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Verfassungsentwurf im Irak:

Frauen und Religion

Jeremy Dewar, Neue Internationale 104, Oktober 2005

Die „Besorgnis“ der USA um demokratische Rechte lediglich kosmetischer Art, wie aus dem Artikel 2 des Verfassungsentwurfs hervorgeht:

„2.1. Der Islam ist eine Hauptquelle für die Gesetzgebung. a) Kein Gesetz soll islamischen Standards widersprechen; b) Kein Gesetz soll demokratischen Standards widersprechen; c) Kein Gesetz soll den Grundrechten und Freiheiten, wie sie in dieser Konstitution niedergelegt sind, widersprechen“.

Liberale KommentatorInnen und AktivistInnen für Frauenrechte im Irak haben dem Umstand viel Bedeutung beigemessen, dass diese Formulierung die Rolle des Islam von „der“ Hauptquelle auf „eine“ Hauptquelle zurechtstutzt und dass es eine Mindestquote von 25% der Parlamentssitze für Frauen gibt. Aber das ist eine Illusion. Im Alltagsleben würde diese Verfassung, falls sie konstituiert werden sollte, einen massiven Schlag gegen die irakischen Frauen bedeuten und in keinem Fall die Lage von Frauen im Irak merklich verbessern.

Im Juli wurde berichtet, dass die reaktionäre Badr-Brigade, die zu Al-Sistanis Sciri steht und eng mit der irakischen Polizei und Armee verbunden ist, im Beisein der britischen Armee zur Basra-Universität marschiert war und dort Frauen angegriffen hat, die nicht nach ihren Vorstellungen gekleidet waren.

In Bagdad sind Frauen zunehmend wieder dazu übergegangen, den Schleier zu tragen - nicht aus religiöser Überzeugung, sondern aus Angst für Übergriffen durch Vergewaltiger oder tätlichen Angriffen durch die Badr-Brigade unter dem Vorwurf, „nicht ehrbar“ zu sein, worauf die Todesstrafe stehen kann.

Der Widerstand könnte einen gewaltigen Schub an Unterstützung von Seiten der irakischen Frauen erhalten, wenn er sich einhellig für die vollständige Trennung von Moschee und Staat aussprechen würde.

Die meisten IrakerInnen wollen ihre neue Freiheit zur religiöser Betätigung erhalten, was sich in den großen Aufmärschen zu den heiligen Stätten an religiösen Feiertagen zeigt, zuletzt am 31. August in Bagdad. Aber die Tragik offenbarte sich, als Gerüchte über ein sunnitisches Selbstmordattentat zu einer Panik und dem Tod von 1.000 Pilgern führte. Dieses Ereignis unterstreicht, wie groß die Gefahr für die Spaltung des irakischen Widerstands entlang religiöser Linien ist.

Nur ein weltlicher Staat, der gleiche Rechte für alle Religionen und Privilegien für niemanden festschreibt, kann diese Gefahren beseitigen. Letzten Endes kann nur ein weltlicher Staat, ein Staat der ArbeiterInnen und Bauern durchsetzen, dass die Frauen gleiche Rechte haben und ihre unterdrückte Stellung in der Gesellschaft überwunden wird. Alle nationalistischen und religiösen Führer sowie auch die Besatzer aus den imperialistischen „Kulturnationen“ werden die Unterdrückung der Frauen nicht bekämpfen oder sogar weiter verschlechtern. Schließlich ist die Unterdrückung von Frauen ein notwendiger Teil einer hierarchischen Gesellschaft und soll gerade in Zeiten der sozialen Krise und der Verelendung großer Massen dazu dienen, dem männlichen Bevölkerungsteil quasi eine „Kompensation“ für seine eigene soziale Unterdrückung zu geben.

Im Gefolge der Besatzung und der sozialen Krise im Irak ist klar ersichtlich, dass selbst die bescheidenen Errungenschaften für Frauen während des „weltlichen“ Saddam-Regimes, nun abgebaut werden sollen.

Der Kampf gegen Frauenunterdrückung im Irak kann nur voran kommen, wenn er Teil des Kampfes gegen die Besatzung wird. Er kann nur Erfolg haben, wenn er sich mit den sozialen Kämpfen der Arbeiterklasse, bes. der Ölarbeiter, verbindet. Dazu ist es u.a. notwendig, dafür einzutreten, dass Frauen ein Recht auf gesonderte Treffen und Organisierungsmöglichkeiten in den Kommunen und in den Gewerkschaften haben.

Die 25%-Klausel für Frauen im Parlament ist ein zwar ungenügender, aber in die richtige Richtung führender Schritt. Diese demokratische „Errungenschaft“ ist allerdings v.a. für Frauen aus der Ober- und Mittelschicht relevant. Deshalb ist es notwendig, dass die Arbeiterbewegung, dass die Linke, dass der Widerstand dafür eintritt, dass es lokale Treffen bis hin zu einer nationalen Konferenz der Frauen gibt, auf denen „einfache“ Frauen ihre Interessen artikulieren und beschließen können, wie sie diese durchsetzen können.

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Nr. 104, Oktober 2005

*  Generalangriff abwehren! Neue Arbeiterpartei erkämpfen!
*  Gewerkschaftslinke: Wann, wenn nicht jetzt?
*  Wofür kämpfen? Generalangriff stoppen!
*  Linkspartei nach der Wahl: Fraktion oder Aktion?
*  Heile Welt
*  Prekäre Arbeit und industrielle Reservearmee: Arm trotz Arbeit
*  BSH-Schließung abgewehrt: Widerstand lohnt sich!
*  Israels Rückzug aus Gaza: Brosamen von Scharon
*  G8-Gipfel 2007: Imperialismus pur!
*  50 Jahre Bundeswehr: Zapfenstreich abpfeifen!
*  Irak-Verfassung: Nein zur Farce des Imperialismus!
*  Verfassungsentwurf im Irak: Frauen und Religion