale 116, Dezember 2006/Januar 2007

Eine Gesellschaft muss auch daran gemessen werden, wie sie mit Menschen umgeht, die aus dem Produktionsprozess, aus dem Arbeitsleben ausscheiden.

Wenn wir die kapitalistische Gesellschaft an diesem Kriterium messen, fällt das Ergebnis schlecht aus.

Für die große Masse der Arbeitenden und Erwerbslosen ist Altersarmut vorprogrammiert. Selbst bei einem „mustermäßigen“ Arbeitsleben werden die Renten für den weitaus größten Teil sehr schmal sein. Die bürgerlichen Politiker mahnen, private Vorsorge zu treffen. Doch für die meisten ist das - Riesterrente hin oder her - nur in einem sehr beschränkten Maße möglich.

Armut macht Rendite

In diesem Zusammenhang gibt es ein weiteres Problem. Alle Anlagen in eine private Altersicherung oder andere Formen von Rücklagen führen in diesem System dazu, das dieses bei Banken und Versicherungen eingezahlte Geld von diesen in Kapitalsfonds umgewandelt wird. Diese Fonds sollen bestimmte Renditen (Erwartung 12-18 Prozent) bringen.

Genau dieses Kapital tritt den jetzt noch Arbeitenden und zukünftigen RentnerInnen feindlich entgegen. Personalkosten werden als rendite-mindernd angesehen, so dass jede Ankündigung einer Entlassungswelle an der Börse zu steigenden Kursen führt. Darauf haben diejenigen, die sich Geld für eine Altersversorgung abknapsen, herzlich wenig Einfluss.

Ganz im Gegenteil: Oft führt dieses Kapital, dass aus angelegten Vorsorgebeiträgen stammt, zu einer Vernichtung von Arbeitsplätzen, die bei den Betroffenen zum Abrutschen in Hartz IV führen. Das hat wegen geringerer Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung die weitere Absenkung der Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung zur Folge.

ALG 2-EmpfängerInnen müssen Geldanlagen, die nicht „verrentungsfähig“ sind, auflösen und zur Sicherung ihrer Existenz verwenden.

Bliebe das Argument, Rücklagen doch in einer Form anzulegen, die später nur „verrentet“ werden  können. Diese sind vor der Anrechnung auf ALG 2 vorerst noch sicher. Das führt aber dazu, dass die Gelder noch länger in profitheischenden Fonds auf dem Kapitalmarkt unterwegs sind - mit den oben beschriebenen Auswirkungen.

Ein Teufelskreis mit verheerenden Auswirkungen, die Folge der Rentendemontage, die unter Rot/Grün vorangetrieben wurde (natürlich auch schon von den Vorgängerregierungen). Die Große Koalition will dies mit der Einführung eines späteren Renteneintrittsalters weiter verschärfen. Dies ist schlicht und einfach eine Rentenkürzung für die breite Masse.

Wie ein Hohn für jetzige und zukünftige „Normal-RentnerInnen“ wirken die Bemühungen bürgerlicher Politiker, ihre üppigen Renten vor Gericht noch weiter aufzubessern. Bürgerliche Kreise tun die Empörung darüber als „Sozialneidsdebatte“ ab.

Doch die Wut über die Rentenpolitik ist tiefgreifend und nährt sich auch aus der Ausgrenzung und Aussichtslosigkeit von Menschen, die mit über 50 Jahren kaum eine Chance haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. In bestimmten Branchen setzt diese Grenze schon bei 40 Jahren an.

Jetzt beginnt sich diese Wut auch in Aktionen umzusetzen. Wir wissen von Warnstreiks und Kundgebungen in Esslingen, Stuttgart-Bad Cannstadt, Tübingen, Salzgitter (Warnstreik von 4000), Saarland und anderswo, wo es zuletzt betriebliche Aktionen gab.

Von den Gewerkschaftsführungen wird erwartet, dass sie zu effektiven Aktionen aufrufen - also zu Streiks, die Kapital und Regierung wirklich zu Zugeständnissen zwingen können. Die Belegschaften sollten, und dies in Zusammenarbeit mit Erwerbslosen und anderen, Eigeninitiative ergreifen. Nach den bisherigen Erfahrungen ist zu befürchten, dass die Spitzen der DGB-Gewerkschaften es bei symbolischen Handlungen belassen werden oder dass als Kampfziel angegeben wird, dass „man wieder einmal an die Türen der Abgeordneten klopfen“ kann. Auch Unterschriftenlisten sind zwar tauglich, um Aktionen vorzubereiten; aber sie können Aktionen ebenso wenig ersetzen wie der Gang vor die Gerichte.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Die Planung, Proteste am Tag der Abstimmung im Bundestag durchzuführen, dürfte sich als falsch erweisen, denn dann ist die Sache gelaufen. Anfang 2007 wird sich für Arbeitende und Erwerblose, Jugendliche, RentnerInnen mit der Mehrwertsteuer das Leben erheblich verteuern. Benzin, Heizkosten, Benutzung von Bahn und öffentlichen Verkehrsmitteln werden teurer, hinzukommen wahrscheinlich steigende Krankenkassenbeiträge u.a. Das ist der „Konjunkturaufschwung,“ der deshalb auch von vielen als eindeutige Verschlechterung der Lage gesehen wird. Dieses Zusammentreffen von Angriffen könnte die Menschen sehr schnell in großer Zahl auf die Straße bringen. Aber nichts passiert von selbst.

Neben der Zögerlichkeit der Gewerkschaftsspitzen ist es fatal, dass die Linkspartei/WASG schon jetzt als „unsicherer Kantonist“ betrachtet werden muss und im Ruf steht, von ihren Forderungen das meiste zu vergessen, wenn erst mal der Regierungssessel oder auch nur ein „Bündnis“ mit der Gewerkschaftsbürokratie erreicht ist. Dann werden die politischen Vorgaben der DGB-Funktionären zur Richtschnur für die eigenen Forderungen. Oder es wird überhaupt nur noch von Sachzwängen geredet, wenn der Sozialabbau mit der Linkspartei, wie in Berlin, vonstatten geht.

Widerstand - aber wie?

Die Renten-Demontage stellt einen zentralen Angriff auf die gesamte Arbeiterklasse dar. Sie kann in ihrer Gesamtheit nicht nur durch politische Massendemonstrationen gestoppt werden - dazu ist ein politischer Massenstreik bis hin zum Generalstreik notwendig!

Doch dieser fällt nicht vom Himmel, sondern muss - gegen den Widerstand der Gewerkschaftsführung - erkämpft werden. Dafür ist es unbedingt notwendig, Aktionen und eine Massenmobilisierung von den Gewerkschaften einzufordern, bis die reaktionären Rentenpläne vom Tisch sind. Doch gegenüber den Bürokraten im DGB und den Einzelgewerkschaften verbietet sich jedes Vertrauen.

Die Forderungen an die bestehenden Führungen müssen mit dem Aufbau von Kampfstrukturen verbunden werden, die von der Basis kontrollierte werden. Vertrauensleute, kämpferische ArbeiterInnen sowie Betriebsräte können und müssen dabei eine zentrale Rolle spielen. So kann der Kampf - wenn möglich - mit der Gewerkschaftsführung geführt, wenn möglich aber auch ohne sie organisiert werden.

Zugleich würden solche Strukturen die Grundlage für eine klassenkämpferische Basisbewegung in den Betrieben und Gewerkschaften legen, welche die Organisationen der Kontrolle und Führung der Bürokratie entreißen kann.

Die Rente ist natürlich nicht nur eine betriebliche Angelegenheit, noch steht sie isoliert von den anderen Attacken auf die Lohnabhängigen, die Jugend oder die Alten da. Der Kampf muss daher mit dem Kampf gegen die gesamte Offensive der Koalition - insbesondere gegen die Hartz- und Agenda-Gesetze - verbunden werden.

Um die Arbeitslosen, Jugendliche und andere von den Angriffen Betroffenen in die Aktionen einzubeziehen, sollten Aktionsbündnisse in den Stadtteilen aufgebaut werden. Einzelne Beispiele und Ansätze dafür gibt es schon. Diese müssen bekannt gemacht und verallgemeinert werden.

Daher: Für bundesweite Massendemonstration und Massenstreiks gegen die Rentendemontage!

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Nr. 116, Dez. 2006/Jan. 2007

*  2007: Neue Jahr - neue Kämpfe
*  Rente mit 67: Massenstreiks gegen Renten-Demontage!
*  Stuttgart: Erfolgreiche Aktionen gegen Rentenreform
*  WASG-Parteitag: Point of no return
*  Perspektive: Netzwerk Linke Opposition aufbauen!
*  Deutsche EU-Präsidentschaft: Der Hindukusch ist nicht genug
*  Anti-G8-Mobilisierung: Klüngelei oder Kampf?
*  Landwirtschaft: Grüne Gentechnik - kapitaler Blindflug
*  Heile Welt
*  Erfolg der niederländischen SP: Rote Tomaten wachsen
*  USA nach den Wahlen: Bushs letzte Tage?