Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Bundespräsidentschaftskandidatur

Horst vom IWF

Peter Lenz, Neue Internationale 89, April 2004

Wer ist Horst Köhler? Im Jahre 2000 wurde er Generaldirektor des Internationalen Währungsfonds (IWF). Zuvor war er Chef der Osteuropa-Bank. Als im Herbst 2000 Tausende in Prag gegen die Politik von IWF und Weltbank demonstrierten, hielt der frisch gebackene IWF-Generaldirektor Köhler die erste seiner demagogischen Reden.

Seit 1981 ist Köhler CDU-Mitglied. "An der Loyalität zu Helmut Kohl ließ er nie einen Zweifel aufkommen". So umschreibt die bürgerliche Presse Köhlers Schleimspur auf seinem Karriereweg.

Der gelernte Volkswirt Köhler kam über die schleswig-holsteinische Staatskanzlei und den späteren CDU-Bundesminister Stoltenberg 1982 ins Bonner Finanzministerium. Dort arbeitete er u.a. als Staatssekretär. Anschließend war er Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes, danach Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD in London).

Er war maßgeblich an den Verhandlungen über die deutsche Währungsunion 1990 sowie an der im Maastrichter Vertrag 1991 festgeschriebene Europäischen Währungsunion beteiligt.

Es war Köhler, der mit Russland Milliardenzahlungen für den Abzug der Roten Armee aus Deutschland aushandelte. Er regelte die deutsche Finanzhilfe für den Golfkrieg I, d.h. die Zahlung von mindestens 12 Mrd. DM in die US-Kriegskasse.

Finanzbeamter und Demagoge

Wer IWF-Generalsekretär ist, hat Blut an den Händen. In Köhlers Amtszeit fällt der Aufstand der verarmten Massen in Argentinien.

Unter seiner Ägide führte die Politik des IWF zu Zehntausenden Verhungerten und Millionen Verelendeten. In seiner Ära wurden die Konzerne und Eliten der imperialistischen Länder noch reicher.

Köhler versuchte immer, seinen Job nur als den eines Sparkassenfilialleiters - wenn auch auf internationaler Ebene - darzustellen. Er ist einer jener Technokraten, der für jede Schweinerei zuverlässig und gut zu gebrauchen ist. In einer vom IWF veröffentlichten Rede zu den Problemen Lateinamerikas kommt die "Besonderheit" seiner Rhetorik klar heraus:

"Das Ergebnis unseres Engagements ist keine reine Erfolgsstory. Aber alles in allem schätze ich die Situation in Lateinamerika und der Karibik heute als deutlich besser ein als noch vor 10 oder 20 Jahren - und ich glaube, dieser Unterschied ist nicht zuletzt der Arbeit des IWF zu verdanken. Die Staaten der Region haben sich eindeutig zu Demokratie, offenen Märkten und makroökonomischer Stabilität bekannt. Dies hat die Weichen für eine gute Zukunft gestellt."

Wer das liest, muss annehmen, dass Köhler entweder einen anderen Planeten meint oder aber ein ausgesprochener Demagoge ist. Köhlers Aufgabe war es auch, den wachsenden Protesten gegen die Politik des IWF etwas Medienwirksames entgegenzusetzen, um die Weltöffentlichkeit zu beruhigen. Vorsichtige Selbstkritik - und weiter wie gehabt. Noch im Juli 2002 versprühte er Optimismus:

"Ich bin auch zuversichtlich, dass Argentinien und die Türkei den Sturm überstehen werden. Beide haben bei den Maßnahmen, mit denen sie ihre Probleme angehen wollen … einen marktwirtschaftlich ausgerichteten Ansatz gewählt. Diese Ansätze verdienen starke Unterstützung."

"Marktwirtschaftliche Ansätze" bedeuten vor allem, den internationalen Konzernen möglichst unbegrenzten Zugang zu allen Märkten zu verschaffen und neoliberale Reformen und Sozialabbau voranzutreiben. Köhler verstand es, sich dabei trotzdem den Anschein eines vorsichtigen Reformers des IWF zu geben. Zwar ist von diesen Reformen wenig mehr als Nichts zu sehen, doch immerhin gelang es ihm, einige reformistische Tagträumer, wie sie in attac oder in vielen NGOs zu finden sind, Glauben zu machen, der IWF sei wirklich reformierbar.

"Bolivien, Guayana, Honduras und Nicaragua - profitieren vom Schuldenerlass im Rahmen der Initiative für die stark verschuldeten armen Länder (HIPC-Initiative). Aber das Wichtigste, das wir tun können, um bei der Bekämpfung der Armut zu helfen, ist, arme Länder in die Lage zu versetzen, sich selbst zu helfen. Entscheidend hierfür ist der erweiterte Zugang zu den Märkten der Industriestaaten, insbesondere für Produkte, die für sie am meisten zählen, wie Agrarprodukte, Textilien und andere Fertigerzeugnisse. Und hier ist kein Industriestaat - weder Europa noch Japan oder die Vereinigten Staaten - frei von Schuld."

"Zugang zu den Märkten der Industriestaaten" bedeutet Anpassung der Wirtschaften der "3. Welt" an die (Profit)Bedürfnisse der imperialistischen Metropolen. Entschuldung bedeutet, dass man das Geld sowieso nicht mehr zurück bekommt bzw. die Länder wieder "kreditwürdig" sind, um in den Strudel neuer Schulden gerissen zu werden. Wie dreist und verlogen der Hoffnungsträger der Reformisten Köhler aber tatsächlich ist, belegen Aussagen wie folgende:

"Die Ausdehnung des internationalen Handels war einer der Kanäle, durch den die Globalisierung zu beispiellosem weltweitem Wohlstand in unserem Leben beigetragen hat." (Quelle: Internationaler Währungsfonds, Washington)

Köhler erinnert an amerikanische Ex-Präsidenten, die während ihrer Amtszeit ungeniert Raubkriege durchführten, um danach als Ex-Präsidenten humanistische Reden halten und dafür den Friedensnobelpreis einzuheimsen. Erst meucheln, dann heucheln.

IWF-Horst kehrt heim

Kaum als Bundespräsidentenkandidat von Union und FDP nominiert, kämpft Köhler nun um Medienpräsenz in Deutschland - denn sein Bekanntheitsgrad ist in Deutschland fast null.

Das ist auch Ergebnis der nationalbornierten Politik der Reformisten in SPD und DGB.

Als Bundespräsident will er den Deutschen Mut machen. Tatsächlich braucht es doppelten Mut: Einmal, um zu verstehen, dass Verschlechterungen eigentlich Verbesserungen sind; und zweitens, diesen Schwachsinn auch noch öffentlich zu vertreten.

Köhler will versuchen, Deutschland "Impulse zur Lösung seiner Strukturprobleme zu geben". Ein Bundespräsident solle sich zwar nicht in die Tagespolitik einmischen, aber er könne mithelfen, "dass die Deutschen die tief greifenden Probleme anpacken und nicht zu kurz springen".

Er wirft der Politik vor, zu langsam zu entscheiden und den Menschen in Deutschland notwendige Reformschritte nicht ausreichend zu vermitteln. Mit anderen Worten: Noch mehr und noch schneller Sozialabbau betreiben und noch schamlosere Lügen!

Schnell wird klar, warum Köhler von der Union und vor allem von der FDP als Kandidat gekürt wurde. Er soll auf dem Feld der öffentlichen Meinung den Reformdruck, d.h. Tempo und Ausmaß der neoliberalen Angriffe noch forcieren. Was der bräsige Roman Herzog einst mit seinem "Ruck", der durch Deutschland gehen müsse, vorexerziert hat, ist unter dem SPD-Pfaffen Rau etwas zu kurz gekommen.

Köhler und die Agenda 2010

Deutschland - so Köhler - laufe Gefahr, an Einfluss zu verlieren, wenn es nicht gelinge, die mit der Agenda 2010 eingeleitete Politik "umzusetzen und zu vertiefen". Es gebe für die Deutschen "keinen Grund, den Kopf hängen zu lassen … aber sie müssen aufwachen."

Kerner und andere öffentliche Quotenjäger räumen ihm genug Sendezeit ein, die zum großen Teil dazu genutzt wird, um heiklen Fragen nach der Bilanz des IWF auszuweichen.

Köhler begrüßt das Reformpaket von Schröder: "Wenn es voll umgesetzt wird, glaube ich, dass es den Aufschwungkräften neue Impulse gibt." Doch der Sozialabbau der Bundesregierung geht ihm nicht weit genug. Durch die Agenda würden die Finanz-Engpässe in der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung nicht behoben. Dennoch weise sie in die richtige Richtung. Die Situation in Deutschland sei besonders schwierig, weil hier die weltweite Konjunkturschwäche mit strukturellen Wachstumsproblemen zusammentreffe. Dennoch sieht Köhler die Konjunkturentwicklung vorsichtig optimistisch, vorausgesetzt Bundeskanzler Schröder könne seine Agenda ohne größere Abstriche durchsetzen.

Solche Worte freuen Scharfmacher wie Westerwelle: "Köhler ist ein Mann, der nicht nur die Situation in Deutschland kennt, sondern mit internationaler Erfahrung auf Deutschland schaut und daher weiß, was sich ändern muss." Der Ex-IWF-Chef sei ein Mann, der die Menschen für die Reformen in der Globalisierung gewinnen könne. Er sehe die Chancen der Globalisierung, aber auch ihre ethische Herausforderung. Mit anderen Worten: nicht nur der Fachmann ist gefragt - auch der Demagoge.

Weg mit dem Präsidentenamt!

Das Bundespräsidentenamt ist eine reaktionäre, undemokratische Institution. Es steht in der unseligen Tradition der Reichspräsidenten. Der Bundespräsident unterliegt noch weniger der demokratischen Kontrolle als das Parlament. Dass der Bundespräsident nicht direkt, sondern von der von den Parteien "ausgekungelten" Bundesversammlung gewählt wird, verweist darauf.

Das Amt des Bundespräsidenten ist eine formell "unparteiische" Instanz, die die öffentliche Meinung im Sinne der wichtigsten Fraktionen des Kapitals über enge Parteigrenzen hinweg beeinflusst. Das Amt ist auch mehr als nur ein repräsentatives. In Momenten der offenen Krise des demokratischen Systems steht der Bundespräsident als Bonapart bereit, der nötigenfalls an Parlament und Parteien vorbei Maßnahmen setzen kann, um das kapitalistische System am Funktionieren zu halten.

Die deutsche Geschichte nach 1918 kennt zahlreiche Beispiele, wie die Reichspräsidenten in "kritischen Momenten" sehr viel Macht übernahmen und mittels "Notverordnungen" regierten. Das deutsche Grundgesetz oder die Notstandgesetze nach 1968 belegen, dass eine solche Präsidialdiktatur im demokratischen Instrumentarium durchaus vorgesehen ist.

Da wir prinzipiell gegen dieses Amt sind, stellen wir auch keine Forderung nach einer Direktwahl auf. Diese würden wir allenfalls dann kritisch unterstützen, wenn eine fortschrittliche Massenbewegung damit verbunden wäre. Unsere Losung lautet daher: Weg mit dem Präsidentenamt!

Köhler oder Schwan werden ihren Thron besetzen - besetzen wir Strassen und Betriebe!

Leserbrief schreiben   zur Startseite

neue internationale
Nr. 89, April 2004

*  Europäischer Aktionstag: Sozialraub stoppen!
*  EU-Osterweiterung: Kein Grund zum Feiern!
*  3. Europäisches Sozialforum: Reif für die Insel
*  Bundespräsidentschafts- kandidatur: Horst vom IWF
*  Heile Welt
*  Berliner Kürzungspolitik: Absaufen im Stellenpool
*  Nach dem Attentat auf Scheich Yassin: Zionistische Optionen
*  Nationale Unterdrückung: Die baskische Frage
*  Initiative und Wahlalternative: Neue SPD? Neue Arbeiterpartei!