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Berlin

Gemeinsam gegen Mietpreiserhöhungen und Angriffe auf kritische WissenschaftlerInnen!

ArbeiterInnenmacht-Flugblatt, Infomail 926, 26 Januar 2017

Nur ImmobilienspekulantInnen, Bau-LobbyistInnen und deren ParteigängerInnen in Senat und Opposition leugnen das Offensichtliche. Andrej Holm wurde als Staatssekretär auf politischen Gründen gefeuert. Seine angebliche Stasivergangenheit war nur der Vorwand dafür, einen bekannten Aktivisten abzuschießen, der für die Reformversprechen der Linkspartei glaubhafter als der ganze Laden stand – und zwar noch ehe er irgendein Reförmchen auf den Weg gebracht hatte.

Alle, die sich nicht mit der Bauwirtschaft und dem Anlagekapital anlegen wollen, opferten Holm mehr oder minder bereitwillig für eine „linke“ Koalition, die sicher keinen „Kurswechsel“ zu einer „sozialen Wohnungspolitik“ vollziehen wird.

Wenn der „Fall Holm“ – eigentlich ein Fall Müller – etwas zeigt, so verdeutlicht er, wer im Land das Sagen hat, wer auch bei einer „linken“ Landesregierung diktiert, in wessen Interesse regiert wird.

Doch mit dem Rauswurf aus dem Senat war es nicht getan. Die Leitung der Humboldt-Uni Berlin lieferte die nicht minder verlogene Begleitmusik. Nachdem Holm als Staatssekretär für untragbar erklärt worden war, durfte die Präsidentin der ehrwürdigen Universität, Frau Kunst, in Sachen moralischer Entrüstung nicht nachstehen. „Arglistig“ wäre nicht nur sie, sondern auch die Universität, ja vielleicht sogar die Welt „getäuscht“ worden, weil Holm ein Kreuzchen an der falschen Stelle gemacht hätte.

Wenn es ernst wird, entpuppt sich die Autonomie der Universität als leere Hülle, als ideologische Schönwetterveranstaltung. Es machen sich die herrschenden gesellschaftlichen Interessen geltend, über denen die bürgerliche Wissenschaft zu stehen vorgibt.

Wie weiter im Kampf?

Die Besetzung des „Institutes für Sozialwissenschaften“ (ISW) war ein richtiger Schritt. Die Aktion wurde zu einem Symbol für ganz Berlin, weil sie über die üblichen Solidaritätsbekundungen und Protestbriefe hinausging, weil sie ein sichtbares Zeichen für Protest und Widerstand gesetzt hat.

Aber für sich genommen wird sie die Uni-Leitung nicht zum Einlenken zwingen – und erst recht nicht den Berliner Senat. So richtig die Besetzung ist, so wirft sie doch die Frage auf, wie der Kampf gegen das Feuern fortschrittlicher Lehrender geführt werden kann. Holm ist schließlich kein Einzelfall. An der FU wurde der Antizionistin Eleonora Roldán Mendívíl wegen ihrer offenen Kritik an der rassistischen Politik des israelischen Staates und ihrer Solidarität mit dem Widerstand der PalästinenserInnen ihr Lehrauftrag entzogen. In München wollte die Universität Kerem Schamberger wegen seiner kommunistischen Überzeugungen die Einstellung verweigern. Die Studierenden und ihre VertreterInnen, die Gewerkschaften und Personalräte müssen gemeinsam für die Wiedereinstellung von Holm und Mendívíl eintreten und diese Kämpfe verbinden!

Vor allem aber wirft der Rauswurf Holms die Frage auf, wie eine Widerstandsbewegung gegen die Mieten- und Wohnungspolitik des Senates aufgebaut werden kann, die die Immobilien- und Bauwirtschaft, also die Kapitalseite in die Knie zwingen kann.

Möglichkeit

Die aktuelle Lage bietet die Möglichkeit, den Kampf an den Unis mit dem in den Stadtteilen, mit dem von MieterInneninitiativen, von Geflüchteten, Gewerkschaften und linken Organisationen zu verbinden.

Dazu braucht es aber eine politische Perspektive. Die Vorstellung, die aus manchen Erklärungen und dem Manifest der Uni-Besetzung durchschimmert, dass diese ein Ausgangspunkt für „selbstbestimmte Freiräume“, ein Startschuss für die Erkämpfung des „Rechts auf einen Start für alle“ wären, muss dabei jedoch kritisch betrachtet werden. Der Senat und erst recht die herrschende Klasse werden nicht durch die Schaffung von „Freiräumen“ bezwungen. Die solcherart geschaffenen Strukturen werden allenfalls Nischen sein können. Auch die Forderung nach „herrschaftsfreien Universitäten“ drückt eher eine illusionäre Hoffnung als eine radikale Kritik am bürgerlichen Wissenschafts- und Bildungsbetrieb aus.

Auch die Losung nach einem „Recht auf Stadt“ wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Wer soll dieses „Recht“ wie verwirklichen, was heißt das eigentlich? Die Stadt „gehört“ denen, die sie beherrschen, jenen die über das Privateigentum an Produktionsmitteln verfügen. Sie – nicht nur die Immobilien- und Bauwirtschaft – bestimmen, wie sie aussieht, sie beanspruchen das „Recht auf Stadt“ als das ihrer Klasse.

Statt sich an Phrasen wie „Recht auf Stadt“ zu erbauen, sollten vielmehr konkrete Forderungen erhoben und deutlich gemacht werden, wer, also welche Klasse die Macht der Herrschenden darüber brechen kann und soll.

Wir schlagen dazu folgende Forderungen vor:

Für die Wiederherstellung der Wohnungsverhältnisse vor 2001, also dem rot-roten Senat!

Für die Kommunalisierung des städtischen Grund und Bodens!

Für ein massives Wohnungsbauprogramm unter Kontrolle der MieterInnenvereinigungen und Gewerkschaften, bezahlt aus Unternehmerprofiten!

Kampf den Zwangsräumungen! Mietpreisobergrenze von 6,50 Euro!

Unterbringung für Geflüchtete, ArbeitsmigrantInnen und Wohnungslose in Wohnungen normalen Baustandards!

Beschlagnahme von leerstehendem Wohnraum zu diesem Zweck!

Unterstützung des Tarifkampfes und der Warnstreiks der Beschäftigten der Länder! Volle Ausfinanzierung des Bildungswesens unter Kontrolle der Beschäftigten, Lernenden und Gewerkschaften!

Diese Forderungen könnten die Basis für einen gemeinsamen Kampf legen. Der Rauswurf von Holm hat gezeigt, dass dabei jede Hoffnung auf die „Hilfe“ des Senats oder eine „soziale Wohnungspolitik“ fehl am Platz ist. Die Regierungsregie will weitermachen wie bisher. Eine „Nachbesetzung“ des Amts von Holm durch eine/n „vertrauenswürdige/n“ AktivistIn hilft dabei gar nichts.

Es geht vielmehr darum, in der Linkspartei, aber auch in den Gewerkschaften und Mietervereinigungen bis hin zu sozialdemokratischen Gliederungen für einen Bruch mit dem Senat einzutreten. Nicht auf Gesprächsrunden und „Reformversprechen“ hoffen, sondern für obige Forderungen gegen Müller mobilisieren, muss die Devise lauten. Wenn die Linkspartei ihre Versprechen, für eine „soziale Stadt“ und die Interessen der MieterInnen einzustehen, ernst meint, muss sie mit der Koalition brechen. Die Solidaritätsbekundungen für Holm und die BesetzerInnen sind ansonsten nur zynische Täuschungsmanöver.

Um für obige Forderungen zu mobilisieren, reicht es aber nicht, an die Führungen von Massenorganisationen zu appellieren. Es braucht vor allem Basisstrukturen zum Aufbau einer Bewegung. Mehr als 15.000 Menschen haben Holm gegen die Angriffe der Rechten und des Kapitals per Unterschrift verteidigt. Diese sollten auf Stadtteilebene gemeinsam mit Gewerkschaften, MigrantInnen, Mieterorganisationen, Studierenden, linken Gruppierungen zu Aktionsversammlungen eingeladen werden. Dort sollten sie Koordinationsausschüsse oder Aktionskomitees wählen, die berlinweit vernetzt werden, um gemeinsam und schlagkräftig handeln zu können. Eine solche Bewegung müsste sich dabei nicht auf Demonstrationen und Kundgebungen beschränken, sie wäre vielmehr in der Lage, darüber hinauszugehen und könnte durch Besetzungen an Unis wie durch politische Streiks in den Betrieben ihren Forderungen Nachdruck verleihen. Sie könnte nicht nur Kabinett und Kapital angreifen, sie könnte auch die Stadt, in der wir leben, ein Stück weit zu unserer machen.

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Nr. 215, Dez. 16/Jan. 17

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