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Planungsmangel und Mangelplanung Hannes Hohn, Revolutionärer Marxismus 29, Winter 1999 Ein DDR-Witz ging so: "Was passiert, wenn die Sahara sozialistisch ist? Antwort: Zunächst sehr lange gar nichts, dann wird nach und nach der Sand knapp". Plastischer als manche Analyse werden hier zwei wichtige Merkmale der DDR-Gesellschaft beschrieben - Stagnation und Mangel. Im folgenden Beitrag wollen wir versuchen, wichtige Mechanismen und Bedingungen der Planwirtschaft in der DDR aufzuzeigen und dabei Ursachen der Probleme dieser bürokratischen Wirtschaft benennen. Es ist jedoch nicht Anliegen dieses Artikels, eine umfassende Analyse vorzunehmen. Vielmehr fügt sich dieser Beitrag in die Reihe von Arbeiten zu Theorie und Geschichte der Planwirtschaft ein, welche die LRKI/LFI in den letzten Jahren vorgelegt hat. Widersprüchliches Staatsgebilde Die DDR war ein degenerierter Arbeiterstaat - ein Staat also, in dem einige grundlegende kapitalistische Wirtschaftsprinzipien weitgehend, wenn auch nicht vollständig, überwunden waren. Ökonomisch - weil ohne Bourgeoisie, konkurrierendes Privateigentum und Markt - war die DDR ein Arbeiterstaat. Politisch war sie degeneriert, d.h. anstatt des Proletariats hatte eine bürokratische Kaste die gesamte politische und administrative Macht in Händen, anstatt eines räteartigen Halbstaates, der im Laufe der Entwicklung aufgehoben werden kann, installierte die Machtelite ein der Form nach bürgerliches Staatsmonstrum, das den Massen als verselbstständigter, unkontrollierbarer Apparat Selbstorganisation und Kreativität erschwerte oder gar unmöglich machte. Obwohl diese staatlichen Strukturen dem Selbstverständnis der Stalinisten gemäß Ausdruck der Diktatur des Proletariats waren, standen sie den Prinzipien von Arbeiterdemokratie und Arbeitermacht diametral entgegen. Dieser Zusammenhang zwischen Staatsstruktur und Wirtschaftsweise ist in einer nichtkapitalistischen Gesellschaft von wesentlich größerer Bedeutung als im Kapitalismus. Während dort die ökonomischen Mechanismen im Kern dieselben bleiben, ob das Regime demokratisch, bonapartistisch oder faschistisch ist, steht die Frage im Arbeiterstaat gänzlich anders. Nicht das Ziel der Profitmaximierung eines Privateigners (oder einer Gruppe von Privateignern) ist das treibende Moment der Produktion, sondern die bewusste Entscheidung der Gesellschaft darüber, was wie von wem produziert wird. Das impliziert, dass die Produktion statt der Profitrentabilität der Befriedigung realer Bedürfnisse der Gemeinschaft dient. Anstelle des Tauschwertes tritt der Gebrauchswert als Ziel der Produktion. Die Planwirtschaft in der DDR hatte grundsätzlich mit dem Mangel zu kämpfen, dass das Subjekt in Wirtschaft und Gesellschaft - das Proletariat, oder anders ausgedrückt, die ProduzentInnen und KonsumentInnen - keinen wesentlichen Einfluss darauf hatten, wie, was, womit und wozu produziert wurde. Der an ihrer Stelle handelnden Bürokratie gelang es zwar, den Wirtschaftsmechanismus am Laufen zu halten, doch die in Richtung Kommunismus führenden revolutionären Veränderungen der Gesellschaft insgesamt wollte und konnte sie nicht durchsetzen. Die von Marx postulierten strategischen Ziele des Sozialismus/Kommunismus wie Aufhebung der kapitalistischen Arbeitsteilung, Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit und Erreichung eines Produktivitätsstandards, der eine Überflussproduktion ermöglicht - all das war nicht das Interesse der Bürokratie und ohne die schöpferische Gestaltungskraft der Massen auch nicht zu erreichen. Im Endeffekt blieb die Übergangsgesellschaft DDR mitten - oder besser: am Anfang - dieses Übergangs stecken. Die Bürokratie erwies sich nicht als Prometheus der Entwicklung, sondern als Prokrustes. Bevor wir die Ausgangsbedingungen und die Entstehung der DDR-Planwirtschaft, die inneren Widersprüche bürokratischer Planung sowie ein historisches Fazit ziehen, müssen wir kurz auf einige grundlegende Probleme der Übergangsperiode eingehen. Übergangsperiode und bürokratische Herrschaft Die analytische Trennung zwischen den allgemeinen Problemen der Übergangsperiode, denen in jeweils verschiedener historischer Ausformung die revolutionäre Diktatur des Proletariats gegenüberstehen würde, und den Krisen, die durch die reaktionäre, weltgeschichtlich illegitime und zur Restauration des Kapitalismus drängende Herrschaft einer Bürokratenkaste hervorgerufen werden, ist politisch aus zwei Gründen notwendig. Erstens lässt sich nur so eine inhaltlich fundierte, genaue Kritik der bürokratischen Planung und Herrschaft entwickeln. Ohne hinreichend klares Verständnis des Charakters der Übergangsperiode, der notwendigen Herrschaftsform dieser Entwicklungsphase - der Diktatur des Proletariats - und der prinzipiellen Aufgaben, die daraus erwachsen, läuft die Kritik der Bürokratie leicht Gefahr, in ultralinkem Utopismus, kleinbürgerlichem Demokratismus oder diversen Spielarten des Marktsozialismus zu enden. Zweitens können damit das revolutionäre Programm und die Aufgaben der KommunistInnen viel klarer bestimmt und Lehren aus dem Scheitern der bürokratischen Planwirtschaft gezogen werden. Anders als beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus kann das Proletariat beim Sturz der Bourgeoisherrschaft nicht auf eine schon in der untergehenden bürgerlichen Gesellschaft entwickelte historisch überlegene Produktionsweise zurückgreifen. Die kapitalistische Produktionsweise entwickelte sich schon in der Feudalgesellschaft und besonders im Absolutismus. Die bürgerlichen Revolutionen vollzogen den weltgeschichtlichen Wechsel politisch. Vermochten Adel und Monarchie der Bourgeoisie die politische Macht zu entreißen oder historisch verspätete Kapitalistenklassen zu weitgehenden Klassenkompromissen zu zwingen - so war an der kapitalistischen Produktionsweise als ökonomischer Basis der Gesellschaft nichts mehr zu rütteln. Die Gefahr einer feudalen Restauration auf wirtschaftlichem Gebiet bestand schlechterdings nicht. Besonderheiten des Übergangs zum Sozialismus Die Arbeiterklasse kann beim Sturz des Kapitalismus auf keine solche Produktionsweise zurückgreifen. Der Kapitalismus entwickelt zwar die geschichtlichen Voraussetzungen für die kommunistische Gesellschaft und seine inneren Widersprüche drängen notwendig zur revolutionären Freilegung eben dieser Potentiale. Aber der Akt der proletarischen Revolution sichert als solcher noch nicht den Übergang zum Sozialismus. Vielmehr ist die Eroberung der Staatsmacht durch das Proletariat eine notwendige Voraussetzung für den Übergang zum Sozialismus. Es muss die politische Macht erobern, um zur bewussten und planmäßigen Umgestaltung der Gesellschaft voranschreiten zu können. Daher spielt in der proletarischen Revolution die Frage des Bewusstseins und der Organisierung eine viel größere Rolle als in der bürgerlichen Revolution. Die Übergangsperiode erzwingt die Fortexistenz eines Staatsapparats, wenngleich eines qualitativ vom bügerlichen verschiedenen, eines proletarischen Halbstaates. Sie erfordert eine bewusste politische und ökonomische Führung während dieser Periode. Der Arbeiterstaat ist kein Staat, der sich aufgrund seiner ökonomischen Überlegenheit, einer schon etablierten höheren Produktionsweise, des Übergangs zum Sozialismus sicher sein könnte. Vielmehr ist die Übergangsperiode eine Periode, die durch den unversöhnlichen Kampf zwischen zwei Produktionsweisen, zwischen dem System der Warenproduktion und den mehr oder weniger entwickelten Elementen einer zukünftigen sozialistischen Wirtschaft bestimmt wird. In dieser Periode kann und muss das Wertgesetz zwar durch bewusste planwirtschaftliche Elemente in seiner Wirkung eingeschränkt und zurückgedrängt werden. Es kann aber nicht einfach "abgeschafft" werden. Solange die Weltrevolution nicht gesiegt hat, wirkt es weiter über den kapitalistischen Weltmarkt. Auch der revolutionärste Arbeiterstaat kann sich dem ökonomischen Vergleich mit der kapitalistischen Weltwirtschaft, einer sehr realen Systemkonkurrenz, die v.a. auf dem Feld der Arbeitsproduktivität ausgetragen wird, nicht entziehen. Hier findet ein Vergleich des Entwicklungsstandes, des Fortschritts oder Zurückbleiben der Planwirtschaft statt, den jeder Arbeiter, jede Arbeiterin vollkommen zurecht zieht. Die ökonomischen und politischen Erfordernisse dieses Vergleichens fließen auch in die beste und demokratischste Planung ein, sowohl im Guten - dem Versuch, bestimmte Bedürfnisse besser und effektiver zu befriedigen - wie im Schlechten - zum Beispiel darin, dass die Selbstbehauptung des Arbeiterstaates bestimmte unproduktive Ausgaben erzwingt (z.B. Rüstung). Die Wirkung des Wertgesetzes erfolgt ferner über den Außenhandel. Das Wertgesetz wirkt auch im Inneren des Arbeiterstaates, je nach Entwicklungsstufe, weiter. Ganz offenkundig ist das, wo weiter kleine Privatproduzenten für einen Markt produzieren oder aufgrund von ökonomischer Not sogar Kapitalakkumulation zugelassen werden muss. Wie das Beispiel der DDR (und aller stalinistischen Staaten) zeigt, ist das aber nur ein besonders augenfälliger und prekärer Aspekt, da er mit dem Weiterbestehen und u.U. sogar mit der Stärkung von Klassen einhergeht, die historisch auf dem Boden des Privateigentums an Produktionsmitteln stehen. Warenform und Übergang Wiewohl in den degenerierten wie gesunden Arbeiterstaaten (abgesehen von kurzen Übergangsphasen nach der Machtergreifung wie z.B. unmittelbar nach der Oktoberrevolution) nicht von einer verallgemeinerten Warenproduktion gesprochen werden kann, so muss für eine bestimme Phase der Fortbestand der Warenform des Arbeitsproduktes, des Geldes und der Lohnform in Rechnung gestellt werden. Natürlich ist jede Kritik an der stalinistischen Bürokratie, dass Geld, Lohn, Warenproduktion nicht einfach per Dekret abgeschafft wurden, Kinderei. Eine solche Sicht läuft im Grunde darauf hinaus, dass der Übergang zum Sozialismus ein reiner Willensakt wäre, wo die von der bürgerlichen Gesellschaft ererbte Teilung der Arbeit, der Mangel an Gütern, die politischen, ökonomischen und militärischen Zwänge des Kampfes mit dem Imperialismus usw. einfach durch das Wollen der Führung überwunden werden könnten. Sie unterstellt, dass der Sozialismus in einem Land schon aufgebaut werden könne, sofern man einfach Geld, Lohn, Staat, Politik usw. "abschafft". Die stalinistische Bürokratie hat nie versucht, den Kampf zur Zurückdrängung des Wertgesetzes und zur fortschreitenden Entwicklung einer Ökonomie der Arbeitszeit systematisch und bewusst zu führen. So wurden keine Schritte unternommen, die Lohnform zurückzudrängen und durch eine Verteilung der Konsumgüter auf Basis geleisteter Arbeit (also einer Kalkulation der gesellschaftlichen Arbeitszeit) zu ersetzen. Natürlich ist - wie Marx darlegt - auch dieses Prinzip der Verteilung noch immer ein bürgerliches und kein sozialistisches. Es beinhaltet jedoch schon den Überganz zu einer rationalen, auf der bewussten Planung des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens basierenden Ökonomie, der Überwindung der tradierten Arbeitsteilung. Es beinhaltet in seiner Entwicklungslogik eine sukzessive Überflüssigmachung auch des proletarischen Staates, einer Aufhebung von Politik und proletarischer Demokratie in die Selbstverwaltung der assoziierten ProduzentInnen. Die Entwicklung zu einer Ökonomie der Arbeitszeit wäre für die Bürokratie unmöglich gewesen, da sie notwendigerweise nicht nur ihr Machtmonopol in Frage gestellt, sondern überhaupt ihren parasitären Charakter offenbart hätte. Jede Ökonomie der Arbeitszeit setzt offene Diskussion, einen "Kassensturz" der gesellschaftlichen Arbeit und Bedürfnisse, die Aufteilung der Arbeit und Produkte, der kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklungslinien voraus. Daher ist die Arbeiterdemokratie, die Räteherrschaft, die bewusste und systematische Einbeziehung und direkte politische Herrschaft der Massen, kein bloßes "politisches" Anhängsel des Übergangs zum Sozialismus, sondern seine unverzichtbare staatliche Form. Nur so können die Bedürfnisse der Massen zum wirklichen Motor der Planung, ihrer Ziele, ihrer Methoden werden. Nur so kann der Staat auch wirklich absterben, überflüssig werden. Nur so kann die Arbeiterklasse aufhören, eine ausgebeutete, unterdrückte, entfremdete Klasse zu sein. Der Sturz der Herrschaft der Bourgeoisie ist ein notwendiger und befreiender Schritt in diese Richtung. Das Proletariat hört auf, eine Klasse freier LohnarbeiterInnen zu sein, die gezwungen ist, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Aber der Stalinismus hat - in dieser Hinsicht den "sozialstaatlichen" Vorstellungen der Sozialdemokratie ganz ähnlich - keinen Schritt über diese Errungenschaft hinaus getan. Er war nicht daran interessiert (und konnte es auch gar nicht sein), die arbeitenden Menschen mehr und mehr zu allseitigen Individuen zu entwickeln - er hat vielmehr die ganze Gesellschaft auf die Statur des entfremdeten, bewusstseins- und daseinsmäßig verkleinbürgerlichten Lohnarbeiters herabgedrückt. Die bürokratische Herrschaft im degenerierten Arbeiterstaat stellt auch nicht einfach eine "Verlangsamung" des Weges zum Sozialismus dar, sondern führt notwendigerweise zum weltgeschichtlichen Rückschritt zum Kapitalismus, sofern sie nicht durch die politische Revolution gestürzt wird. Die bürokratische Planung musste sich - waren die prinzipiellen Vorzüge der Planung einmal aufgebraucht - mehr und mehr erschöpfen, zurückbleiben. Die stalinistische Bürokratie schwankte in ihrer Wirtschaftspolitik zwischen der vollmundigen Behauptung, das Wertgesetz "abgeschafft", "planmäßig" in den angeblich ohnehin schon erreichten Sozialismus integriert zu haben oder ebendieses Wertgesetzt in marktsozialistischen Reformen verstärkt nutzen zu wollen. Geburtsfehler Um die Grundprobleme der DDR-Wirtschaft verstehen zu können, ist es notwendig, einen Blick auf die Entstehung der DDR und die Politik des Stalinismus zu werfen. Stalins Strategie sah vor, dass Deutschland unter der gemeinsamen Verwaltung der Alliierten ein neutrales, demokratisches, auf bürgerlichen ökonomischen Grundlagen beruhender Staat sein sollte, der für die UdSSR keine Bedrohung mehr darstellen konnte und als "Puffer" zwischen den Einflusssphären des Westens und des Ostens liegen sollte. Der Sturz der Bourgeoisie als Klasse und die Machtübernahme durch das Proletariat waren definitiv nicht vorgesehen. Diese Konzeption (und damit die Strategie des Agreements mit dem Weltimperialismus) erwies sich allerdings sehr schnell als völlig illusorisch. Diese Erkenntnis dämmerte Stalin jedoch später als dem Westen. Die Entwicklung führte schließlich an den Punkt, an dem Moskau vor der Alternative stand, seinen Einfluss in Deutschland angesichts von Marshallplan und Westintegration gänzlich zu verlieren oder aber die Reste kapitalistischer Ökonomie ganz abzuschaffen. Die Einführung einer geplanten Wirtschaft, des Staatseigentums und des Außenhandelsmonopols sind also nicht Ergebnisse der politischen Strategie Stalins, sondern eher das Resultat ihres Scheiterns. Schwierige Ausgangsbedingungen Nach Kriegsende befand sich die ostdeutsche Wirtschaft in einem dramatischen Zustand, der durch folgende Bedingungen gekennzeichnet war: Große Teile der Produktionsstätten und Verkehrswege waren zerstört (die vorrangige Bombardierung Ostdeutschlands durch die Westalliierten in den letzten Kriegsmonaten verweist an sich schon auf das Ziel des Imperialismus, potentiell Sowjetrussland zu schädigen, statt - wie Stalin meinte - mit ihm zu kooperieren. Durch die Verluste von Männern an der Front, die Rückkehr der ZwangsarbeiterInnen und die Ausfälle durch jahrelange Gefangenschaft gab es einen empfindlichen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Dazu kam der Aderlass an administrativen und technischen Spezialisten, die sich oft (weil sie aktive Nazis waren) nach dem Westen absetzten. Die deutsche Wirtschaft wurde durch die Teilung zuerst in Besatzungszonen, schließlich in zwei separate Staaten gespalten. Die ostdeutsche Ökonomie war dadurch wichtiger Teile beraubt, v.a. dem Großteil der Stahlindustrie und der Steinkohle. Dadurch litt sie von Anfang unter dem Mangel an Rohstoffen (hochwertige Energieträger, Erze) und einer Grundstoffindustrie. Stark ausgeprägt waren hingegen der Maschinenbau, Fahrzeug- und Flugzeugbau sowie die Leichtindustrie. Dazu kommt ein relativ großer agrarischer Sektor. (1) Erschwerend für den wirtschaftlichen Aufbau wirkten auch der immense informelle Sektor (Schwarzmarkt) sowie die Notwendigkeit der Umstellung der Produktion auf "Friedenszwecke". Zu diesen ungünstigen Startbedingungen kam noch hinzu, dass durch die Reparationsleistungen, die von der Sowjetunion von „ihrer“ Besatzungszone besonders intensiv und lange eingefordert worden waren, erhebliche Verluste an ökonomischem Potential entstanden. (2) Ökonomisches Dilemma und politisches Desaster Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Startbedingungen wäre eine korrekte Politik von KPD und SED und v.a. der Führung in Moskau von besonderer Bedeutung gewesen. Doch v.a. der Einfluss Stalins wirkte sich katastrophal aus. Es handelt sich dabei jedoch nicht einfach um ökonomisches Missmanagement, sondern um die logischen Folgen einer völlig falschen, gegen die Interessen des Proletariats und auf einen Kompromiss mit dem Imperialismus ausgerichteten und letztlich den bornierten Interessen der sowjetischen Bürokratie untergeordneten Politik. Schwarzmarkt, Wirtschaftssabotage seitens der Eigentümer und des Managements sowie der Mangel an grundlegenden Gütern hätten am besten überwunden werden können, indem Machtorgane der Arbeiterklasse auf betrieblicher und staatlicher Ebene geschaffen werden. Diese hätten Produktion und Verteilung in Gang setzen und nach und nach eine allgemeine Planung der Gesamtwirtschaft einführen können. Durch die Zerstörung der Betriebe und die Flucht der Eigentümer waren die ArbeiterInnen ohnehin dazu gezwungen, die betrieblichen Abläufe zu kontrollieren und praktisch als EigentümerInnen zu handeln. Diese ersten Schritte zur Schaffung von politischen und ökonomischen Machtorganen des ostdeutschen Proletariats wurden jedoch durch die Reformisten von SPD und KPD bzw. der SED in Kooperation mit der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) boykottiert. Die betrieblichen Organe der Arbeiterschaft wurden - ebenso wie die Betriebsräte - aufgelöst und durch bürokratische Reglements und Institutionen (z.B. die Betriebsgewerkschaftsleitung, BGL) ersetzt. Auch die Enteignung der Bourgeoisie als Klasse wurde zunächst nicht durchgeführt. Lediglich der Besitz von Nazis und Kriegsverbrechern wurde enteignet. Zum großen Teil entstanden daraus Aktiengesellschaften in der Hand oder der Verwaltung durch die SMAD. Dieser bürokratische Akt der Enteignung spiegelt sehr deutlich das Eigeninteresse der Moskauer Bürokratie wider, welches im Widerspruch zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Enteignung der gesamten Bourgeoisie durch das Proletariat stand. Wie die Volksabstimmungen in mehreren deutschen Ländern zeigten, gab es eine große Mehrheit in der (gesamtdeutschen) Bevölkerung für die Überführung des Privateigentums an Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum. Besonders schwer litt die ostdeutsche Wirtschaft unter den Reparationsleistungen. Diese verweisen auch darauf, dass es der Sowjetbürokratie nicht etwa um den Aufbau eines Arbeiterstaates und einer nichtkapitalistischen Wirtschaft ging. Vielmehr spielten hier ganz andere Interessen eine Rolle: die Stärkung der sowjetischen auf Kosten der (ost)deutschen Wirtschaft, die Schaffung eines gesamtdeutschen Pufferstaates auf (schwach entwickelter) bürgerlicher Ökonomie bzw. die Nutzung der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) als Verhandlungsmasse mit dem Westen. Diese Strategie erklärt auch die ökonomisch anfangs besonders "dumme" Art der Reparationsleistungen. Anstatt Fertigprodukte zu beziehen, demontierte man die Produktionsanlagen, um sie nach wochen- und monatelangem Transport wieder aufzubauen, was massive Verluste beim Output bedeutete. Dieser ungeheure, gegen die Lebensinteressen der deutschen (und letztlich auch sowjetischen) Arbeiterklasse gerichtete Aderlass wurde politisch auch von den Arbeiterparteien SPD, KPD bzw. SED befürwortet. Die Entstehung der Planwirtschaft In den ersten Jahren nach 1945 existierte die Wirtschaft Ostdeutschlands bzw. der DDR im wesentlichen noch auf Grundlage von Privateigentum und Marktbeziehungen. Die Enteignung der Bourgeoisie als Klasse wurde in mehreren Schritten vollzogen, wobei die ArbeiterInnen diese Expropriation nicht aktiv und bewusst vollziehen konnten - sie war vielmehr das Ergebnis willkürlicher Akte der Bürokratie. Erste Enteignungen erfolgten schon 1945/46, betrafen aber fast nur den Besitz von Nazis und Kriegsverbrechern. Diese Enteignungen betrafen bis 1948 ca. acht Prozent der Betriebe, die allerdings etwa 40 Prozent der Gesamtproduktion umfassten. Ein großer Teil dieser Betriebe ging in die Hände der Sowjetunion über, die als Hauptaktionär bzw. Treuhänder auftrat. Dadurch wurde das ostdeutsche Proletariat daran gehindert, selbst Eigentümer zu sein und die ökonomischen Prozesse zu gestalten. Die Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaften (SDAG) - deren bekannteste der Uranbergbau der SDAG Wismut war - waren in die Planwirtschaft der UdSSR integriert. Die wirtschaftlichen Beziehungen in der SBZ jedoch unterlagen keinem gesamtstaatlichen Plan, sondern funktionierten noch nach den Zwängen des Wertgesetzes. Eingriffe des Staates gab es unter den Zwängen des Wiederaufbaus zwar häufig, jedoch folgten diese eben keinem Plan, sondern eher der Aufrechterhaltung der dringendsten Versorgung und der Produktion der einzelnen Unternehmen. Der Finanzsektor war ebenfalls staatlich, aber Investitionen, Kredite usw. waren noch nicht Instrumente einer allgemeinen Wirtschaftsplanung. Von einem Arbeiterstaat DDR, d.h. einem Staat, der auf nichtkapitalistischen ökonomischen Grundlagen basiert, können wir erst ab 1951 sprechen. Zu diesem Zeitpunkt war der größte Teil der Industrie in Staatshand überführt. (3) Es gab aber immer noch eine Anzahl von privaten oder halbstaatlichen Kleinbetrieben, die z.T. erst Mitte der 70er Jahre mehrheitlich verstaatlicht worden sind. Aber auch diese Betriebe waren in die Planwirtschaftsbeziehungen integriert und konnten keineswegs wie reine Privatfirmen agieren. Die in den 50er Jahren begonnene Kollektivierung der Landwirtschaft wurde ebenfalls bis 1961 bis auf kleine private Reste abgeschlossen. Schon 1948 gab es erste Ansätze von zentraler Wirtschaftsplanung. Sie dienten v.a. der Überwindung von Kriegsschäden und dem Ausbau jener Sektoren der Ökonomie, die durch die Teilung Deutschlands im Osten nur schwach entwickelt waren. Der qualitative Sprung zu einer Wirtschaft, deren wesentlicher Mechanismus der Plan und nicht mehr das Wertgesetz war, erfolgte aber erst 1951 mit der Einführung des ersten Fünfjahrplanes. Dieser Plan umfasste die Kernsektoren der Wirtschaft, denen er verbindliche Vorgaben machte, was von wem zu produzieren sei. Investitionen und Ressourcenvergabe erfolgten nicht nach Gewinnkriterien privater Eigner, sondern gemäß den Erfordernissen der Gesamtwirtschaft bzw. Gesellschaft (zumindest, was die Bürokratie als solche verstand). Damit war die Dominanz des Wertgesetzes gebrochen und die Wirtschaft auf eine qualitativ neue Basis gestellt. Doch der erste Fünfjahrplan kollidierte mit den objektiven Möglichkeiten und v.a. der Reparationspolitik Moskaus und war z.T. Ausdruck der politischen Eigeninteressen Ulbrichts, als den Umständen angemessen. Die Bürokratie in der Sowjetunion war über die weitere Deutschlandpolitik gespalten, was sich auch in den Flügelkämpfen in SED ausdrückte. Wiewohl von Moskaus Gnaden inthronisiert, war die SED nicht nur das bürokratische Anhängsel der sowjetischen herrschenden Kaste, sondern zugleich auch herrschende Partei mit bürokratischen Eigeninteressen und dem Wunsch, sich selbst auf Dauer als Staatsbürokratie zu etablieren. Daher auch das begrenzte "Vorpreschen" Ulbrichts, um durch die Einführung der bürokratischen Planwirtschaft schwer revidierbare Fakten und soziale Voraussetzungen für einen degenerierten Arbeiterstaat DDR zu schaffen. Schon damals verfing sich die Planung in der kruden Logik der Bürokratie. Einerseits konnte man Fehler und das Nichterreichen von Zielen nicht zugeben, da man damit die eigene "Unfehlbarkeit" untergraben hätte, andererseits mussten - nicht zuletzt durch den Systemvergleich mit der BRD - die Planziele immer höher geschraubt werden. So wurde häufig genug an der Realität vorbei geplant. Verfehlte Ziele Eine geplante Wirtschaft ist kein Selbstzweck, sondern der ökonomische Mechanismus, mit dem ein Arbeiterstaat die gesellschaftliche Entwicklung in Richtung Kommunismus ökonomisch vorantreibt. Insofern muss jede Planung an den historischen Zielen des Kommunismus gemessen werden. Wie stand es damit in der Planung als Teil der Gesellschaftsstrategie des Stalinismus? Obwohl Marx kein geschlossenes Modell des Sozialismus oder Kommunismus zeichnen konnte, gab er doch eine Reihe von Prämissen vor, die er aus Analyse und Kritik des realen Kapitalismus zog. Die Aufhebung der Klassen und des Staates implizierte für ihn die Überwindung der kapitalistischen Teilung der Arbeit - der Teilung in "Spezialisten" und Helfer, in Befehlsgeber und Befohlene, in Ungebildete und Fachidioten, in Kopf- und Handarbeiter. Die allgemeine Verkürzung der notwendigen Arbeit und die Aufhebung der Trennung von freiwilliger und notwendiger Arbeit sind allgemeine Ziele genauso wie die Ersetzung willkürlicher, sich "hinter dem Rücken" der Akteure vollziehender ökonomischer "Sachzwänge" und Krisen. Das aber bedeutet das Ende entfremdeter Arbeit, die Ersetzung des Marktmechanismus durch den bewussten ökonomischen Willen der Gesellschaft - den Plan. Rund vier Jahrzehnte DDR-Planwirtschaft zeigen, dass diese Ziele weder erreicht, noch wenigstens allgemein als politisch wünschenswert aufgestellt worden sind. Die DDR-Ökonomie war weit davon entfernt, "sozialistisch" zu sein, sondern war in der ersten Phase der Übergangsgesellschaft steckengeblieben. Die Verkürzung der Arbeitszeit um rund fünf Stunden in vier Jahrzehnten auf zuletzt 43 1/2 Stunden ist kein Ruhmesblatt der Entwicklung und lag über der Norm der BRD. Es ist auch kein Zufall, dass die Einsparung von Arbeit und Arbeitszeit keine reale Größe in den Plänen war. Entfremdung Die allgegenwärtige Bürokratie auch auf betrieblicher Ebene ließ die alte Trennung in Befehlsgeber und Befohlene auf neue Art weiterleben. Das völlige Fehlen authentischer Formen von Arbeiterdemokratie führte zum weitgehenden Ausschluss der Massen von Kontroll- und Entscheidungsprozessen und somit zum Weiterbestehen der Entfremdung der ArbeiterInnen von ihrer Arbeit und ihren Produkten. Im Unterschied zum Kapitalismus waren zwar die Willkür des Marktes und der Privateigentümer ausgeschaltet oder weitestgehend minimiert, doch standen nunmehr an deren Stelle ein autoritärer bürokratischer Staat und die "unergründlichen" Ratschlüsse der politischen Führungsgreise. Die allgemeine Mühsal des Lebens wurde nicht geringer, sie nahm nur andere Formen an. Der größeren sozialen Sicherheit und der geringeren sozialen Ungleichheit standen allgemeiner Mangel, politische Entmündigung und internationale Isolation (auch gegenüber den Ostblock-Staaten) entgegen. Das Fehlen positiver, auf den Kommunismus gerichteten Ziele, war kein Irrtum der Bürokratie, sondern die logische Folge ihrer Kastenherrschaft selbst; hätte doch jede Form wirklicher Selbstverwirklichung der ProduzentInnen und KonsumentInnen sogleich die Überflüssigkeit der Bürokratie offenbart. Im Unterschied zum Kapitalismus, wo Konkurrenz und Privatinteresse die Gesellschaft ständig umwälzen, kann eine Planwirtschaft - in der diese Antriebe ja fehlen - unmöglich auf Dauer entwickelt werden, wenn das Subjekt jeder Dynamik - das Proletariat - von der Gestaltung dieser Entwicklung ausgeschlossen ist. So verwundert es nicht, dass Gleichgültigkeit, Verantwortungslosigkeit und schließlich das fast widerstandslose Hinnehmen der Wiedereinführung des Kapitalismus - neben Fleiß und Einsatzbereitschaft - das Verhalten der DDR-Arbeiterklasse kennzeichneten. Diese Eigenschaften sind allerdings keine "typisch proletarischen" sondern Folge der Politik des Stalinismus, der die Massen ideologisch traktierte und sie gleichzeitig daran hinderte, Schöpfer ihrer eigenen Verhältnisse zu sein. Bürokratische Planung Die Grundidee einer Wirtschaftsplanung besteht darin, im Ergebnis einer demokratischen Selbstverständigung der ProduzentInnen und KonsumentInnen der Gesellschaft entsprechend den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Gesellschaft festzulegen, was wie von wem erzeugt wird. Selbstverständlich gehören dabei Bedürfnisse wie die Erhaltung der Umwelt, der Gesundheit usw. dazu. Neben dem Fehlen kommunistischer Ziele mangelte es in der DDR zunächst einmal an der Feststellung der realen Bedürfnisse. Obwohl das sehr einfach gewesen wäre, vermochte die Bürokratie meist nur das als Bedürfnis zu sehen, was sie sehen wollte. Der Maßstab war dabei im Prinzip die Ausgestaltung eines Sozialstaats ähnlich den Vorstellungen der alten Sozialdemokratie: sicherer Arbeitsplatz, gute Wohnung, Kinderbetreuung, satt zu essen usw. Weniger als ein abstrakter Humanismus spielte dabei das Interesse der Bürokratie mit, die Massen durch soziale Geschenke ruhig zu halten. Die riesigen Dauersubventionen für Lebensmittel, Mieten, Fahrpreise usw. sowie die immensen Summen für den Wohnungsneubau verweisen auf dieses Ziel der Planung ebenso wie auf den Umstand, dass im Gegensatz zum Kapitalismus diese massiven ökonomischen Aufwendungen eben nicht gewinnorientiert waren, sondern im Gegenteil zu erheblichen ökonomischen Belastungen führten. Die Festlegung der Pläne erfolgte, über das Zusammenspiel verschiedener Ebenen der Bürokratie, letztlich in der zentralen Plankommission (die dem Ministerrat unterstand), wurde aber seit Mitte der 70er Jahre zunehmend von willkürlichen Interventionen der Wirtschaftsabteilung des ZK der SED unter Günter Mittag beeinflusst. Durch die quasi Geheimhaltung statistischer Daten bzw. deren "Verschönerung" war es sowohl der Bürokratie, als auch den Massen nur schwer möglich, real einzuschätzen, in welchem gesellschaftlichen Gesamtrahmen Planung überhaupt stattfand. Ob ein Plan richtig oder falsch war, war so nur schwer einzuschätzen. Im Unterschied zur Planung etwa in der Sowjetunion, wo die Bedürfnisse des Produktionsmittelsektors im Zentrum der Planung standen und die extensive Erweiterung der Produktion objektiv länger möglich war als in der ressourcenarmen DDR, versuchte man besonders seit den 70er Jahren, die Befriedigung der Alltagsbedürfnisse der Bevölkerung besser zu berücksichtigen. Die "Konsumgüterproduktion" wurde als zentrales Ziel der Planung postuliert. In der Praxis zeigte sich jedoch, dass man außerstande war, dieses Ziel zu erreichen. Die Konsumgüterproduktion wurde nicht das Zentrum der Planung, sondern eine Art Zusatzaufgabe. So mussten vielfach Betriebe, die ein völlig anderes Produktionsprofil hatten, zusätzlich Haushaltswaren, Kinderspielzeug etc. herstellen. Das führte oft zu absurden Mehrfachproduktionen oder zu Produktion, die auf völlig unrationelle Weise erfolgte, da das Know how dafür nicht vorhanden war. Trotzdem wurde die Plangröße "Konsumgüterproduktion" dadurch erfüllt. Fehlen einer Arbeitszeitrechnung Ein generelles Problem waren die durch die Subventionen stark verzerrten Preise, wodurch sich ökonomische Effekte letztlich schwer einschätzen ließen. Doch das Problem des Messens ökonomischer Leistungen lag tiefer - es gab zwei nicht nur unterschiedliche, sondern gegensätzliche Wertmesser: das Geld auf der einen und die Quanta realer Ressourcen auf der anderen Seite. Auf Dauer ist eine Planwirtschaft nur anhand der exakten Berechnung der in den Arbeitsprodukten enthaltenen Arbeitszeit durchführbar. Diese allgemeine Arbeitszeitrechnung gab es jedoch nicht einmal in Ansätzen. In der Wirtschaft führte das beispielsweise zu folgendem Widerspruch: Ein Unternehmen orientierte sich einerseits an den durch den Plan vorgegebenen Ressourcen, andererseits am Betriebsergebnis, welches sich u.a. in der Kennziffer "Warenproduktion", die in Geld bemessen wurde, ausdrückte. Die häufigen Veränderungen der Industriepreise drücken die Versuche der Bürokratie aus, dieses Dilemma zu lösen. Wesentlich nachteiliger wirkten sich auf die Wirtschaftstätigkeit jedoch die Versuche der Betriebe aus, den Unwägbarkeiten der Bürokratie gegenzusteuern. So wurde, wenn möglich, alles, was für die Produktion wichtig war, gehortet, um Versorgungsengpässe ausgleichen zu können. Dadurch wurden natürlich die Engpässe und die Disproportionen der Planung nur noch größer. Das hatte aber eine Ursache: Es wurden nur bei erfülltem Plan Prämien an die Belegschaft bezahlt, was die Betriebsleiter teilweise veranlasste, die Planerfüllung vorzutäuschen, um die ArbeiterInnen nicht zu verprellen. Besonders lukrativ war die Planübererfüllung, was dazu führte, dass Betriebsleiter möglichst niedrige Planvorgaben erreichen wollten, die dann umso leichter zu überbieten waren. Dieses Vorgehen verweist auf das spezifische Verhältnis der Bürokratie zur Arbeiterklasse. In der Praxis wurde diese Art von "Planerfüllung" von der zentralen Planung als Signal genommen, die folgenden Planvorgaben noch zu steigern. Disproportionen in der Planung waren so vorprogrammiert. Es ist ein Paradox stalinistischer Planung, dass die Überbietung von geplanten Produktionsergebnissen - also eine Nichteinhaltung der Planung - als besonders positiv angesehen wurde. Eine richtige Planung hätte vielmehr die möglichst sparsame, rationelle Produktionsdurchführung gefördert, was wiederum mit den strategischen Zielen von Planung zu tun hat. Ein weiterer und wesentlicher Grund für Fehlplanungen lag in der allgemein zu niedrigen Produktivität. Diese resultierte u.a. aus dem Desinteresse vieler ArbeiterInnen an der Produktion aufgrund der bürokratischen Gängelei. Sie ergab sich auch daraus, dass Hunderttausende in unproduktiven bürokratischen Sektoren arbeiteten (Stasi, politische Apparate usw.). Doch die Grundfehler stalinistischer Politik führten dazu, dass diese Probleme fortgeschleppt wurden, ja sich verstärkten. Aufgrund des Fehlens der allgemeinen Zielstellung der Einsparung von Arbeitszeit war es weder ein allgemeines Planziel, noch gab es ausreichende technische Möglichkeiten, Personal durch Maschinerie zu ersetzen und somit für andere Tätigkeiten freizumachen. Doch auch der Planmechanismus selbst hatte einen Pferdefuß - das Fehlen bzw. die zu niedrige Veranschlagung von freien Kapazitäten. Jede Schwankung der Produktion oder der Nachfrage führte sofort zu einer Störung der Planung, weil es keine ausreichenden Reserven gab, mit denen operiert werden konnte. Das wiederum verweist aber auf andere Probleme. Ein weiterer wichtiger Grund für die zunehmende Stagnation der DDR-Ökonomie (wie auch der anderer degenerierter Arbeiterstaaten) bestand darin, dass die technische Basis des Produktionsprozesses, war sie einmal etabliert, kaum erneuert, geschweige denn umgewälzt wurde. Für einen Arbeiterstaat ist es an sich kein Problem, veraltete Produktionsstätten zu schließen und durch neue, arbeitssparendere zu ersetzen. Doch die bürokratischen Strukturen behinderten diese notwendigen Umstrukturierungen. Die Bürokratie konnte ihren trägen, parasitären Charakter ausleben. Die ArbeiterInnen selbst standen Veränderungen ebenfalls oft skeptisch gegenüber, war deren Vollzug und Ausgestaltung doch letztlich Monopol der herrschenden Bürokratie, deren gelegentliche Experimente nicht minder arbeiterfeindlich als ihre generelle Trägheit war. RGW versus Nationalökonomie Sowenig wie Sozialismus in einem Land möglich ist, sowenig ist eine international isolierte Planwirtschaft auf Dauer machbar. Der Sinn des Sozialismus liegt schließlich nicht in verallgemeinerter Gleichheit von Armut und nationaler Selbstgenügsamkeit, sondern in der Schaffung einer viel höher und effizienter organisierten internationalen Arbeitsteilung und Kooperation, als es im Kapitalismus möglich ist. Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), dem die DDR angehörte, hätte ein Verbund sein müssen, der die wirtschaftlichen Beziehungen auf eine höhere qualitative Ebene hebt. Leider war dem nicht so. Die Praxis orientierte sich vielmehr an drei Prämissen: 1. dem ökonomischen Eigeninteresse der sowjetischen Bürokratie; 2. der Aufrechterhaltung des stalinistischen Blocks, d.h. der Herrschaft der Bürokratie und 3. die Stärkung der jeweiligen Nationalökonomie durch Kooperation mit anderen RGW-Staaten. Der RGW erarbeitete nie einen Gesamtplan, denen die nationalen Pläne untergeordnet waren. Genauso wenig führte der RGW generell dazu, dass die ökonomischen Stärken einzelner Ökonomien verallgemeinert und schwach entwickelte Sektoren dadurch zurückgedrängt wurden. So wurden oft jahrzehntelang veraltete Produkte hergestellt oder ineffiziente Produktionen weitergeführt, obwohl es in anderen Ländern einen höheren Standard gab. Der RGW diente häufig genug dazu, sich gegenseitig den "Schund", der hergestellt wurde, zuzuschieben. Für die innerhalb des RGW hochentwickelte DDR-Wirtschaft hatte das fatale Folgen. So konnten Hightech-Produkte oft nur aus dem Westen bezogen werden, obwohl sie z.T. in anderen RGW-Staaten (v.a. in der SU) vorhanden waren. Der oft zitierte Devisenmangel resultiert im Grunde nur aus dem Mangel an Produktivität innerhalb des RGW. Als einziger Ausweg bot sich an, Konsumgüter in den Westen zu exportieren (was den Mangel vergrößerte und die Bevölkerung demoralisierte) oder Handel zu Dumpingpreisen zu führen, was jede Wirtschaft auf Dauer ausblutet. Gerade unter Honecker war es ein wichtiges Element der Planung, für den Bedarf des Westens zu produzieren, um an Devisen zu kommen. So wurde die Wirkung des Außenhandelsmonopols als Schutz vor den Unwägbarkeiten des kapitalistischen Weltmarktes von der Bürokratie selbst unterhöhlt. Das muss man jedoch v.a. als Reaktion der DDR-Elite auf die Schwächen des RGW erklären. Technologiemangel, Devisenmangel und Embargopolitik des Westens führten schließlich dazu, dass die DDR alles selbst produzieren musste. Für die relativ kleine DDR-Ökonomie war die enorme Produktbreite zugleich erstaunlich und ruinös, weil es unmöglich war, auf allen Gebieten gleichermaßen Weltniveau zu erreichen. Immerhin etwa 50% der Weltproduktpalette bei Anlagen- und Maschinenbau wurde von der "kleinen" DDR gefertigt. Diese Fertigungsbreite ging einher mit relativ kleinen Serien und stark begrenzten Investvolumina, so dass die Produktion nie besonders effektiv sein konnte und technologisch auf Dauer zurückbleiben musste. Als Mitte der 70er Jahre die Umstellung von extensiver zu intensiver Erweiterung der Produktion propagiert wurde, versuchte die DDR verstärkt, Hochtechnologien zu entwickeln. Erhebliche Ressourcen wurden in diese Bereiche gelenkt, was dazu führte, dass die technologische Erneuerung anderer Bereiche immer mehr zurückblieb und die Disproportionen noch größer wurden. Selbst wenn es der DDR gelungen wäre, in einzelnen Bereichen Anschluss an die Weltspitze zu halten, so hätte sich sehr schnell herausgestellt, dass Spitzentechnik mit einer bürokratisch verkrusteten Gesellschaft nicht kompatibel ist. Diesen Schritt zur modernen Technologie hätte selbstverständlich auch eine revolutionäre Arbeiterregierung machen müssen. Aber die Politik der Bürokratie scheiterte nicht nur an den objektiv ungünstigen Voraussetzungen, solche Technik in Konkurrenz zu den großen imperialistischen Kapitalen entwickeln zu müssen, sondern auch an einem strategisch entscheidenden Missverständnis, das darin bestand, Wissenschaft und Technik als Triebkräfte der Entwicklung zu sehen, ohne zu begreifen, dass die Veränderung der Verhältnisse, unter denen Produktivkräfte wirken, im Sozialismus selbst zu einer entscheidenden Produktivkraft wird und die Hauptproduktivkraft das Proletariat selbst ist. Errungenschaften Trotz aller Kritik an den Unzulänglichkeiten der DDR-Planwirtschaft und gerade angesichts der durch die bürgerlichen Medien kolportierten Meinung, dass Planwirtschaft a priori nicht funktionieren könne, soll hier darauf hingewiesen werden, dass die DDR große soziale Errungenschaften aufzuweisen hatte. Diese sind nicht nur Ausdruck einer bestimmten Politik, sondern ursächlich mit der geplanten, auf staatlichem Eigentum beruhenden Ökonomie verbunden. Die wesentlich größere soziale Sicherheit der Bevölkerung und der wegen des geringeren sozialen Gefälles deutlich geringere Sozialneid und den damit verbundenen psychischen Erscheinungen innerhalb der DDR-Gesellschaft sind markante Merkmale einer Sozietät, die sich aus den Zwängen von Markt, Privateigentum und Konkurrenz partiell befreit hat. Auch das im Verhältnis zu den ökonomischen Möglichkeiten relativ gut entwickelte Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen der DDR ist ohne die Überwindung des allgegenwärtigen Gewinnstrebens, das den Kapitalismus kennzeichnet, nicht denkbar. Diese Fakten sind keineswegs nur Auswüchse von DDR-Nostalgie, sondern historische Errungenschaften eines nichtkapitalistischen Systems nicht wegen, sondern trotz der bürokratischen Herrschaft. Doch eine Reihe nahezu immer - auch von einem Großteil der Linken - übersehener Phänomene verweist noch viel drastischer auf die eigentlichen Entwicklungspotentiale, die in einem Arbeiterstaat schlummern. Während der Kapitalismus aufgrund der Konkurrenz zwischen Privatkapitalen einen riesigen Apparat von Bürokratie in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft unterhalten muss, um die inhärenten Widersprüche seiner Produktionsweise wenigstens einigermaßen zu bändigen, hat ein Arbeiterstaat die Möglichkeit, diese riesigen Sektoren unproduktiver Arbeit deutlich zu verkleinern. Ungenutzte Potentiale Die Entwicklung der DDR zeigt, dass in verschiedenen Sektoren schon sehr früh gravierende Veränderungen stattfanden. Berufsgruppen wie Vertreter oder Makler waren aus dem gesellschaftlichen Leben vollständig verschwunden. Andere, z.B. juristische Berufe (v.a. Notare, Steuerberater) waren wesentlich schwächer vertreten als in einer kapitalistischen Gesellschaft. Diese Tatsache ist deutlich an der seit 1990 wieder sprunghaft gestiegenen Zahl von Beschäftigten in diesen Bereichen erkennbar. Dieser Trend des Abbaus unproduktiver Arbeit und der Umlenkung der Arbeitskräfte in produktive bzw. sozial nützliche Sektoren der Gesellschaft bewirkt ohne Frage einen deutlichen Anstieg der gesamtgesellschaftlichen Arbeitsproduktivität. Dazu zählt natürlich auch der einfache Umstand, dass nicht wie im Kapitalismus eine erhebliche Minderheit nicht produktiv ist, weil sie entweder erwerbslos ist oder aber als reicher Schmarotzer nicht arbeiten muss. Allerdings ist gerade dieser Entwicklungsfortschritt mit den Methoden bürgerlicher Produktivitätsrechnung, die sich im Banne des "Bruttosozialprodukts" bewegt, nicht oder kaum erfassbar. Auch der Umstand, dass Wirtschaftsbereiche, die im modernen Kapitalismus einen beträchtlichen Teil des "Bruttosozialprodukts" "erzeugen" wie Versicherungen, Finanzdienstleister, Werbung etc. in der DDR eine eher marginale Rolle spielten, zeigt, dass die Gesellschaft sich diese unproduktiven Bereiche nicht mehr oder nicht mehr im alten Maße leisten können musste. Diese massenhafte Umschichtung von Arbeit ist eigentlich das Phänomen, auf das der Begriff "Arbeitslosigkeit" (im Gegensatz zu "Lohnarbeitslosigkeit") zutreffen würde. Diese Erzeugung von Arbeitslosigkeit ist jedoch aufgrund der allgemeinen Stagnation der DDR-Entwicklung nicht nur nicht weitergeführt worden, im Gegenteil: die bürokratische Herrschaft hat sogar den größten Teil dieses Wachstumspotentials wieder aufgefressen, indem ein riesiger Apparat von politischen Kadern, Staatssicherheitsleuten usw. geschaffen wurde, der nicht nur die Bevölkerung unterdrückte, sondern auch eine unerhörte Vergeudung gesellschaftlicher Arbeitskraft war. Die Wende-Losung "Stasi in die Produktion!" impliziert neben der politischen Sprengkraft gerade auch diesen Aspekt. Die Änderung der Produktionsverhältnisse durch die Planwirtschaft ist historisch in gewissem Sinne mit der Durchsetzung kapitalistischer Produktionsverhältnisse im späten Feudalismus vergleichbar. So wie damals eine Vereinheitlichung von Maßen, Geld, Gewichten, Normen usw. überhaupt erst bürgerliche Verkehrsformen auf steigendem Niveau ermöglichte, so muss auch eine Planwirtschaft einen qualitativen Sprung gegenüber den Möglichkeiten einer kapitalistischen Wirtschaft bewirken. Doch auch bei der Verwirklichung dieser Aufgabe ist die Bürokratie auf halbem Wege stehen geblieben. Zwar gelang es, eine weitgehende Vereinheitlichung von Produktionsnormen zu erreichen - jedoch nicht auf der Ebene des RGW. Schwerer noch als die Divergenz der Normen wog die Unfähigkeit, aus den Produkten und Fertigungstechniken diejenigen auszuwählen, die am besten sind. Auch die Tatsache, dass im Unterschied zum Kapitalismus nicht der Tauschwert, sondern der Gebrauchswert eines Produktes maßgebend ist, war durchaus unterbelichtet. Ständige Erneuerung und Verbesserung der Produkte und der Fertigung unter diesem Aspekt fand nie konsequent statt. Die Ursachen hierfür sind zum einen in der Ausschaltung der Entscheidungskompetenz der Produzenten und Konsumenten zu suchen, zum anderen im Fehlen entsprechender Mechanismen in der Planung, die solche Innovationen erzwingen bzw. motivieren. Fazit Wir haben zu zeigen versucht, dass die Unzulänglichkeiten, die Krise und schließlich die Möglichkeit der fast widerstandslosen Beseitigung der Planwirtschaft nicht in der Unmöglichkeit einer geplanten Wirtschaft zu suchen sind, sondern in der bürokratischen Form und den bürokratischen Zielen dieser Planung. Eine Planwirtschaft kann nicht funktionieren, wenn das historische Subjekt der Entwicklung, das Proletariat, nahezu aller Möglichkeiten der Kontrolle, Durchführung und Korrektur von Wirtschaftstätigkeit beraubt ist. Auf einen Nenner gebracht heißt das: Ohne Rätedemokratie keine funktionierende Planung. Doch selbst eine wesentlich demokratischer organisierte Planung würde sich in unentwirrbaren Widersprüchen verwickeln, wenn sie nicht als ökonomischer Mechanismus dem Erreichen kommunistischer Gesellschaftsziele dient. Schließlich ist auch die perfekteste Planung von einer wesentlichen Komponente abhängig - einer funktionierenden internationalen Arbeitsteilung der Arbeiterstaaten und der Ausweitung der proletarischen Weltrevolution. Anmerkungen (1) "Im Jahre 1936 wurden auf dem Gebiet der späteren sowjetischen Besatzungszone 27% der gesamten deutschen Nettoproduktion der Eisen- und stahlverarbeitenden Industrie produziert, deren Rohstoffe ... jedoch nur zu fünf Prozent im Gebiet erzeugt wurden. ... Im Jahre 1938 betrug der Anteil Mitteldeutschlands an der Produktion des Deutschen Reiches bei Steinkohle 1,9%, bei Eisenerz 6%, bei Roheisen 4,3%, bei Rohstahl 6,6%." (S. Wenzel, Plan und Wirklichkeit, Scripta Mercaturae Verlag St. Katharinen, 1998, S.7) (2) "Gemessen am Sozialprodukt umfassten diese (Reparationen, d.A.) ... für den Zeitraum 1946-1953 ... 22% der laufenden Produktion ... . Das Verhältnis DDR/BRD betrug für diese belastendste Form von Kriegskontributionen 98:2." (ebenda, S.3/4) (3) "Im Jahre 1947 erzeugten diese staatseigenen Betriebe 36,8% der damaligen Bruttoproduktion. Dieser Anteil erhöhte sich 1948 auf 39% und 1949 auf 46,6%. Im Jahre 1950 betrug der Anteil der volkseigenen Betriebe an der Produktion der Industrie bereits 74,9%". (ebenda, S.24) |
November 2009
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