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Links von Den Vorsitzenden?

Wo bleibt die “radikale Linke”?

Tobi Hansen, Neue Internationale 170, Juni 2012

Bei diesem Parteitag wurden nicht nur die Konflikte zwischen Ost/West-Seilschaften deutlich, sondern leider auch das völlige Versagen der organisierten linken Kräfte der Partei. Anscheinend hat die etwas radikalere Akzentuierung des Erfurter Programms den versammelten linken Strömungen schon gereicht, keine Anträge zum Leitantrag zu stellen. In der Personaldebatte standen alle stramm hinter Lafontaine und danach hinter Riexinger. Wenn Gysi die Strömungen und Organisationen in der Linkspartei als „Kaderkommissionen“ bezeichnet, welche allein für die Versorgung mit Listenplätzen arbeiten, so drückt das zwar sein fehlendes Verständnis von innerparteilicher Demokratie aus, beschreibt aber auch die reale Wirkung von AKL, SL, Marx21, KPF etc. Diese haben seit der Gründung der Linkspartei und schon zuvor in WASG und PDS keinen programmatischen Kampf gegen Lafontaine/Ernst/Gysi/Bisky geführt.

Dementsprechend kann auch das aktuelle Programm dazu führen, dass die Brandenburger Linkspartei eine Regierung mit der SPD führt, dabei munter Hartz IV umsetzt, munter Braunkohleförderung mitmacht und die Verbände im Westen weiterhin erklären dürfen, warum die Linkspartei denn eine Alternative zu Rot/Grün ist. Ebenso führt es dazu, dass es in den Gewerkschaften keinen politischen Kampf gegen die SPD-Führung gibt, geschweige denn ein anderes Programm vorgeschlagen wird, wie denn etwa Mindestlohn und Abschaffung von Leiharbeit und Hartz IV erkämpft werden könnten.

Eher heuchlerisch ist der Vorwurf dieser „Linken“, der Reformflügel würde zu schnell und prinzipienlos in Koalitionen mit der SPD gehen, während gleichzeitig die NRW-Linkspartei, die von den Linken  dominiert ist, mit ihrer Tolerierung der Kraft-Regierung auch baden gegangen ist. Hier würde eine Diskussion anstehen, wie eine Tolerierung gemacht werden soll, unter welchen Umständen eine Regierungsbeteiligung für die Linkspartei eine Stärkung sein kann - im Gegensatz zu den bisher gemachten Erfahrungen.

Politische Alternative?

Dazu findet sich auch bei den Radikalen wenig. Zwar wird schon mal aktiver die Eigentumsordnung in Frage gestellt, aber gleichzeitig ist das Engagement dieser Kräfte in den Bewegungen nicht deutlich höher als das der „Reformsozialisten“ um Bartsch und Co. Diese Kräfte haben in den letzten Jahren nichts getan, um eine bundesweite Anti-Krisen-Bewegung aufzubauen, waren nicht oder wenig präsent in Tarifkämpfen und betrieblichen Auseinandersetzungen. Stattdessen haben jetzt alle Occupy und Bloccupy für sich entdeckt, beschwören den jährlich zelebrierten Antifaschismus in Dresden und fordern mehr Antikapitalismus - da fragt es sich doch, was sie eigentlich in den letzten Jahren gemacht haben?!

Alle haben zumindest irgendwie einen Fuß in Partei, Vorstand, Stiftung, AGen etc. bekommen und versorgen dann das politische Umfeld mit den Unterpöstchen. Dies ist eine Karikatur dessen, warum sozialistische, revolutionäre Organisationen in einer reformistischen Partei arbeiten sollten.

Diese verschiedenen Strömungen haben es von Beginn an versäumt, eine programmatische Alternative zu erarbeiten und zu stärken. Wenn die Hauptstütze dieser Linken der gescheiterte Lafontaine gewesen ist, dann zeigt das auch, mit wie wenig diese „SozialistInnen“ schon zufrieden waren. Ihnen reicht, wenn Lafontaine das Regierungsprogramm von Hollande in Frankreich umsetzen will bzw. sich zum Hauptautor dessen krönt oder den demokratischen Kampf um den Sozialstaat lauthals verkündet.

Hier haben die Stimmen gefehlt, die die Barrikaden in Tunis, Kairo und Athen verteidigen, die offen den faulenden Charakter dieser kapitalistischen Ordnung benennen und nicht allein für „Demokratisierung“ streiten, sondern v.a. für eine Herrschaft der Mehrheit die Perspektive weist. Diese Rolle hätte den linken Kräften gut zu Gesicht gestanden, hier und heute zu zeigen, dass der Kampf um unsere Zukunft schon voll im Gange ist, in Südeuropa Spardiktaturen eingesetzt wurden  und es nicht allein um den Sozialstaat geht, sondern ganz konkret um die Durchsetzung der Herrschaft des Kapitals in dieser Krise und dagegen jetzt der Kampf geführt werden muss.

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Nr. 170, Juni 2012
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