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100 Jahre Internationaler Frauentag

Der Kampf geht weiter!

Zora Zelano, Neue Internationale 157, März 2011

Schneebälle zerschellen an den Fabrikfenstern, an den Toren werden Rufe laut. Wir sind in Russland, im Petrograder Stadtteil Wyborg. Es ist der 23. Februar 1917. Am Morgen hatten in einigen Textilfabriken geheime Versammlungen zum Thema "Krieg, hohe Preise und die Situation der Arbeiterin" stattgefunden und die Frauen stimmten, dem Hunger, der Not und ihrer allgemeinen Situation im Arbeitsleben überdrüssig, eine nach der anderen für den Streik.

Dann zogen die kampfbereiten Frauen durch die Straßen und forderten ihre KollegInnen in den anderen Fabriken zur Solidarität auf. Ihre Hauptforderung war: Brot! Am Ende des Tages standen in Wyborg 59.000 Männer und Frauen - 61% aller FabrikarbeiterInnen - im Streik. Fünf Tage danach hatten die ArbeiterInnen und Soldaten einen Aufstand angeführt, der den Zaren zur Abdankung zwang. Die Feiern rund um den Internationalen Frauentag durch die Petrograder Arbeiterinnen hatten die Februarrevolution eröffnet.

Der Internationale Frauentag wurde zuerst von den Führerinnen der sozialistischen Frauenbewegung der II. Internationale als Feiertag der proletarischen Frauen angenommen. Clara Zetkin schlug 1910 dem Internationalen Frauentreffen vor, dass ein Tag - ähnlich dem 1. Mai - für die Proletarierinnen zum Arbeiterfesttag erklärt werden sollte. Das Datum, auf das sie sich einigten, war der 8. März - in Erinnerung an jene Arbeiterinnen in New York, die gegen die entsetzlichen Bedingungen in der Nadelfabrikation demonstriert hatten.

Der 8. März in Deutschland

Die Feier des 8. März jährt sich in diesem Jahr zum 100. Mal. Doch in der Geschichte gab es neben  Ereignissen wie dem Streik der Frauen in Russland 1917 auch Momente, in denen der Kampftag vernachlässigt oder beschönigt wurde oder nicht offen begangen werden konnte.

In der Weimarer Republik musste sich der Frauentag nach dem Ersten Weltkrieg und der Einführung des Frauenwahlrechts 1919 neu definieren, standen doch kurz zuvor noch der Frieden und das Wahlrecht als zentrale Kampfziele im Vordergrund. Durch die Spaltung der Arbeiterbewegung in KPD und SPD wurde auch der gemeinsame Kampf der Frauen gespalten und geschwächt. Clara Zetkin führte die Tradition des 8. März in der KPD fort, wohingegen die Frauen in der SPD erst um die Wiedereinführung eines Frauentages kämpfen mussten. Dies gelang ihnen 1926, was damit einher ging, das es nun zwei Frauentage gab, wobei der Tag der SPD nicht an ein festes Datum gekoppelt war.

In Deutschland forderten die Frauen in dieser Zeit v.a. Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnabschläge, eine Senkung der Lebensmittelpreise, regelmäßige Schulspeisung und den legalen Schwangerschaftsabbruch.

Von 1933-45 war der Frauentag aufgrund seiner sozialistischen Herkunft offiziell verboten und durch den „Muttertag“ ersetzt. Diese Ehrung der Familienmutter passte besser in das propagierte Frauenbild der Nazis als die für Gleichstellung kämpfende Frau. Die illegalen Feiern zum 8. März waren in dieser Zeit Zeichen des Widerstands.

Der Umgang mit dem 8. März war nach dem Zweiten Weltkrieg in Ost und West sehr unterschiedlich. Während in der sowjetischen Besatzungszone schon 1946 der Frauentag gefeiert wurde, kam es im Westen erst 1948 zur Wiedereinführung und erst in den 80ern zum wirklichen Wiederaufleben. Themen waren nach dem Krieg v.a. der Kampf für Frieden und gegen die Wiederbewaffnung.

1975, dem „Internationalen Jahr der Frau“, richtete auch die UNO erstmals am 8. März eine Feier aus. Den 8. März als „Internationalen Frauentag“ anzuerkennen, beschloss die Generalversammlung der UN im Dezember 1977.

Der Frauentag in der DDR

Trotz offizieller Anerkennung mutierte der 8. März in der DDR zu einer Farce, bei der die Männer einmal im Jahr bei der betrieblichen Feier Blumen überreichten und ihren Kolleginnen Kaffee servierten. Von einem offenen Klima der politischen Diskussion über spezifische Probleme von Frauen war die DDR weit entfernt. Die - im Vergleich zur BRD - meist besseren Bedingungen für Kinderbetreuung wurden als „Geschenke“ der Staatsführung präsentiert und waren eben nicht Ergebnis der Selbsttätigkeit der Frauen und einer öffentlichen Diskussion über die Gestaltung der Gesellschaft. Die wesentlichen Strukturen der Frauenunterdrückung wie Familie, Hausarbeit, tradierte Arbeitsteilung blieben intakt. Trotz wichtiger Errungenschaften in Sachen Gleichberechtigung war der Alltag von Frauen zugleich stark durch die Doppelbelastung von Beruf und Haushalt/Kinder/Familie geprägt.

Auch die in Anfängen steckengebliebene Befreiung der Frau in der DDR verweist einerseits darauf, dass erst die Überwindung des Privateigentums auch die Befreiung der Frau möglich wird. Andererseits zeigt sie aber auch, wie weit der Stalinismus sich von den Zielen der revolutionären Arbeiterbewegung und des Marxismus entfernt hatte und deshalb ausserstande war, die riesigen Möglichkeiten einer nichtkapitalistischen Gesellschaft auszuschöpfen.

8. März und bürgerliche Frauenbewegung

2010 plädierte Alice Schwarzer für eine komplette Streichung des 8. März: „Schaffen wir ihn (…) endlich ab, diesen gönnerhaften 8. März! Und machen wir aus dem einen Frauentag im Jahr 365 Tage für Menschen, Frauen wie Männer.“

Was Schwarzer durch ihre Aussage negiert, ist die nach wie vor anhaltende Diskriminierung der Frau. Sie spricht damit eine verbreitete Meinung in der Gesellschaft aus, welche den Kampf um Frauenbefreiung für abgeschlossen hält, da sowohl das Wahlrecht, als auch die Gleichstellung der Frau vor dem Gesetz seit Jahren definiert sei.

Dass die Realität nicht den Vorschriften des Gesetzes folgt, fällt hierbei völlig unter den Tisch. Dass Frauen nach wie vor für dieselbe Arbeit oft weniger Lohn bekommen, dass nach wie vor typische, gut bezahlte, Männerberufe, schlecht bezahlten Frauenberufen gegenüberstehen und die Doppelbelastung von Haushalt und Beruf zum Großteil Frauen trifft, wird ebenso negiert.

Typisch für die bürgerliche Frauenbewegung, wie auch für die modernen Strömungen der Gender-Studies/Geschlechterforschung ist ein individualisierter Ansatz, nach welchem Unterdrückung nicht mehr als systematische gesellschaftliche Form begriffen wird, sondern auf individuelles Fehlverhalten/-denken der Betroffenen und ihres Umfelds zurückgeführt wird. Doch als MarxistInnen müssen wir diesen Ansatz entschieden zurückweisen.

Dass eine Angela Merkel Kanzlerin wird und eine Ursula von der Leyen sieben Kinder mit ihrem Beruf vereinen kann, sind zwar in Mitteleuropa keine absoluten Einzelschicksale mehr, aber doch Ausdruck der Privilegien der Oberschicht, des Kleinbürgertums und der Bourgeoisie.

Im Schnitt sieht die Situation von Frauen ohne Haushälterin und Kitaplatz anders aus. Von der weltweiten Situation der Arbeiterinnen gar nicht zu sprechen. Solange Privateigentum existiert und die Hausarbeit nicht in Form von öffentlichen Kantinen, Waschsalons und kollektiver Kinderbetreuung als Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit anerkannt und vergesellschaftet wird, kann von der befreiten Frau keine Rede sein. Diese Ziele lassen sich nur durch den Kampf einer proletarischen Frauenbewegung gemeinsamen mit allen ArbeiterInnen für eine sozialistische Gesellschaft erreichen.

Proletarische Frauenbewegung

Die theoretischen Wegbereiter der proletarischen Frauenbewegung sind zum Großteil Männer, da diese ihre politische Betätigung nutzten konnten, um auf das Defizit der Frauenrechte aufmerksam zu machen. Marx und Engels waren in diesem Punkt fortschrittliche Wegbereiter. Engels Bedeutung geht besonders auf die heutzutage leider wenig gelesene Schrift aus dem Jahr 1884 zurück: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“. Der Text fordert, dass dem weiblichen Akt der Reproduktion die gleiche Bedeutung beigemessen werden müsse wie der Produktion der materiellen Lebensgrundlagen. Eine zu jener Zeit in und außerhalb der Arbeiterbewegung unerhörte Aufwertung der Rolle der Frau.

Clara Zetkin

Die Frau, die man als erstes mit der proletarischen Frauenbewegung in Verbindung bringt, ist wohl Clara Zetkin. Doch ist sie bei weitem nicht die erste Frau, die sich dem Thema der Frauenbefreiung widmete. Der Kampf um die Rechte der Frauen geht weit in die Geschichte zurück. Die französische Schriftstellerin und Sozialistin Flora Tristan (1803-44) gilt als die erste Frau, von der überliefert ist, dass sie die Befreiung der Frau unweigerlich an die gerechte Entlohnung und damit an die Rolle der Frau im Wirtschaftsleben koppelt.

Clara Zetkin ließ sich von ihr beeinflussen und führt Tristans Ansätze konsequent fort. Zetkin schreibt in ihrem Aufruf „Für die Befreiung der Frau“ 1889: „Emanzipation der Frau heißt die vollständige Veränderung ihrer sozialen Stellung von Grund aus, eine Revolution ihrer Rolle im Wirtschaftsleben. Die alte Form der Produktion mit ihren unvollkommenen Arbeitsmitteln fesselte die Frau an die Familie und beschränkte ihren Wirkungskreis auf das Innere ihres Hauses.“

Neben Clara Zetkin gehören auch Rosa Luxemburg, welche als wichtige Theoretikerin u.a. Maßgeblich für das Programm der KPD verantwortlich war, und Alexandra Kollontai, zu deren Verdiensten als erste Ministerin in der Sowjetunion u.a. die Lockerung des Eherechts, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, die Verbesserung des Mutterschutzes und der Kampf für die Vergesellschaftung der Hausarbeit zählt, zu den berühmten Vorbildern der revolutionären Frauenbewegung. Durch ihren Kampf für Frauenrechte sowie durch ihre wichtige Rolle als Revolutionärinnen sind sie zentrale Persönlichkeiten der proletarischen Frauenbewegung.

Lassen wir uns nicht von Alice ein schwarzes Wunderland vorgaukeln, sondern kämpfen wir im Sinne von Zetkin, Luxemburg und Kollontai für eine sozialistische Gesellschaft, in der die wirkliche Befreiung der Frau erst möglich wird.

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Nr. 157, März 2011
*  100 Jahre Frauentag: Alles Gleichberechtigung - oder was?
*  Geschichte des 8. März: Der Kampf geht weiter
*  Initiative "Tarifeinheit": Ein Angriff auf das Streikrecht
*  Skandal in München: Ver.di als Streikbrecher
*  Bahn: Sieg dem GDL-Streik!
*  Heile Welt
*  Blockaden in Dresden: Schlappe für Nazis
*  Libyen: Gaddafis Bankrott
*  Naher Osten: Flächenbrand
*  Italien: Berlusconis Ende?
*  USA, Wicsonsin: ArbeiterInnen wehren sich
*  Filmbesprechung "We want sex": Made in Dagenham
*  Kommunalwahlen in Hessen
*  Landtagswahlen in Baden-Württemberg: Weg mit Mappus und Schwarz-Gelb!