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Weltlage

Krise und Klassenkampf

Martin Suchanek, Neue Internationale 110, Mai 2006

Der Erste Mai 2006 ist geprägt von einer Zuspitzung der Widersprüche der internationalen Politik.

Unverhohlen drohen die USA und ihrer europäischen Verbündeten dem Iran mit einem Militärschlag bis hin zum Einsatz von Nuklearwaffen. Die Israelische Regierung hungert derweil die Palästinensische Bevölkerung aus, um die Hamas-Administration zum „Friedensprozess“ zu zwingen und einen Bürgerkrieg unter den PalästinenserInnen zu provozieren. Die EU bereitet ihre nächste „Friedensmission“ im Kongo vor.

Doch diese Offensiven des Imperialismus sind zugleich die Kehrseite verschärfter Konkurrenz zwischen den großen kapitalistischen Blöcken sowie regionalen Mächten, die sich nicht umstandslos in die globale imperialistische Weltordnung einordnen lassen wollen.

Der konjunkturelle Aufschwung der Weltwirtschaft, der wesentlich von der Nachfrage der US-Wirtschaft getragen wird, kaschiert die grundlegenden Krisentendenzen des globalen Kapitalismus nur notdürftig. Der massiven Überakkumulation von Kapital, den Überkapazitäten und dem tendenzielle Fall der Profitraten begegnet die herrschende Klasse durch massive verschärfte Ausbeutung der Lohnabhängigen und der „Dritten Welt“. Daher heißt ihre Parole aktuell auch: Generalangriff.

Globaler Widerstand

Die Erfolge der Arbeiterbewegung und der Jugend, v.a. in Frankreich, haben den sozialen Bewegungen zweifellos eine Atempause verschafft, in der sie sich umgruppieren und in die Offensive gehen können und müssen.

Sie tun das auch vor dem Hintergrund zunehmenden weltweiten Widerstandes gegen die Herrschaft des Imperialismus:

der Widerstand im Nahen Osten;

die Revolution im Nepal (und ihre Ausstrahlung nach Indien und China);

die Entwicklungen in Lateinamerika, von Bolivien bis Venezuela;

die Massendemonstrationen der Latinos in den USA, das Anwachsen der dortigen Anti-Kriegsbewegung und der für den Ersten Mai geplante Generalstreik;

die vorrevolutionäre Situation in Frankreich.

Auf unterschiedliche Art drückt sich darin nicht nur der Wille zum Widerstand aus. Darin kommen auch die revolutionären Tendenzen in der aktuellen Weltlage zum Vorschein.

Zweifellos leben wir noch immer in einer Periode der Offensive des Imperialismus, der herrschenden Klasse. Es ist eine Offensive, die - ob hier oder woanders auf dem Globus - selbst nach erfolgreichen Abwehrkämpfen nicht abebben wird.

Im Gegenteil: die Herrschenden werden ihre Offensive mit anderen Mitteln verschärften. Daher auch das massive Anheizen des Rassismus, v.a. in der Form des Anti-Islamismus und im Namen der „demokratischen Werte“, die künftig an der Rütlischule oder in Von der Leyens Kindergärten eingebläut werden sollen.

Der rassistische Mordversuch von Potsdam wird hier von allen bürgerlichen Seiten zynisch missbraucht. Schönbohm und Schäuble waschen die deutschen Nazis rein und schieben die Schuld für den Rechtsextremismus der alten DDR in die Schuhe, während die Thierses und alle anderen wohlmeinenden Demokraten das zivil-couragierte Aufstehen der bürgerlichen Gesellschaft gerade zur Legitimation zunehmender innerer Repression und ihres äußeren ökonomischen und politischen Expansionsdrangs nutzen.

Schließlich soll die Welt auch bei der Fussball-WM wissen, dass sie „in Deutland willkommen ist“, v.a. wenn sie weiter ihre Märkte für deutsche Waren und Investoren öffnen.

Dafür soll zum gegenseitigen Schutz von 22 Balltretern nicht nur der Schiedsrichter, sondern auch die Bundeswehr anrücken und schon für den Sommer 2007 üben - wenn die sieben mächtigsten Staaten der „Welt“ in Heiligendamm zu Gast beim achten imperialen Freund sind.

Doch die Herrschenden greifen in ihrer Politik nicht nur auf die „demokratischen Werte“, schlagenden oder „kultivierten“ Rassismus zurück, nicht nur auf verschärfte Repression, Terrorlisten, Aushebelung demokratischer Rechte, Inlands- und Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Gerade in Europa und in der BRD dienen die Spitzen der Gewerkschaften und der reformistischen Parteien der herrschenden Klasse nach wie vor als wichtige Reserve, als Agentur des bürgerlichen Systems in der Arbeiterbewegung. Die Streiks im Öffentlichen Dienst und das Nicht-Stattfinden der Tarifstreiks in der Metall- und Elektroindustrie zeigen das.

Noch mehr wird das darin deutlich, dass die längst überfällige Mobilisierung gegen die sozialen Zumutungen der Großen Koalition immer wieder hintangestellt wurde. Die Demonstration am 3. Juni in Berlin wird deshalb ein wichtiger Test dafür, ob sich auf der Straße eine starke bundesweite Bewegung gegen den Angriff der Regierung zeigt.

Reformismus in der Krise

Wie schwer z.T. die Spitzen des Reformismus unter Druck sind, zeigen zugleich die Angriffe der Bürokratie auf oppositionelle GewerkschafterInnen wie z.B. die KollegInnen um „Die Alternative“ bei Daimler Stuttgart. Es zeigt sich auch dann, wenn sich eine kämpferische politische Alternative formiert, wie z.B. in der Berliner WASG, die lediglich einforderte, dass eine Kandidatur gegen den Neoliberalismus nicht selbst neoliberale Senatspolitik machen dürfe.

Das genügte aber schon, um nicht nur die Berliner PDS, sondern auch den WASG-Bundesvorstand und den heiligen Oskar auf den Plan zu rufen - für einen Kreuzzug gegen das angebliche Sektierertum der Berliner WASG.

Diese panische Reaktion zeigt, dass die Spitzen auch der linken reformistischen Parteien keineswegs mehr so fest im Sattel sitzen, wie sie dies gern hätten und gern erscheinen lassen.

Der Erste Mai 2006 findet in einer Situation statt, in der sich auch in der BRD die widersprüchlichen Elemente der Weltlage verdeutlichen:

starke ökonomische Stagnationstendenzen; bewusstes Ausnutzen der Misere seitens der Kapitalisten und der Regierung, um daraus weitere Zugeständnisse von Belegschaften oder im Öffentlichen Dienst zu erpressen;

Angriffe der herrschenden Klasse auf vielen Fronten; insgesamt eine Stärkung der Regierung aufgrund ausgebliebener politischer Massenproteste auf der Straße;

Hinzu kommen vorübergehende Zugeständnisse an Arbeiterbürokratie und Aristokratie, um eine Verallgemeinerung von Widerstand zu verhindern;

massiver und zunehmender Unmut der Masse der Bevölkerung, der sich jedoch sehr unterschiedlich äußert - als Wut, Resignation und Hoffnungslosigkeit bei vielen; aber auch im Entstehen einer, wenn auch noch nicht miteinander verbundenen, Schicht von AktivistInnen in Betrieben (z.B. in den Streiks), unter Erwerbslosen, z.T. in der WASG. Die Ereignisse in Frankreich verdeutlichen außerdem, dass es in relativ kurzer Zeit auch in der BRD zu einer massiven Radikalisierung der Jugend kommen kann.

Wie weiter?

Nach den politischen Erfahrungen der letzten Jahre stellt sich jedoch folgende Frage: Wie kann dieser Unmut, wie können immer wieder auftauchende Protestbewegungen (z.B. die Montagsdemos) oder lang anhaltende, aber oft isolierte Abwehrstreiks (z.B. AEG Nürnberg, Gate Gourmet Düsseldorf, CNH Berlin) zu einer gemeinsamen gesellschaftlichen und politischen Bewegung zusammengeschlossen werden?

Dazu ist es notwendig, über die rein ökonomische Ausrichtung v.a. der Gewerkschaften hinauszugehen. Das Kapital und seine Regierung haben einen allgemeinen, politischen Angriff lanciert, auf den eine allgemeine, gesellschaftliche und politischen Antwort (und nicht bloß eine sektorale) notwendig ist.

Wir unterstützen daher die bundesweite Demonstration gegen die Angriffe der Regierung in Berlin am 3. Juni, um den sozialen und betrieblichen Protest auf der Straße zu bündeln.

Wir unterstützen die Mobilisierungen gegen den G8-Gipfel 2007, weil sie zu einem Focus werden können und müssen, um die Solidarität mit den Kämpfen gegen imperialistische Ausbeutung und den Angriff des globalen Kapitals zu bündeln.

Wir unterstützen daher alle Versuche, am Europäischen Sozialforum in Athen (in der Folge der in Florenz 2002 wie in Caracas 2006 beschlossenen internationalen Aktionstage) gemeinsame, internationale Aktionstage zu vereinbaren - von Massendemonstrationen bis hin zu koordinierten internationalen Streiks gegen die nächsten Angriffe der EU (Arbeitszeitrichtlinie, Privatisierungen z.B. im Bildungssektor).

Wir unterstützen in der WASG (und in der PDS.Linkspartei) alle sichtbaren Strömungen, die sich dafür einsetzen, dass eine neue bundesweite Partei eine Partei der Aktion, des Protestes und des Widerstandes wird - und nicht eine weitere sozialdemokratische Parlamentsvereinigung.

Wir unterstützen auch die Eigenkandidatur der Berliner WASG zu den Landeswahlen trotz unserer Kritik an ihrem reformistischen Programm.

In all diesen Mobilisierungen und Auseinandersetzungen treten wir einerseits für möglichst große Aktionsbündnisse ein, die alle Kräfte der Linken und Arbeiterbewegung, der Jugend, der MigrantInnen, der Unterdrückten umfassen sollen, die gegen imperialistischen Krieg, neoliberale Angriffe und Rassismus kämpfen wollen.

Wir wissen aber auch, dass es in der Bewegung genug Bremser gibt, die zwar vorgeben, kämpfen zu wollen, deren Perspektive aber nur das Lobbying, nur der Kampf um Parlaments- und letztlich Regierungssitze ist.

Wo diese Kräfte reale Massen repräsentieren, ist es unbedingt notwendig, sie zur Aktion aufzufordern und möglichst zu zwingen.

Dazu ist es aber auch notwendig, dass sich die radikaleren, entschlosseneren Teile der Bewegung selbst zusammenschließen. In den Gewerkschaften und Betrieben heißt das, für eine Basisbewegung, für eine klassenkämpferische Opposition zu kämpfen.

Unter der Jugend heißt das, für den Aufbau einer revolutionären, sozialistischen Massenbewegung der Jugend einzutreten.

Am Europäischen Sozialforum wie in den sozialen Bewegungen hierzulande heißt das, dafür einzutreten, sie zu realen Koordinationen von Kämpfen zu machen oder solche aufzubauen und sich mit alle jenen anti-imperialistischen oder anti-kapitalistischen Kräften zu verbünden, die eine ähnliche Stoßrichtung einschlagen wollen.

In den Kämpfen in der BRD, in Europa und auf anderen Kontinenten zeigt sich jedoch auch deutlich das Fehlen einer politischen Kraft die, die Interessen der Arbeiterklasse wirklich vertritt. Zweifellos gibt es eine ganze Reihe sozialdemokratischer oder ehemals stalinistischer Parteien, die sich sozial auf die Gewerkschaften und die Lohnabhängigen stützen - jedoch bürgerliche Politik machen.

Wir bezeichnen diese Parteien als bürgerliche Arbeiterparteien. Wir sehen auch deutlich, dass sich die meisten von ihnen in der gegenwärtigen Periode weiter nach rechts entwickeln. Deshalb bilden sich ja auch solche Formationen wie die Wahlalternative, die sowohl das Interesse eines Teils der Bürokratie repräsentieren, ein politisches Auffangbecken für unzufriedene ArbeiterInnen zu bilden, wie auch das Interesse von Lohnabhängigen, ein politisches Instrument zu schaffen, das ihre Interessen vertritt.

Neue Internationale

Wir treten dabei dafür ein, aus diesen Parteiansätzen Arbeiterparteien zu schaffen, die allen AktivistInnen und Strömungen aus den sozialen Bewegungen, den Gewerkschaften, der Linken offen stehen sollen. Wir treten in diesen Formationen dafür ein, dass solche Parteien von Beginn an auf revolutionärer Grundlage stehen - weil nur durch die Umwälzung der bestehenden, kapitalistischen Verhältnisse die Voraussetzung für die Befreiung aller Menschen von Ausbeutung und Unterdrückung gelegt werden kann.

In all diesen Entwicklungen geht es letztlich um die Formierung einer revolutionär-kommunistischen Organisation in der BRD und international. Ohne einen revolutionären Kern - sei er auch noch so klein -, der für ein Übergangsprogramm der sozialistischen Revolution kämpft, der darauf gestützt in existierende Bewegungen, in die Formierung neuer Parteien und in soziale und politische Kämpfe eingreift, ist das jedoch unmöglich.

Nur so kann die Schaffung neuer revolutionärer Arbeiterparteien und einer neuen Internationale Realität werden.

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Nr. 110, Mai 2006

*  Weltlage: Krise und Klassenkampf
*  Streik im Öffentlichen Dienst: Eine weitere Teilniederlage
*  WASG Berlin: Spreu und Weizen
*  Parteitage WASG/PDS: Neue Arbeiterpartei statt Top Down Projekt
*  Heile Welt
*  Iran: Vor einem neuen Krieg?
*  Kongo und der deutsche Imperialismus: Ein Platz an der Sonne?
*  20 Jahre Tschernobyl: Globaler Störfall
*  70 Jahre Revolution in Spanien, Teil II: Volksfront gegen die Revolution
*  Frankreich: Da war mehr drin!
*  Italien: Prodi hat gesiegt - fürs Kapital