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Aktionsprogramm

Vom Abwehrkampf zur sozialen Revolution!

Neue Internationale 103, August/September 2005

Nach dem 18. September geht der Generalangriff auf die Lohnabhängigen verschärft weiter – egal, wer an die Regierung kommt, egal, wie viele Prozente die Linkspartei erhält. Daher müssen Wahlkampf und Aufbau der Linkspartei zur Diskussion über die notwendigen Schritte zur Organisierung des Abwehrkampfes und zur Diskussion einer Strategie genutzt werden, die wir dem Kapital entgegenstellen.

Wir wenden uns vor allem an die Mitglieder, AnhängerInnen und WählerInnen der Linkspartei, aktive ArbeiterInnen in den Betrieben, AktivistInnen der Arbeitsloseninitiativen und Montagsdemos, Jugendliche, MigrantInnen – an all jene, die in den letzten Jahren schon gekämpft haben.

Wir begrüßen die Abwendung von Millionen von der SPD. Wir begrüßen, dass sich GewerkschafterInnen für die Wahl der Linkspartei und für ein Ende der Nibelungentreue zur SPD aussprechen.

Aber: dem organisatorischen Bruch mit der SPD muss auch ein Bruch mit ihrem reformistischen politischen Konzept folgen. Die Politik der SPD an der Regierung war kein Betriebsunfall, sondern entspringt ihrer grundsätzlichen Verpflichtung auf den Kapitalismus und den deutschen Imperialismus. Mit dieser Politik muss die Linkspartei brechen! Ansonsten wird sie dazu verurteilt sein, die Fehler der SPD innerhalb kürzester Zeit zu wiederholen. Was wir dringend brauchen, ist eine neue Arbeiterpartei, die eine Perspektive für den Abwehrkampf gegen den Generalangriff weist und ihn mit dem Kampf für die sozialistische Revolution verbindet.

Wir schlagen daher folgendes Aktionsprogramm zur Bildung eines revolutionären Flügels in der sich formierenden Linkspartei vor:

1. Kampf dem Generalangriff!

Fünf Millionen sind offiziell arbeitslos, weitere Millionen ohne Beschäftigung und soziale Absicherung, Abermillionen in ungeschützten, entrechteten und unterbezahlten Arbeitsverhältnissen. Die Privatisierung des Öffentlichen Dienstes, der Sozialversicherung, des Bildungswesens und der Renten wird weiter vorangetrieben. Gegen diesen Generalangriff ist massive, koordinierte Gegenwehr nötig und möglich. Zentrale Forderungen sind dabei: Kampf gegen alle Entlassungen! Für massive Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden/Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Gesetzlich garantierter Mindestlohn von 10 Euro/Stunde! Arbeitslosengeld in Mindesthöhe von 1500 Euro/Monat!

Der Kampf zur Rücknahme aller Hartz- und Agendagesetze, für das Verbot von Leiharbeit, gegen die Aushöhlung des Kündigungsschutzes und gegen die Angriffe auf das Tarifrecht ist ein wichtiger Ausgangspunkt für weitergehenden Widerstand.

In der gegenwärtigen Krisenperiode kann dieser Abwehrkampf aber nicht zu einer neuen Periode von "sozialer Sicherheit", "Wachstum" oder gesicherter Existenz führen, wie uns Gysi oder Lafontaine einreden wollen.

Warum? Weil sie die Kapitalistenklasse und die Regierung von ihrem Ziel, die Lohnabhängigen und ihre Organisationsstrukturen, ihre noch vorhanden betrieblichen und gewerkschaftlichen Rechte und Kampfmöglichkeiten zu zerstören, nicht abbringen werden. Auch jeder erfolgreiche Abwehrkampf wird zu einem neuen, verschärften Angriff der herrschenden Klasse führen.

Das heißt, dass wir den Abwehrkampf als Mittel zur Mobilisierung und Politisierung nutzen müssen und zum Aufbau von Kampf- und Mobilisierungsstrukturen, welche die Verfügungsgewalt des Kapitals in Frage stellen und die Aktionen unter die Kontrolle der Arbeiterklasse und aller anderen Kämpfenden stellen.

Gegen Schließungen und Entlassungen treten wir für die entschädigungslose Enteignung dieser Unternehmen unter Kontrolle der Beschäftigten ein. Gegen die Privatisierung des Öffentlichen Dienstes treten wir für dessen Kontrolle durch Komitees der Beschäftigen und NutzerInnen ein.

Es ist eine Lüge, dass "zu wenig Arbeit" vorhanden wäre. Es gibt genug gesellschaftlich nützlich Aufgaben, die brach liegen: Jugendzentren werden geschlossen, Schulen verwahrlosen, weil Gelder gestrichen werden, in den Krankenhäusern herrscht gesundheitsgefährdender Personalmangel. Daher treten wir für ein Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten, kontrolliert von den Beschäftigten und NutzerInnen ein – finanziert durch die Besteuerung von Kapital und großer Vermögen.

2. Aktionskomitees in Betrieben und Stadtteilen! Für eine bundesweite und europaweite Koordinierung des Abwehrkampfes!

Solche Forderungen sind nur durch Mobilisierung durchsetzbar, durch Streiks bis hin zum politischen Generalstreik, durch Besetzungen und Blockaden.

Sie sind nur durchsetzbar, wenn wir in den einzelnen, oft isolierten Abwehrkämpfen für eine Perspektive eintreten, die diese Kämpfe mit dem politischen Kampf gegen Regierung und Kapital verbindet.

Wir treten daher für die Bildung von Aktionskomitees in den Betrieben, den Stadtteilen, an den Unis und Schulen ein, um den Abwehrkampf zu organisieren und direkt unter die Kontrolle der Betroffenen zu stellen. Die Aktionskomitees müssen von deren Versammlungen gewählt werden, diesen rechenschaftspflichtig und abwählbar sein.

Wir treten dafür ein, dass die bestehenden Sozialforen- und Bündnisse zu solchen Aktionskomitees werden. Nur so können sie eine Rolle als Aktionszentren für den Widerstand spielen.

Ein solche Struktur ermöglicht eine wirklich breite Einbeziehung aller Betroffenen – ob organisiert oder unorganisiert – und kann gerade auch jene Schichten und Teile der Unterdrückten einbeziehen, die oft unterrepräsentiert sind: Frauen, MigrantInnen, Jugendliche.

Eine Kampfstruktur, die nur auf den Betrieb, einen Stadtteil oder eine Ausbildungsstätte beschränkt ist, reicht nicht, weil sie sehr schnell isoliert und demoralisiert werden kann. Auch deshalb muss sie lokal, regional, bundesweit vernetzt und koordiniert werden. Die Aktionskonferenz der sozialen Bewegungen am 19./20. November kann und muss die Initiative zur Bildung einer solchen Koordination und zur Schaffung lokaler Aktionskomitees ergreifen.

Den Gewerkschaften kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Die Führungen, der bürokratische Gewerkschaftsapparat und die Betriebsräte in den Großkonzernen haben in den letzten Jahren jeden Abwehrkampf hintertrieben, ausverkauft und ins Leere laufen lassen – gerade dann, als z.B. nach dem 3. April, bei den Abwehrkämpfen bei Opel und Daimler oder bei den Montagsdemos die Möglichkeit bestand, diese Kämpfe zu verallgemeinern und zu einer Offensive gegen die Regierung und die Konzerne zu werden.

Sie haben es unterlassen, den politischen Generalangriff des Kapitals politisch zu beantworten. Sie haben nicht einmal eine Kampagne gegen die Einschränkungen der Kampfmöglichkeiten der Gewerkschaften und der Klasse, z.B. des Streiksrechts im Falle von Schließungen, geführt. Stattdessen pfuschten sie an den Hartz-Gesetzen mit und suchten ihr Heil in der Sozialpartnerschaft und fruchtlosen Verhandlungen hinter dem Rücken der Beschäftigen und Arbeitslosen.

Auf diese Kräfte in den Gewerkschaften ist kein Verlass! Es ist unbedingt notwendig, in den Gewerkschaften und Betrieben eine klassenkämpferische Basisbewegung gegen die Bürokratie aufzubauen, um die Kämpfe zu verbinden, Frustration, Standortnationalismus und Skepsis zu überwinden. Wir treten dafür ein, dass sich auch die Gewerkschaftslinke bewusst das Ziel setzt, eine solche Opposition aufzubauen.

3. Nein zur imperialistischen Formierung! Für internationale Solidarität!

Der Generalangriff im Inneren ist mit der Schaffung eines starken europäischen imperialistischen Blocks unter der Vorherrschaft des deutschen Kapitals verbunden. Die Lissaboner Agenda hat das Ziel, die EU zum dynamischsten und stärksten Wirtschaftsraum der Welt zu entwickeln.

Diese Dynamik soll durch Angriffe auf die Lohnabhängigen erreicht werden: EU-Dienstleistungsrichtlinie und Arbeitszeitregelungen heißen dabei die Schlagworte.

Die Ablehnung des EU-Verfassungsentwurfs in Frankreich zeigt, dass wir die Pläne der Herrschenden durchkreuzen können. Aber damit sind sie noch nicht vom Tisch.

Auch die Militarisierung der EU wird durch die europäische Rüstungsagentur, durch die Schaffung von "Battlegroups" vorangetrieben. Die Bundeswehr soll auch im Inneren eingesetzt werden.

Gegen den Generalangriff auf Arbeiterrechte und Lebensbedingungen in der EU hilft nur ein europaweit koordinierter Abwehrkampf und der Kampf für Mindestrechte der Lohnabhängigen in allen Ländern. Dazu sind Massenstreiks bis hin zum Generalstreik notwendig, dazu muss das Europäische Sozialforum zu einem Aktionszentrum des Widerstandes werden, dazu ist eine europaweite Koordinierung des Kampfes notwendig.

Dasselbe trifft auf den Kampf gegen die rassistische Abschottung, gegen die nationale Unterdrückung (z.B. des baskischen Volkes), gegen die imperiale Besatzungspolitik in Afghanistan, am Balkan, im Irak oder am Horn von Afrika zu.

MigrantInnen, ethnische und nationale Minderheiten sind in der EU einem massiven staatlichen Rassismus und gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt! Weg mit der Festung Europa! Weg mit allen Einreisebeschränkungen! Gleiche und uneingeschränkte Rechte für alle, die in der EU leben!

Gegen faschistische und rassistische Angriffe: Für Selbstverteidigung, für Massenmobilisierungen der Arbeiterbewegung, der MigrantInnen, der Jugend gegen die Nazis, um ihre Organisationen zu zerschlagen, ihre Handlungs-, Propaganda- und Bewegungsfreiheit zu unterbinden.

Kein Euro, kein Mensch für EU-Armee und Bundeswehr! Sofortiger Abzug aller EU-Truppen und der Bundeswehr aus dem Ausland! Schluss mit der offenen oder verhüllten Unterstützung der US-Besatzung des Irak! Solidarität mit dem Widerstand gegen imperialistische Besatzung und Krieg!

Der "Krieg gegen Terror" ist nichts weiter als eine ideologische Formel für mehr Repression – gegen den Widerstand in der "Dritten Welt", gegen die Solidaritätsbewegung hier, gegen antikapitalistische AktivistInnen und letztlich gegen die Arbeiterbewegung! Weg mit allen "Anti-Terrorgesetzen"!

4. Für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa!

Europas und v.a. Deutschlands Imperialisten verfolgen ihr Ziel der europäischen kapitalistischen Einigung mit dem Argument, dass so "Friede" und "Demokratie" des Kontinents gesichert würden, dass die Bundeswehr und die europäische Armee zur "Friedenserhaltung" und als Gegengewichte gegen die "aggressive USA" dienen würden.

Kurz: imperialistische Politik erscheint "humanitär" und "partnerschaftlich".

Diese imperialistische Propaganda, die täglich von der Realität der Abschiebeknäste, der Sweatshops der "Dritten Welt" und der zunehmenden Armut hier Lügen gestraft wird, muss demaskiert werden! Wir sagen klar, dass auf dem Boden des Kapitalismus, auf dem Boden des Privateigentums an Produktionsmitteln Europa immer imperialistisch sein wird und sein muss.

Wir lehnen es als illusorisch und beschönigend ab, von einem "sozialen", demokratischen, ökologischen usw. Europa zu fantasieren, ohne den Kapitalismus in Frage zu stellen.

Ohne Kampf gegen das Europa der herrschenden Klasse, ohne Sturz des Kapitalismus kann Europa nicht auf fortschrittliche Weise geeinigt werden. Dem Europa des Kapitals, stellen wir das Europa der ArbeiterInnen, der Unterdrückten entgegen: die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa, die für die Weltrevolution kämpfen.

5. Arbeiterregierung

Die Verhältnisse spitzen sich zu. Das Kapital will und braucht eine Veränderung des Klassenverhältnisses zu seinen Gunsten.

Dem können wir nur wirksam entgegentreten, wenn wir unsererseits die Machtfrage stellen und uns darauf bewusst vorbereiten.

Kontrolle der Produktion in einem einzelnen Großunternehmen oder in Teilen des Öffentlichen Dienstes, ein europaweiter Generalstreik, eine erfolgreiche Mobilisierung, welche die europäischen Imperialisten zum Rückzug zwingt – all das stellt entweder die Herrschaft der Bourgeoisie direkt in Frage oder gefährdet deren strategische Ziele.

Daher müssen wir uns auch darauf vorbereiten, die Machtfrage zu beantworten, darauf vorbereiten, der Repression durch den bürgerlichen Staat wirksam zu begegnen.

Das beginnt bei jedem Streik mit Streikposten. Das beginnt beim Schutz unserer Demonstrationen und Aktionen. Das beginnt beim Aufbau von eigenständigen Kampf- und Mobilisierungsorganen, wie Aktions- und Streikkomitees.

In jedem größeren Kampf müssen und können sie zu Räten oder räteähnlichen Kampforganen weiterentwickelt werden, die eng mit Selbstverteidigungseinheiten der Arbeiterklasse wie Milizen verbunden sind.

In einer solchen Situation liegt die Macht auf der Straße. Die Arbeiterklasse, die Unterdrückten können sie dann ergreifen – durch die sozialistische Revolution, durch die Bildung ihrer eigenen Regierung.

Eine solche Regierung kann aber nie aus dem Parlament hervorgehen. Sie kann sich nicht auf den bürgerlichen Staatsapparat stützen, auf Repressionskräfte und eine Bürokratie, die dem Kapital dienen.

Eine solche Regierung muss sich vielmehr auf Räte stützen. Nur eine solche Regierung wird in der Lage sein, den bürgerlichen Staat zu entwaffnen und durch eine Räterepublik zu ersetzen. Nur sie kann gegen das Kapital wirksam vorgehen, die Ausbeuter enteignen und die Grundlage für eine demokratische Planwirtschaft legen.

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Nr. 103, Aug./Sept. 2005


*  Gemeinsam gegen den Generalangriff: Linkspartei wählen, Widerstand organisieren!
*  Aktionsprogramm: Vom Abwehrkampf zur sozialen Revolution!
*  Wahlkampf 2005 und die Linke: Mitschwimmen und absaufen
*  SPD, DGB, Linkspartei und Mindestlohn: Wer bietet weniger?
*  VW-Skandal: Boulevard und Billiglohn
*  Frauen und Polen: Kirche, Küche, Kinder
*  AFL-CIO-Spaltung: "Kings of Labor" entzweit
*  Hugo Chavez: Der neueste Prophet
*  Heile Welt
*  Sozialforum in Erfurt: Reformismus von unten oder Widerstand gegen den Generalangriff?