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Libyen

Gaddafis Bankrott

Liga für die Fünfte Internationale, Neue Internationale 2011, März 2011

Die folgende Erklärung stammt vom 24. Februar. Inzwischen hat sich die Situation weiterentwickelt. Gaddafis Machtbereich schrumpft von Tag zu Tag. Der größte Teil des Landes wird von den Aufständischen kontrolliert. Der Sturz Gaddafis und seines Regimes könnte unmittelbar bevorstehen.

Die Massen können und müssen nun ihre Macht nutzen, um das gesamte alte Regime zu beseitigen, die Bourgeoisie - die einheimische wie die imperialistische - zu enteignen, den Staat zu zerschlagen und die alten reaktionären Eliten zu stürzen. Nur eine auf die Organe des Aufstands, auf Räte und Milizen gestützte Arbeiter- und Bauernregierung kann sichern, dass die politischen und sozialen Forderungen der Arbeiterklasse, der Jugend und der Massen auch umgesetzt werden.

Kein vom Westen unterstütztes Übergangsregime unter Einschluss von Teilen der alten Eliten kann das, sondern nur die Weiterführung der Revolution zum Sozialismus, nur die Ausweitung der Revolution auf die gesamte Region - nur eine permanente Revolution ist dazu in der Lage.

Redaktion Neue Internationale, Berlin, 1. März 2011

Erklärung der Liga für die Fünfte Internationale (LFI) vom 24. Februar

 

Laut Muammar al-Gaddafi “herrscht Ordnung in Tripolis”. Dies wird auch von Auslandskorrespondenten bestätigt, die noch dazufügen, dass die Strassen weitgehend verlassen sind, abgesehen von den Pro-Gaddafi-Schlägern, die mit Kalaschnikows bewaffnet sind. “Partisanen des Regimes haben unbewaffnete Demonstranten mit Maschinengewehren und Panzerfäusten beschossen“, berichtete ein AFP-Korrespondent.

Die Zahl der Getöteten liegt bei weit über eintausend. Aus Krankenhäusern wird berichtet, dass Gaddafis Milizen Leichen gesammelt und beseitigt haben.

Nach Aussage des erfahrenen britischen Journalisten Robert Fisk “haben Milizen am Sonntag 24 Stunden lang in den Vororten der Stadt Tripolis, besonders im Noufreen-Bezirk, mit Maschinengewehren, Geschützen und Pistolen gekämpft, ein Gefecht, das die Gaddafi-Kräfte gewonnen haben”.

Zusammenstöße zwischen Pro-, und Anti-Gaddafi-AnhängerInnen werden auch aus anderen Städten wie Sabha im Süden oder Sabratha nahe Tripolis berichtet. Reuters berichtete von heftigen Kämpfen in Az Zawiya im Westen und einem blutigen Massaker an DemonstrantInnen, die von Militärtruppen eingekesselt worden waren.

Befreite Städte

Im Kontrast dazu haben die Kräfte der demokratischen Revolution im Osten Libyens und der Küste entlang triumphiert. Die Städte Tobruk, Benghasi, Cyrenaica, Misurata, Dema und Al-Beyda sind befreit worden. Große Teile der Armee sind auf die Seite des Volkes übergelaufen. Generalmajor Suleiman Mahmoud, Kommandeur der Streitkräfte in Tobruk, sagte zu Al-Jazeera: “Wir stehen auf der Seite des Volkes”.

Die libysche Armee, der Gaddafi nie wirklich vertraut hat, stellt nur ein Drittel der Repressionskräfte im Land. Gaddafi hatte daneben eine Prätorianergarde von Milizen und Spezialkräften aufgebaut. Diese sind an ihn durch verschiedene Stammes-, und Familienverbindungen gebunden, aber v.a. durch Privilegien, die aus der Plünderung des Ölreichtums Libyens kommen. Diese Leute haben alles zu verlieren. Auf sie verlässt sich der “Schlachter von Tripolis” und sein Gefolge. Die Repressionskräfte umfassen ca. 120.000 Mann - ziemlich viel für ein Land mit nur 6 Millionen EinwohnerInnen.

Die (einheimische) libysche Arbeiterklasse ist sehr klein. Durch die Unterstützung der großen multinationalen Öl-Konzerne hat Gaddafi ausländische Arbeiter rekrutiert. Man schätzt, dass ungefähr 1.5 Millionen ägyptische ArbeiterInnen in Libyen arbeiten, 50.000 aus Bangladesh, 15.000 InderInnen und viele Pakistani. 30.000 TürkInnen stellen den Grossteil der libyschen Bauwirtschaft.

In dieser Hinsicht gleicht Libyen stark Saudi Arabien und den Golf-Monarchien, wo die Profite der Öl-Lizenzen benutzt werden, um einen großen repressiven Staatsapparat zu unterhalten. Auch dort besteht ein großer Teil der Arbeiterklasse, die gefährlichste soziale Kraft für alle Tyrannen, aus AusländerInnen, die jederzeit aus dem Land geworfen werden können.

Gaddafis Sohn Saif beschuldigt ÄgypterInnen als Anstifter des Aufstands, was zu Pogromen von Gadaffi-Anhängern gegen sie führte.

Die Konflikte, die längst den Charakter eines Bürgerkriegs angenommen haben, zeigen, dass die große Mehrheit der LibyerInnen von der „Großzügigkeit“ des Tyrannen ausgeschlossen war.

Nun haben sie sich erhoben. Obwohl die Revolution langen und blutigen Kampf bedeuten könnte - im Gegensatz zu den Aufständen in Ägypten und Tunesien -, kann sie dennoch triumphieren. Die ArbeiterInnen und alle progressiven Kräfte in der Welt hoffen, dass die Revolution triumphiert, und sie müssen alles tun, um dem libyschen Aufstand zu helfen.

Räte und Milizen

Die Kräfte, die sich gegen Gaddafi erhoben haben, müssen Räte von abwählbaren Delegierten bilden, um die befreiten Städte zu regieren. Zusammen mit den aufständischen Soldaten sollen sie Milizen aufzubauen.

Wenn Gaddafi gestürzt ist, muss eine provisorische Regierung, basierend auf Räten der aufständischen Massen und ArbeiterInnen (einschließlich der ÄgypterInnen u.a. ausländischer ArbeiterInnen), eine souveräne konstitutionelle Versammlung ausrufen.

Die ArbeiterInnen und die revolutionäre Jugend müssen die Führung übernehmen, um die Revolution permanent zu machen. Das heißt, sie dürfen nicht ruhen, bis die libyschen Millionäre und die ausländischen, multi-nationalen Konzerne enteignet sind und eine geplante Wirtschaft etabliert ist, um allen, die im Land und in der Region leben, ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Um das zu verwirklichen, müssen die ArbeiterInnen und die Jugend eine revolutionäre Arbeiterpartei aufbauen, bewaffnet mit einem Programm, das der Revolution in Libyen eine Führung geben kann.

Eine solche Partei muss im Lauf des Kampfes gegen den Staatsapparat, das Bürgertum und letztlich auch die Stammesführer aufgebaut werden. Diese werden - unterstützt vom Westen - alles tun, um die Errichtung eines völlig demokratischen Regimes zu verhindern, damit sie selbst die Macht übernehmen bzw. behalten können.

Gegen jeden Versuch, diese “Ordnung zu schaffen” und die Massen zu demobilisieren, gegen jeden Versuch, die Organe des Aufstands zu entwaffnen und den alten Staat unter neuen Führern zu erhalten, muss Widerstand geleistet werden. Stattdessen müssen diejenigen, die so viel geopfert haben, um Gaddafi zu stürzen, ihre eigenen Organisationen und ihre Kontrolle etablieren und koordinieren, bis sie gesiegt haben. Nur so kann garantiert werden, dass dem Sturz des Diktators nicht von einem Übergangsregime gefolgt wird - so wie in Ägypten und Tunesien - wo die Armee und Teile der alten Elite die Kontrolle behalten und die Umsetzung der demokratischen und sozialen Forderungen der ArbeiterInnen und der Massen verhindern.

Die Ausbreitung der Revolution in Nordafrika und der Ausbruch von Klassenkämpfen in Europa und den USA zeigen aber auch, wie brennend es ist, eine neue Partei der Weltrevolution, eine Fünfte Internationale, aufzubauen, welche die Koordinierung des globalen Widerstands organisatorisch und politisch herstellen kann.

Gaddafi kann sich in seinem Schlupf-loch nicht auf Dauer halten werden, weil er vom Rest des Landes abgeschnitten ist. Seine Ordnung, ist auf Sand gebaut. In einem Kommentar von Fisk heißt es: “Die Öl-, Chemie-. und Uranfelder von Libyen liegen südlich vom befreiten Bengasi. Gaddafis hungriges Kapital kontrolliert nur noch die Wasser-Ressourcen. Deshalb ist eine temporäre Teilung des Landes, was Gaddafi möglicherweise überlegt hat, nicht haltbar.”

Nein zur imperialistischen Intervention!

Eine große Gefahr für die Revolution wäre die Versuchung, sich auf die mitfühlenden Worte der europäischen und amerikanischen Imperialisten zu verlassen oder deren Hilfe in Form einer Invasion zu erbitten. Frankreich, England, die BRD und die USA behaupten jetzt, dass sie die Demokratie unterstützen. Daher sind sie zu den verbalen Angriffen und der Verurteilung von Gaddafi wie in den achtziger und neunziger Jahren zurückgekehrt. Doch noch vor wenigen Wochen haben sie dem Diktator Waffen und Ausrüstung für seinen repressiven Apparat geliefert.

In den letzten fünf Jahren haben England und Frankreich Gaddafi geschmeichelt und gekatzbuckelt, um ein größeres Stück des Öl-Vermögens für ihre multi-nationalen Firmen BP und ELF zu bekommen. Englands Gordon Brown von der Labour Partei besuchte Gaddafi,  Frankreichs Nicholas Sarkozy lud ihn nach Paris ein. Nun plötzlich ist er wieder ein Monster.

Während sie gegen die massive Verletzung von Menschenrechten protestierten, haben die Regierungen der EU und die EU-Kommission in Wahrheit mehr Angst vor den ArbeiterInnen und Jugendlichen, die jetzt vor den Massakern fliehen und versuchen, in die EU-Länder einzureisen. Ihre erste praktische Antwort war daher die Schließung der europäischen Grenzen, um die Flüchtlinge abzuwehren. Was früher die libysche Armee sicherstellte, wird nun von europäischen Kriegschiffen und der EU-Grenzpolizei (Frontex) erledigt.

Aber eine “humanitäre”, militärische Intervention von USA, EU oder UN-Kräften wäre katastrophal. Ihr wahres Ziel wäre es, die “Ordnung wiederherzustellen”, die lebendigen Kräfte der Revolution zu ersticken und die Kontrolle der multi-nationalen Konzerne über den Öl-Reichtum des Landes zu verteidigen. Am Ende konnte eine solche Intervention für das Land die gleichen höllenähnlichen Konsequenzen bringen, die wir bei den anderen “humanitären” und “demokratischen” Invasionen im Irak und Afghanistan erlebt hat. Unter solchen Umständen könnten Gaddafis Schläger sogar noch als nationale Befreiungskämpfer posieren.

Deshalb unterstützt die Liga für die Fünfte Internationale den libyschen Aufstand und bekundet den KämperInnen in Ägypten und Tunesien ihre Solidarität. Die ArbeiterInnen der ganzen Welt, die für Gewerkschaftsrechte kämpfen oder ihren Lebensstandards verteidigen, sollen das Gleiche tun und durch die Organisierung von materieller Unterstützung ihre Solidarität mit der Bewegung ausdrücken. Sie sollen Boykotte der Öl-Exporte von Libyen organisieren, um die Öl-Einnahmen des Gadaffi-Regimes zu kappen.

Die heldenhaften jungen KämpferInnen für Demokratie in der arabischen Welt und im Iran sollen die Nahöstliche Revolution verbreiten - bis jeder Diktator gestürzt ist!

Sieg der libyschen Revolution! Nieder mit dem Schlächter von Tripolis!

ArbeiterInnen und Jugendliche in Libyen: Übernehmt die Kontrolle des Landes durch Delegiertenräte und Milizen!

Verbreitet die Revolution nach Algerien, Jordanien, Syrien, Iran und die Golf-Monarchien!

Für die Öffnung der Grenzen Europas für Flüchtlinge aus Gaddafis Terrorregime!

Für die Zerschlagung der Blockade von Gaza und der West Bank!

Für Vereinigte Sozialistische Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas!

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Nr. 157, März 2011
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