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Die linke und das NLO

Imitation oder Alternative?

Peter Lenz, Neue Internationale 122, Juli/August 2007

Nach dem Wahlerfolg in Bremen und der vom Vorstand gemanagten Fusion gibt sich die Linkspartei euphorisch. Tatsächlich kann die LINKE nach den nächsten Landtagswahlen in weitere Länderparlamente einziehen. Ihre Umfragewerte liegenderzeit bei ca. 11 Prozent. Damit hat sie einen Platz im Parteienspektrum eingenommen, der sie als Koalitionspartner interessant macht. Trotz der kalten Schulter, die SPD-Chef Beck der Linkspartei zeigt, bröckelt in der SPD die Front der Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der LINKEN.

Berlins OB Wowereit (SPD) verweist auf sein „Berliner Modell einer Zusammenarbeit zwischen SPD und Linkspartei“, das sich bewährt habe. Ohne Lafontaine, der sich „überhaupt nicht bewegt“ habe und für eine „vollkommen unrealistische“ Außenpolitik stehe, könne es gehen. In Berlin sei die „neue Linkspartei der Zukunft“ in ihrem Berliner Landesverband bereits verwirklicht.

Wowereit hofft daruf, dass „die linke Mehrheit irgendwann bündnisfähig wird. Gut möglich, dass sich inhaltlich die Linke auch bundesweit einmal so wie in Berlin entwickelt“. (Spiegel 27/07). Lafontaine seinerseits kündigte in der "Leipziger Volkszeitung" an, er wolle kein Hinderungsgrund für eine etwaige Regierungszusammenarbeit in der Zukunft sein. "Mir kommt es auf die Durchsetzung politischer Ziele an. (...) Wenn die Inhalte der Koalitionsvereinbarung stimmen, bin ich zufrieden und stehe niemandem im Wege.“

Anpassung

Auch andere Repräsentanten der LINKEN machen kein Hehl daraus, dass sie die Partei „koalitionsfähig“ machen wollen. „Sozialisten wollen ja nicht nur eine Bewegung sein. Wir wollen ja irgendwann über die ganz normalen demokratischen Gremien des Staates regieren, und insofern gehört das Staatstragende auch dazu.", meint z.B. Christian Stähle, Kreisvorsitzender der Linkspartei in Stuttgart und Leiter des Organisationsbüros der Fraktion Die Linke im Bundestag.

Doch trotz des kurzfristigen Mitglieder- und Umfrageaufschwungs der Linkspartei ist nicht zu übersehen, dass ihre Anziehungskraft nicht übermäßig stark ist. Ein erheblicher teil der WASG-Mitgliedschaft hat die Fusion nicht mit vollzogen oder ist passiv - wie schon vorher das Gros der PDS-Mitglieder. Die auf das Mitregieren, also auf die Verwaltung der Krise des Kapitalismus, orientierte „alte“ Politik der PDS und ihre weitgehende Passivität im außerparlamentarischen Kampf wird nahtlos auch von der „neuen“ LINKEN weitergeführt.

Während Heiligendamm haben die Kniefälle etlicher "linker" Promis vor dem Staat und ihre Verurteilung der radikalen Teile der Bewegung nochmals klar gezeigt, auf welcher Seite der Barrikade diese „linke“ Partei steht. Kein Wunder, dass sich antikapitalistische AktivistInnen, kämpferische KollegInnen und GewerkschafterInnen oder Hartz IV-EmpängerInnen von dieser LINKEN nicht angezogen fühlen.

Die LINKE hat keine mobilisierende Funktion für den Widerstand; aber sie hat eine Funktion für den Klassengegner. Sie soll kritisches Potential und von der SPD Enttäuschte mit ihrem „linkeren“ Auftreten auffangen, um sie schließlich wieder, quasi durch die Hintertür, ins Lager des Reformismus zurückzuführen. Sie soll auch durch diverse Integrationsangebote am „linken Flügel“ dazu beitragen, dass sich links von der LINKEN nichts formiert.

Diese Perspektive ist auch ganz klar aus den programmatisch-methodischen Grundlagen der  LINKEN (wie auch der WASG) ersichtlich.

Was haben wir in Zukunft von der LINKEN zu erwarten? Hinter ihrer linken Rhetorik werden sich „realpolitische,“ d.h. reformistische und auch neoliberale Politik durchsetzen. Hinter den Kulissen wird sich der Kampf um Posten, Alimentierung usw. verstärken. Je mehr Wahlerfolge, desto größer auch der Zustrom aus den Kreisen der Gewerkschafts-, aber auch der SPD-Bürokratie, die sich von der SPD nicht mehr vertreten fühlen. Sie wollen in ihrer Mehrzahl an die Futterkrippen des bürgerlichen Staats in Gestalt parlamentarischer Jobs, Positionen im Apparat der Partei und seiner Umfeld-Strukturen - wie wir es seit Jahrzehnten aus der SPD kennen.

Das NLO

Zustand und Perspektive der LINKEN einerseits wie die permanenten Angriffe auf soziale und politische Errungenschaften durch Staat und Kapital andererseits verweisen auf die Notwendigkeit des Aufbaus einer starken antikapitalistischen, kämpferischen Arbeiterpartei. Die schwindende Bindungskraft der Sozialdemokratie, das Auftreten neuer kämpferischer Schichten und selbst Phänomene wie die Entstehung der WASG sind zugleich Faktoren, die zeigen, dass diese Aufgabe lösbar ist und reale Kräfte dafür vorhanden sind.

Das Netzwerk Linke Opposition (NLO) sammelte ein Teil jener Kräfte aus der WASG, welche die reformistische Fusion mit der PDS ablehnten. Mit den „Roten Linien“ von Felsberg gab es dazu einen Minimalkonsens.

Von Anfang an war aber auch klar, dass das NLO unterschiedliche politische Spektren vereint und kein einheitliches Programm hat. Das ist insofern ein Vorteil, weil das NLO damit als Struktur offen ist für neue Kräfte; es ist aber zugleich auch ein Nachteil, weil die politisch-inhaltliche Basis instabil und unausgegoren ist.

Wenn das Konzept des NLO, neue Schichten von AktivistInnen und Linke anzuziehen, daraus eine Alternative zur LINKEN und zur SPD zu formieren und einen Schritt Richtung Schaffung einer neuen revolutionär-sozialistischen Arbeiterpartei zu gehen, aufgehen soll, dann muss das NLO über das erreichte Niveau hinauskommen.

Eine ehrliche Bilanz zeigt nämlich, dass das NLO bisher neben positiven Entwicklungen und einem leichten Wachstum auch einige ernste Schwächen aufweist:

es gab bisher Ansätze und Diskussionen, aber noch keine nennenswerten (Zwischen)Ergebnisse in der Erarbeitung einer programmatischen Basis;

es fehlt an einem bundesweiten Praxisfeld, das Eingreifen in Heiligendamm war sehr unzureichend und nur in Berlin trat das NLO bisher als mobilisierende Kraft in Erscheinung, als es die Demo gegen den EU-Gipfel mit 4.000 bis 5.000 TeilnehmerInnen maßgeblich mitorganisierte.

Konflikte

In den letzten Wochen und Monaten hat sich die inhaltliche Auseinandersetzung im NLO zugespitzt. Im Rat des NLO (von den Basisgruppen gewählte Delegierte) gab es vor dem G8-Gipfel eine Auseinandersetzung um einen gemeinsamen Aufruf. Obwohl es eine Mehrheit für eine umfassende und klare Stellungnahme gab, hat die Minderheit die Veröffentlichung verhindert - ein zweifelsfrei undemokratisches Vorgehen.

Aktuell gibt es im Rat des NLO eine Debatte um die Frage, ob der Aufruf zur Demo gegen den Afghanistan-Einsatz am 15.9. in Berlin, wie er vom „Kasseler Ratschlag“ verfasst wurde, vom NLO unterschrieben werden soll.

Wir finden es wichtig, in Bewegungen zu arbeiten und Mobilisierungen aufzubauen. Aber wir müssen das mit eigenen Positionen, Vorschlägen, Profilen angehen. Der Aufruf des „Ratschlags“ ist kein Kurzaufruf zur gemeinsamen Aktion, sondern eine Propagandaplattform der pazifistischen Friedensbewegung und dient in altbekannter Manier auch dazu, die militanteren linkeren Kräfte an den Rand zu drängen. Diesem pazifistischen Aufruf darf deshalb nicht zugestimmt werden! Zudem kann sich das NLO so als eigenständiges Projekt auch nicht darstellen.

Diese Meinungsverschiedenheiten widerspiegeln grundsätzliche Differenzen in der wichtigen Frage der Einheitsfrontpolitik, die nach Auffassung der rechteren Kräfte im NLO so verstanden wird, auf das Vertreten eigener Standpunkte zu verzichten, „um auch bürgerlichen Kräften“ den Weg in Bündnisse zu ebnen und es sich mit den Reformisten und kleinbürgerlichen Kräften, die die Bewegung oft dominieren, „nicht zu verderben“.

Wie weiter?

Das NLO befindet sich momentan in einer möglicherweise entscheidenden Phase: entweder es kommt in der programmatischen Debatte wirklich voran und entwickelt eine systematische Praxis oder aber es wird stagnieren und letztlich in der Bedeutungslosigkeit enden.

Was sich immer deutlicher abzeichnet, ist eine politische Polarisierung. Der linke Flügel, zu dem sich auch Arbeitermacht rechnet, will die programmatische Diskussion forcieren - mit dem Ziel der Erarbeitung eines Programms, das klar revolutionär und kommunistisch ist, d.h. auf Klassenkampf und auf die Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt abzielt.

Der rechte Flügel dagegen will eben diese Orientierung auf den Aufbau einer politisch klar positionierten Partei nicht, hat als Modell offenbar eher eine Neu- oder Nachauflage der WASG im Sinn oder hofft auf ein „allmähliches“ Übergehen der VertreterInnen reformistischer und kleinbürgerlicher Positionen ins „sozialistische“ Lager.

Dafür wären freilich auch ein Programm und eine klärende Programmdiskussion gar nicht nötig. Selbst die Debatte über ein Programm wird da von einigen abgelehnt, weil das „Leute abschrecken könnte.“ Zwischen diesen beiden Polen gibt es verschiedene Gruppierungen.

Die Positionen des rechten Teils des NLO erinnern oft an die Positionen und Debatten in der WASG und sind letztlich ein Ausdruck des tief verwurzelten Sozialdemokratismus in der Arbeiterbewegung und in der Linken. Das zeigt sich u.a. in der Ausrichtung auf den bürgerlichen Staat und den Parlamentarismus sowie in bürgerlichen Denkmodellen wie dem Keynesianismus.

Doch während die ideologische und politische Vorherrschaft des Reformismus zunehmend Risse bekommt, wollen einige Kräfte im NLO aus diesem morschen Gebälk ihre politische Zukunft zimmern.

Die Kernfrage ist jedoch, wie sich ein antikapitalistisches Netzwerk auf eine Phase von verstärkten Klassenkämpfen und Massenbewegungen vorbereiten kann? Wir sehen eine mehrfache Aufgabenstellung: Zusammenführen von Kräften, Gewinnung weiterer MitkämpferInnen und programmatische Auseinandersetzung. Wir müssen schon heute die fortschrittlichsten, kämpferischsten Elemente gewinnen, Programm und Arbeiterbewegung verbinden.

Schon längst haben Gruppen des NLO vor Ort eine Praxis entfaltet, dabei arbeiten sie in diversen Initiativen und Bereichen. Es ist aber die Frage, ob das NLO klare Antworten geben kann in inhaltlicher und organisatorischer Hinsicht, ob es anziehend ist, oder aber nur eine WASG-Politik ohne WASG betreibt?!

Wir fordern hiermit erneut alle AntikapitalistInnen und Linken auf, im NLO mitzuarbeiten und  es aufzubauen und dafür zu kämpfen, dass es eine initiative Rolle spielt im Kampf um eine neue, revolutionären Arbeiterpartei spielt. Denn das NLO ist momentan die einzige bundesweite Struktur, die einen, wenn auch bescheidenen Ansatz bietet, das Fehlen einer revolutionären Klassenführung zu überwinden.

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Nr. 122, Juli/Aug. 2007
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