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Die nationale Frage in der DDR

Auszug aus: Die Krise in der DDR, Resolution der Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale, 21.11.1989, Revolutionärer Marxismus 29. November 1999

Obwohl die Teilung Deutschlands eine reaktionäre Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts der Deutschen war, führte sie zur Schaffung eines degenerierten Arbeiterstaates, dessen grundlegende ökonomische Merkmale ein Hindernis für kapitalistische Ausbeutung, die Basis einer geplanten Wirtschaft und soziale Fortschritte sowie der Ausgangspunkt zukünftigen Fortschritts der Arbeiterinnenklasse der DDR sind. Kommunistinnen treten daher prinzipiell gegen eine Wiedervereinigung von DDR und BRD ein, falls diese die Zerstörung der nachkapitalistischen Eigentumsverhältnisse in der DDR und die Expansion des BRD- Imperialismus zum Inhalt hat.

Alles in allein hat die Massenbewegung in der DDR die Frage der Wiedervereinigung bisher nicht als vordringliches Thema aufgeworfen. Das folgt teilweise aus der Dominanz der offiziellen Ideologie mit ihrer ständigen Versicherung der Legitimität des Staates, teilweise aus einer 'realistischen' Einschätzung, was die Imperialistlnnen und die UdSSR erlauben werden, und zum Teil auch aus der Einsicht in den reaktionären Charakter der BRD. Trotzdem ist es praktisch undenkbar, daß die fortgesetzte politische Krise in der DDR nicht dazu führen wird, daß die Wiedervereinigung als mögliche Lösung der ökonomischen Schwäche und der politischen Instabilität gesehen wird. Revolutionärinnen müssen sich auf die fortschrittlichen Elemente dieser Idee beziehen. Deshalb ist die Forderung nach revolutionärer Wiedervereinigung Deutschlands keine untergeordnete taktische, sondern ein Bestandteil des Programms. Damit meinen wir nicht, daß ein wiedervereinigter deutscher Arbeiterstaat notwendige Voraussetzung oder Ergebnis siegreicher Arbeiterinnenrevolutionen in Europa sein muß. Wir erkennen aber, daß die nationale Frage eine Achillesferse der DDR ist, die kein anderer osteuropäischer degenerierten Arbeiterinnenstaat besitzt. Eine revolutionäre Antwort auf dieses spezielle Problem bekommt damit sogar entscheidenden Stellenwert, wenn nationale Illusionen in den Vordergrund des proletarischen Bewußtseins rücken. Revolutionärinnen müssen hervorstreichen, daß es natürlich keine Lösung für die Probleme der DDR in ihren eigenen Grenzen gibt. In diesem Kontext erkennen wir auch das große ökonomische Gewicht der BRD und ihre Kapazität, den ökonomischen Wiederaufbau und die Entwicklung in allen degenerierten Arbeiterinnenstaaten zu unterstützen an. Aber Revolutionärinnen weisen die Idee zurück, daß das durch die Wiedervereinigung unter einer imperialistischen BRD erreicht werden könnte.

Die Prosperität der BRD war keineswegs das Ergebnis irgendeiner dem kapitalistischen System innewohnenden Überlegenheit. Während der ganzen Nachkriegsgeschichte hat die in der BRD liegende deutsche herrschende Klasse aus der Existenz ihres stalinistisch kontrollierten Nachbarn Vorteile gezogen. Ideologisch half diese Konstellation, die Arbeiterklasse in der BRD an ihre kapitalistischen, aber 'demokratischen' Herren zu binden. Ökonomisch brachte sie sowohl die Zufuhr gut ausgebildeter Arbeitskraft (Einwanderer vor dem Bau der Berliner Mauer) und den Zugang zu osteuropäischen Märkten. Die herrschende Klasse der BRD sieht angesichts einer eigenen exportorientierten Wirtschaft, die eine Rezession und einen darauf folgenden Niedergang des Welthandels auf sich zukommen sieht, die Krise in der DDR und in den anderen degenerierten Arbeiterstaaten als Möglichkeit für eine Weiterführung, ja Ausdehnung der eigenen Produktion. Zweitens sieht sie darin die Grundlage einer neuen eigenen Rolle im europäischen und schließlich im weltweiten Rahmen.

Die BRD-Bosse rechnen sich schon jetzt aus, wie sie am besten aus der Krise des Stalinismus profitieren können, wie sie Arbeitslöhne durch 'Flüchtlingsarbeit' drücken können, wo neue Industrien errichtet werden sollen und woher sie billigere Rohmaterialien erhalten können. Die Metall-Unternehmerinnen fordern bereits eine Rückkehr zur 40 Stunden Woche, die durch den Druck der Gewerkschaften Mitte der 80er Jahre abgeschafft worden war. Um ihre eigenen Interessen und die der Arbeiterinnen in der DDR zu verteidigen, müssen die Lohnabhängigen in der BRD die Pläne der Kapitalistinnen durchkreuzen. Sie müssen lernen, mit ihren Bossen in derselben Sprache wie die polnischen, russischen und ostdeutschen Arbeiterinnen zu sprechen, die Sprache der Massenstreiks und Demonstrationen. Sie müssen nicht nur gleichen Lohn und gleiche Rechte für alle Arbeiterinnen fordern, sondern auch das Ende der gegenwärtigen Offensive gegen die DDR. Solange die DDR auf nachkapitalistischen Eigentumsverhältnissen basiert, muß ihr Existenzrecht verteidigt werden, die BRD muß ihre Legitimität und die DDR-Staatsbürgerschaft anerkennen.

Revolutionärinnen in der BRD fordern außerdem die Öffnung aller Bücher der Kapitalistinnen, die aus Handelsbeziehungen mit degenerierten Arbeiterinnenstaaten profitiert haben. Sie werden die Aufnahme direkter Beziehungen zwischen den Basisorganisationen der Arbeiteklasse auf beiden Seiten und die Bewilligung auflageloser Kredite und Hilfe für die DDR fordern. Den Plänen, die DDR als Teil einer Rekapitalisierung in die BRD einzugliedern, stellen wir das für ganz Europa fortschrittliche Potential einer revolutionären Wiedervereinigung Deutschlands gegenüber, das heißt den Sturz des kapitalistischen Staates in der BRD und den der Stalinistinnen in der DDR.

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Entstehung und Untergang der DDR

November 2009

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*  Vom Regen in die Traufe. Proletarische Frauen von der DDR zur BRD
*  Debatte: War die DDR ein Unrechtsstaat?