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Linkspartei

Wenn der Staat für alle da wäre ...

Hannes Hohn/Martin Mittner, Neue Internationale 134, November 2008

Wie jede Partei im Bundestag hat auch Die Linke, ihrer Schüsselforderungen zur Krise präsentiert:

1. härtere Auflagen für das Finanzkapital, um den Zusammenbruch des Bankensystems zu verhindern;

2. ein Konjunkturprogramm in Höhe von 50 Milliarden, um die Kaufkraft zu stärken, eine Rezession zu verhindern und eine Million Jobs zu schaffen.

Diese Positionen ähneln nicht zufällig jenen der DGB-Gewerkschaften, schließlich sind ja auch einige der Autoren/Inspiratoren wie die Mitarbeiter der ver.di-Abteilung Wirtschaftspolitik Michael Schlecht und Ralf Krämer zugleich „Wirtschaftsexperten“ der LINKEN.

Linke gegen das Rettungspaket?

Bekanntlich hat die Parlamentsfraktion der LINKEN im Bundestag gegen das Rettungspaket der Regierung gestimmt - freilich nur, um im Bundesrat, also wo es darauf ankommt, dann doch dafür zu sein. Nun sagen einige leichtfertige Gemüter, dass die Berliner LINKE damit gegen die Linie der Linkspartei im Bund verstoßen hätte.

Doch das ist pures Wunschdenken. Es ist vielmehr eine altbekannte Taktik reformistischer Parteien, dort „hart“ zu bleiben, wo die herrschende Klasse ihre Stimme ohnedies nicht braucht, um dann dort, wo es darauf ankommt „aufgrund der Sachzwänge“ und der „Verantwortung für Berlin“ doch mitzumachen.

Aber auch die Stellungnahmen führender Politiker der Parteispitze und der Parlamentsfraktion verdeutlichen das. In einem Interview mit der Presseagentur Reuters sprach sich Lafontaine offen für das US-Finanzpaket aus. In seiner Rede vom 15. Oktober erklärt er erneut, dass das Paket der Regierung „technisch in Ordnung“ und von daher in der Sache nicht zu kritisieren sei.

Er wirft der Regierung aber vor, dass diese weiter den Staat und das Regierungshandeln den Finanzmärkten unterordne, anstatt die Politik über den Finanzsektor bestimmen zu lassen.

Kurzum, die innere Logik der Gesetze der bürgerlichen Profitmacherei sollen vom deutschen und anderen imperialistischen Staaten außer Kraft gesetzt werden. Daher hat die LINKE auch ein eigenes Forderungspaket zur Finanzkrise aufgelegt. Dieses beinhaltet u.a.:

“Absicherung zentraler Aufgaben des Finanzsystems

ausreichende und zinsgünstige Kreditversorgung, Garantie der Bankeinlagen in unbeschränkter Höhe, Einrichtung eines von den privaten Finanzinstituten gespeisten Sicherungsfonds,

Beseitigung besonders destabilisierender Praktiken

drastische Reduzierung und wo nötig Verbot von besonders riskanten Finanzinstrumenten, energische Eindämmung von Hedge-Fonds, Verpflichtung zu mehr Eigenkapital, Verbot von Aktienoptionen für Manager, Mindesthaltefristen für Aktienbeteiligungen des Managements, verschärfte Haftung von Managern,

Schritte zur mittelfristigen Reform des Finanzsystems

internationales Kreditregister, weitgehende Beschränkung von Banken auf das Einlagen- und Kreditgeschäft, strenge Kontrolle des Investmentbankings, keine spekulativen Geschäfte mit Devisen, verschärfte Beschränkungen für kapitalgedeckte Altersvorsorge, Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung, Kontrolle von privaten und Aufbau von öffentlichen Rating-Agenturen, Zulassungspflicht für bestehende und neu entwickelte Finanzprodukte durch einen Finanz-TÜV, Transaktionssteuern auf den Handel mit Wertpapieren und Devisen, Schließung von Steueroasen.”  (http://www.linksfraktion.de/finanzkrise.php)

So könne, der Partei die LINKE zufolge, die Finanzkrise in den Griff und eine zukünftige Spekulationswelle verhindert werden.

Deutlich wird dabei, dass man allen Ernstes davon ausgeht, dass es reiche, bestimmte Praktiken des Finanzkapitals zu verbieten und strenge öffentliche Kontrollen einzuführen, ohne das Privateigentum und die kapitalistische Marktwirtschaft, also die Ursache der Finanzkapriolen usw. selbst anzugreifen.

Die LINKE präsentiert damit ein alternatives Programm zur Rettung des Kapitalismus, nicht etwa ein Programm des Kampfes gegen das System.

Investitionsprogramm

Der andere Part der Politik der Partei besteht darin, ein Investitionsprogramm von 50 Milliarden zu fordern. Davon sollen 20 Milliarden in die Erhöhung von Hartz-IV, Mindestlohn, in die Anhebung der Renten und Transferleistungen für Bedürftige fließen. Die anderen 30 Milliarden sollen Investitionen (Bildung, Energiewende, Infrastruktur) der Realökonomie ankurbeln. Es handelt sich also um Staatsaufträge für das Privatkapital oder staatliche Ausgaben im Interesse des gesellschaftlichen Gesamtkapitals.

Nicht Enteignung, nicht ein Programm nützlicher Arbeiten unter Arbeiterkontrolle etc. stehen hier an, sondern die Förderung des „produktiven Sektors“, also des „nicht-spekulierenden“ Teils des Kapitals.

Dieser Vorstellung liegt eines zugrunde: Für die Linkspartei ist nicht der Kapitalismus als System, sondern nur der „Finanzmarktkapitalismus“ und „Neoliberalismus“ in der Krise. Daher sollen auch nicht alle Kapitalisten für die Krise zahlen, sondern nur die „Spekulanten“, die Finanzhaie und die Vermögenden, während die „Realökonomie“ entlastet werden und Aufträge im Wert von 30 Milliarden erhalten soll.

Was die LINKE hier präsentiert, ist also kein Programm gegen den Kapitalismus, sondern für einen „anderen Kapitalismus“, der „binnenmarktorientiert ist“ und wo die Profitinteressen der produktiven Unternehmen mit jenen der Lohnabhängigen über eine staatlich finanzierte und orchestrierte Ausweitung des Marktes vermittelt werden sollen.

Was die ArbeiterInnen an höheren Löhnen in Form von Mindestlohn, höheren Hartz-IV-Bezügen usw. mehr erhielten, würde auch den Kapitalisten (genauer: den produzierenden und dem Handelskapital) in Form einer gewachsenen und kaufkräftigeren Kundenschar zugute kommen.

Wie all diese Theorien, die gern bestimmte Formen des Kapitals (in diesem Fall des zinstragenden Kapitals) von anderen Formen absondern und entgegenstellen, übersieht die Konzeption der Linkspartei, dass die Kapitalisten nicht einfach nach Verkauf der Waren und Schaffung irgendeines Profits streben, sondern immer eine ausreichende und möglichst hohe Profitrate, also Verwertung des von ihnen vorgeschossenen Kapitals im Auge haben.

Diese Profitraten sind aber für das Gesamtkapital in allen großen Industrieländern seit den 70er Jahren tendenziell sinkend und zu gering, was eben erst zur „Flucht“ in die Spekulation, zur riesigen Ausdehnung des fiktiven Kapitals an den Finanzmärkten geführt hat, wo natürlich auch jeder „produktive“ Kapitalist, sofern er denn konnte, sein Anlageheil gesucht hat.

Es ist theoretisch eine Verkennung der inneren Entwicklungsgesetze des Kapitalismus zu glauben, mit einem Konjunkturprogramm die Rezession zu verhindern. Wer solche Albernheiten verbreitet, bereitet nicht den Kampf gegen die Regierung vor, sondern führt die Klasse in eine Sackgasse - mit einer Illusion, die notwendig enttäuscht werden muss.

Er tut das umso mehr, als selbst die meisten Maßnahmen der LINKEN auf den Widerstand der herrschenden Klasse stoßen werden - weil sich dieser bewusst ist, dass die Lösung der Krise keine Wohltaten für „alle Menschen“, sondern Klassenkampf, Angriffe auf die Lohnabhängigen bedeutet.

Demokratische Kontrolle?

Die Forderungen der LINKEN nach „demokratischer Kontrolle“ und „Verstaatlichung“ offenbaren, dass der politische Horizont dieser Partei im Endeffekt nicht über bürgerliche Vorstellungen hinausreicht.

Das Kapital hat oft genug selbst nach Verstaatlichung oder demokratischer Verantwortung des Staates gerufen - wenn es galt, die Folgen von Pleiten, Pech und Pannen für einzelne Kapitalisten oder die bürgerliche Klasse insgesamt zu schultern.

Verstaatlichungen oder Kontrollen, die wirklich etwas Substanzielles verbessern, können nicht von denen vorgenommen oder gemanagt werden, die selbst die Misere angerichtet haben, oder vom bürgerlichen Staat, der über tausend Kanäle mit dem Kapital verbandelt und deren Werkzeug ist.

Es ist kein Zufall, dass die Beschäftigten - ganz zu schweigen von der Arbeiterklasse - als Subjekt dieser Maßnahmen bei der LINKEN nicht auftauchen. Die Umsetzung von Arbeiterkontrolle über Verstaatlichung, Buchführung usw. wäre nämlich mit einer Einschränkung oder sogar Überwindung des Privateigentums an den Produktionsmitteln bzw. der realen Verfügung darüber verbunden. Es würde fast automatisch die Möglichkeit einer nichtkapitalistischen, von ProduzentInnen und KonsumentInnen kontrollierten, demokratischen Planwirtschaft aufzeigen. Das aber würde auf den rabiaten Widerstand der Bourgeoisie und ihres Staates treffen.

Das wissen auch Lafontaine und Gysi - und deshalb sind sie dagegen! Statt diese Fragen offen auszusprechen und eine Perspektive zu entwickeln - für den Abwehrkampf und für eine alternative Gesellschaft, präsentieren sie uns den alten Hut vom „neutralen Staat“, mit dem sich der Kapitalismus samt seiner Gebrechen reformieren ließe.

Illusionen

Was die Position der LINKEN auch auszeichnet, ist die Annahme, dass eine rechtzeitige Regulierung des Finanzsektors die Krise hätte verhindern können. Doch der aufgeblähte und hochspekulative Finanzsektor wirkte ein gewisse Zeit lang durchaus als Ventil, um den Druck immer größerer Massen Anlage suchenden Kapitals, das im produktiven Bereich kaum noch profitabel verwertbar war, in die Finanzsphäre umzuleiten. Ohne diesen „Ausgleich“ wäre die Krise jedoch nur anders - und womöglich eher - ausgebrochen.

Ein weiterer fataler Irrtum ist die von vielen LINKEN-PolitkerInnen immer wieder geäußerte Meinung, dass die Finanzkrise „leider“ eine ansonsten gesunde „Realwirtschaft“ mit in die Bredouille gebracht hätte. Daran ist erstens falsch, dass es eine quasi vom Finanzsektor „abgekoppelte“ industrielle Wirtschaft geben würde. Doch gerade im Zeitalter des Imperialismus dominiert das Finanzkapital immer mehr die Gesamtwirtschaft. Dabei ist die Form verschieden - so ist das US-Bankensystem anders strukturiert als das deutsche - doch die Wirkung ist prinzipiell gleich. Diese Schlüsselfunktion des Finanzbereichs erklärt auch die verzweifelten und massiven Rettungsversuche.

Dass die Krise der „Realwirtschaft“ die eigentliche Ursache der Finanzkrise ist, wird schon daran deutlich, dass das niedrige US-Zinsniveau (Leitzins wie Realzinsen) der letzten Jahre wesentlich zur Entstehung der Finanzkrise beitrug. Das bedeutete, dass mit „normalen“ Finanzgeschäften zu wenig Gewinn gemacht werden konnte, was angesichts des immer größer werdenden Berges „überschüssigen“, marodierenden Geldkapitals umso fataler war. Um diese Probleme zu lösen, wurden dann die „innovativen“ Finanzprodukte kreiert, deren Platzen dann das Fass zum Überlaufen brachten.

Doch warum waren die Zinsen so niedrig - um die Wirtschaft anzukurbeln! Und ankurbeln muss man nur etwas, das nicht richtig rund läuft!

Systemretter

Diese Positionen der LINKEN verraten außer weitgehender Unkenntnis der Bewegungsgesetze des Kapitals vor allem, welch illusionäre - und zugleich positive! - Grundhaltung die Strategen der LINKEN gegenüber dem Kapitalismus haben. Das exorbitante Wachstum des Finanzsektors in den letzten Jahrzehnten beweist doch auf seine Art schlagend, dass es bei der Produktion im Kapitalismus nicht um die Schaffung von Gebrauchswerten und damit um die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse geht, sondern nur um den Tauschwert und die Befriedigung des Hungers nach Profit.

Dass die LINKE in einer Situation, wo der Kapitalismus als Gesamtsystem zunehmend weniger „funktioniert“ und in eine tiefe Legitimationskrise gerät, dieses System retten will, sagt allein schon genug über sie aus!

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Nr. 134, Nov. 2008
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