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Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung der kerntechnischen Entsorgung

Weihnachtsgeschenk für die Stromkonzerne

Jürgen Roth, Infomail 920, 19. Dezember 2016

Am Donnerstag, dem 15. Dezember 2016, beschloss der Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalition und der Grünen das Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung der kerntechnischen Entsorgung. Der Bundesrat debattierte die Novelle einen Tag darauf.

Atommüllschacher

Laut dem Entsorgungspakt bleiben die AKW-Betreiber für den Rückbau der Reaktorblöcke zuständig, während sie sich von den Kosten für die Endlagerung der atomaren Abfälle gegen Zahlung einer Summe von 17,4 Milliarden Euro plus einem Risikoaufschlag von 6,2 Mrd. freikaufen können. Bis Ende 2022 soll das Geld in einen staatlichen Fonds eingezahlt werden, der die Mittel verwaltet und an den Finanzmärkten anlegt. Damit verschafft sich die Bundesregierung ein Mitspracherecht über diesen Topf.

Bislang gibt es für die Endlagerung lediglich virtuelle Rücklagen in den Bilanzen der Atomkonzerne. Mit der Gesetzesänderung steht erstmals reales Geld zur Verfügung. ExpertInnen schätzen, dass diese ausgehandelte Summe bei Weitem nicht ausreichen wird, für die darüber hinausgehenden Kosten wäre allein der Bund verantwortlich. Mit der Endlagerung der strahlenden Hinterlassenschaft wird frühestens zum Ende des Jahrhunderts gerechnet.

In einem vom Bundestag ebenfalls mit den gleichen Stimmen angenommenen Entschließungsantrag werden die Konzerne aufgefordert, wegen der für sie günstigen Fondslösung alle noch ausstehenden Schadensersatzklagen gegen den „Atomausstieg“ zurückzuziehen – wir berichteten darüber in Infomail 919 (http://www.arbeitermacht.de/infomail/919/atomstrom.htm). Die Firmenvorstände gaben lediglich bekannt, einige davon zurückzunehmen, zumal manche schon in der ersten Instanz gescheitert sind. Doch allein die Klagen Vattenfalls vor dem internationalen Schiedsgericht in Washington und die gegen die 2011 eingeführte Brennelementesteuer belaufen sich auf etwa die Hälfte der Fondssumme.

Diese beim Austausch von Brennelementen erhobene Steuer wird Ende des Jahres abgeschafft. Die AKW-Betreiber verschieben deshalb einen Großteil des Austauschs auf 2017, was ihnen allein 750 Millionen an Steuern erspart. Bis zur geplanten Abschaffung des letzten Uranmeilers 2022 kommen ca. 6 Milliarden ersparte Euro hinzu, „zufällig“ genau die Höhe des Risikoaufschlags. Die Grünen scheiterten mit ihrem Antrag, die Brennelementesteuer beizubehalten, an der Stimmenmehrheit der Regierungskoalition.

Kommentare und Stimmen

Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne), Vorsitzender der Regierungskommission, die die Gesetzesvorlage erarbeitete, nannte das Vorhaben „einen großen Fortschritt“. Die Neuregelung werde die Atomwirtschaft nicht von ihrer Verantwortung befreien, sondern regele diese nur transparenter, textete Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs entblödete sich nicht zu behaupten, es werde bei der atomaren „Entsorgung“ „strikt am Verursacherprinzip festgehalten“.

DIE LINKE stimmte im Bundestag gegen den Gesetzentwurf. Parteivorsitzender Bernd Riexinger erklärte, mit der geplanten Regelung „kaufen sich die Konzerne von ihrer Verantwortung frei“. Ähnlich kritisch äußerten sich Umweltschutzorganisationen und Anti-AKW-Initiativen wie der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschlands (BUND) und das Münchner Umweltinstitut. Kommentator Kurt Stenger schrieb im Neuen Deutschland vom 15. Dezember 2016 zutreffend: „…handelte man nach der Maxime: lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Also: lieber einen kleinen Teil der Kosten gleich eintreiben und die Atomwirtschaft aus der Verantwortung zu entlassen, als mit Maximalwünschen E.on, RWE und EnBW womöglich in den Ruin zu treiben und am Ende mit leeren Händen dazustehen. Komisch, die ganzen Jahrzehnte der Atomstromerzeugung standen immer unter dem Vorzeichen der (Rest-)Risikobereitschaft und wenn es nun um den Umgang mit dem strahlenden Erbe geht, das die Gesellschaft über viele Generationen belasten wird, bekommt man angesichts des unwahrscheinlichen Pleiterisikos das Muffensausen?“

Er vergaß hinzuzufügen, dass der ideelle Gesamtkapitalist Staat den realen PrivatkapitalistInnen durch Subventionen und Sozialisierung ihrer Verluste gerade in Zeiten der Krise oft und überall beispringt. Im Fall der „Big Three“ E.on, RWE und EnBW – Vattenfall ist ein schwedischer Staatskonzern – ist es gleich der Bund, denn es handelt sich wie bei den Großbanken um zu bedeutende wirtschaftliche Schwergewichte, als dass sich die herrschende Klasse deren Untergang leisten könnte.

Offenlegung der Bilanzen der Atomkonzerne!

Entschädigungslose Verstaatlichung der Energiewirtschaft unter Kontrolle der Gewerkschaften, betrieblicher Kontrollkomitees, VerbraucherInnen- und Umweltschutzorganisationen!

Erforschung möglichst sicherer Methoden der Endlagerung bzw. Umwandlung des radioaktiven Abfalls in minder gefährlichen!

Für einen geplanten staatlichen Energiesektor bei Strom- und Primärenergieerzeugung, für sinnvolle Energiesparmaßnahmen in Haushalten, Industrie, Landwirtschaft und Verkehr!

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