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Brasilien

Hilfe für die Reichen, sparen für Arme

Eloy Nogueira, Liga Socialista, Brasilien, Neue Internationale 170, Juni 2012

Am 3. April lancierte die Dilma-Regierung ihr Maßnahme-Paket „Brazil Maior“. Es sieht 26,3 Milliarden Euro öffentliche Mittel als Hilfen für Unternehmen vor. So soll die nationale Industrie gestärkt und das BIP-Wachstum auf über 4% angehoben werden. Der Großteil der Gelder wird aus dem Staatshaushalt bezahlt, ein kleiner Teil über Steuersenkungen.

Die Staatliche Entwicklungsbank BNDS wird aus dem Staatshaushalt Milliarden erhalten, um sie in die Industrie zu investieren. Diese Maßnahme wird auf 15 Branchen angewendet, unter ihnen Textil, Konfektion, Leder und Schuhe, Möbel, Kunststoff, Elektromaterial, Autoteile, Omnibusse, Schiffs- und Flugzeugbau.

Mit dem Paket greift die Regierung erneut auch das öffentliche Rentensystem an. Aktuell liegen die Rentenbeiträge bei 10% des Arbeitslohnes für ArbeiterInnen, plus 20% von der Wirtschaft. In 90 Tagen werden die Industrien, die von dem Paket profitieren, nicht mehr diese 20% bezahlen. Dieser Beitrag wird durch eine Quote von 1% des Umsatzes ersetzt. Wie wir wissen, versuchen die Kapitalisten alles, um Steuern zu umgehen, inklusive der altbekannten Methode des „Schminkens“ ihrer Abrechnungen. Es handelt sich also um einen weiteren Angriff auf die öffentliche Rentenversorgung, der mit Sicherheit Auswirkungen auf die zukünftigen Renten haben wird.

Darüber hinaus wird im Zuge des Konjunkturpaketes von Mindereinnahmen von 2,1 Milliarden Euro bei den Steuereinnahmen für 2012 ausgegangen.

Präsidentin Dilma Rousseff erklärt, dass die Maßnahmen zur Stärkung der Industrie eine Reaktion auf die internationale Wirtschaftskrise und den Protektionismus einiger entwickelter Länder seien. Sie argumentiert weiter, dass Brasilien damit zeigt, dass es keinen Widerspruch zwischen Kürzungen und Wirtschaftswachstum gebe. „Es ist möglich, Geld sparsam auszugeben“, sagte sie.  Weiterhin betonte sie, dass „Die Regierung (...) die brasilianische Industrie nicht im Stich lassen“ wird.

Zufällig wurde das Paket einen Tag vor der Ausstrahlung des Ergebnisses einer Umfrage verkündet, die im Auftrag des nationalen Arbeitergeberverbandes (CNI) von dem Umfrageinstitut IBOPE durchgeführt wurde und die Zustimmung und Popularität von Dilma bestätigt.

Nach diesen Maßnahmen stieg die Popularität von Dilma in den Umfragen um 5% von 72% im Dezember 2011 auf 77% im März 2012. Der Anteil der Menschen, die Dilma „vertrauen“, stieg lt. Umfragen in der selben Zeit von 68 auf 72%.

Wir sollten nicht vergessen, dass dieselbe Regierung, die jetzt Milliarden in den Privatsektor investiert, zugleich Milliarden im öffentlichen Haushalt gekürzt hat. Diese Kürzungen betreffen massiv die öffentliche Versorgung, und Dilma rechtfertigte sie folgendermaßen: „Meine Regierung wird nicht aufhören, zu investieren. Wir kontrollieren die öffentlichen Ausgaben, um sicherzustellen, dass Brasilien quantitativ und qualitativ mehr wächst.“ 

Diese Kürzungen sind auch damit verbunden, dass Verhandlungen mit den Gewerkschaften abgelehnt werden. Reallohnverluste und die Privatisierung der Renten der öffentlich Beschäftigten sind weitere Folgen.

Die größten Gewerkschaftsdachverbände Brasiliens unterstützen alle die Regierung und die  Kapitalisten in Verteidigung des Konjunkturpaketes.

Der Präsident der „União Geral dos Trabalhadores“ (UGT), Ricardo Patah, erklärte sich einverstanden mit allen Maßnahmen zur Stärkung der Produktion. Er hob aber hervor, dass er  gegenüber den Vorschlägen „vorsichtig“sei. Für Patah sollte „der Vorschlag (…) für alle Sektoren gelten.“ Das bedeutet, dass für ihn der Angriff auf die Arbeiterklasse noch viel umfangreicher sein sollte!

Auch Wagner Gomes, der Präsident der „Central dos Trabalhadores e Trabalhadoras do Brasil“ (CTB) sagte, dass das Paket der Regierung positiv sei.

Der Präsident der „Central Única dos Trabalhadores“ (CUT), dem größten und wichtigsten Gewerkschaftsdachverband, welcher der Regierungspartei PT nahesteht, sagte: „Mehrere Teile der angekündigten Maßnahmen sind extrem wichtig, da sie die nationale Industrie und damit die Arbeitsplätze schützen. Aber ich hoffe, dass die Regierung weitere Maßnahmen ankündigen wird, um auf die Finanzkrise zu reagieren und die Forderungen der Arbeiterklasse zu erfüllen, die die CUT und die anderen Dachverbände bereits zwei Mal an die Präsidentin und ihr Kabinett übergeben haben.“  Darüber hinaus sagte er: „Wir werden Monat für Monat mit der Lupe verfolgen, welche Auswirkungen die Kürzungen in der öffentlichen Rentenversorgung haben, der Bereich, der am meisten von den Kürzungen betroffen ist.“

Diese Positionen der Führungen der Dachverbände sind ein offener Verrat an den Interessen ihrer Mitglieder. Die „Versöhnung“ zwischen Kapital und Arbeit bringt nur Nachteile für die Arbeiterklasse, die Profite des Kapitals werden durch Einsparungen und Verschlechterungen bei den Beschäftigten und den Massen gesichert. Auch die Führung der CUT agiert wie ein Anhängsel der Regierung Dilma.

Doch jetzt werden Stimmen innerhalb der CUT immer lauter, die sich dagegen wehren, dass die Führung der CUT und ihrer Einzelgewerkschaften seit Beginn dieses Jahres immer wieder gemeinsame Veranstaltungen mit anderen Dachverbänden und sogar mit der FIESP (Industrieverband Sao Paulo) und der CNI (Nationaler Arbeitergeberverband) machen, was in der gemeinsamen „Manifestation vom 4. April“ in Sao Paulo gipfelte, einen Tag nach der Verkündigung des Pakets „Brazil Maior“ durch die Regierung.

Insofern dürfen wir gespannt sein, was auf dem 11. Nationalen Kongress der CUT im Juli passiert. Es geht immerhin um die Unabhängigkeit der CUT von der Regierung und den Kapitalisten. Das Verhalten ihrer nationalen Führung stellt einen Angriff auf den eigenen Dachverband dar, der noch viel schädlicher ist als die divisionistischen Bewegungen, also Strömungen, die eigene Gewerkschaftsverbände gründen, anstatt innerhalb der CUT zu kämpfen, z.B. PSTU und PSOL.

Die brasilianische Arbeiterklasse muss sich organisieren, um die CUT dazu zu bringen, konkrete Maßnahmen zur Mobilisierung zu organisieren, um von der Regierung Dilma die Erfüllung der „Forderungen der Arbeiterklasse“ - ein offizielles Forderungs-Papier, das von der CUT im Wahlkampf an Dilma übergeben wurde - zu verlangen, zu denen diese sich im Wahlkampf verpflichtet hatte. Bisher ist dahingehend allerdings nichts erfolgt: im Gegenteil!

Gegen den Kniefall der Führung der CUT vor Dilma und dem Kapital sollten die Gründungsprinzipien der CUT verteidigt werden: Unabhängigkeit und Klassenkampf! Wir sind die CUT!

 

Forderungen für eine Opposition in der CUT

In Brasilien ist die Schaffung einer kämpferischen Basisopposition in der CUT eine entscheidende Aufgabe. Dazu müssen alle linken Strömungen innerhalb (z.B. "O Trabalho" und "Ezquerda Marxista") und außerhalb (z.B. PSOL und PSTU) der CUT aufgefordert werden. Als gemeinsame Forderungen schlagen wir vor:

Nein zum Konjunkturpaket für die Kapitalisten!

Bruch mit den Kapitalisten-Verbänden und der Regierung: keine weiteren gemeinsamen Aktionen!

Organisierung einer bundesweiten Kampagne mit Massenmobilisierungen und politischen Streiks gegen die weiteren Angriffe auf das Rentensystem und um die Erfüllung der "Forderungen der Arbeiterklasse"

Entschädigungslose Enteignung aller Betriebe, die entlassen, und deren Fortführung unter Arbeiterkontrolle!

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Nr. 170, Juni 2012
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