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3. Europäisches Sozialforum

Reif für die Insel

Susanne Kühn, Neue Internationale 89, April 2004

Das 3. Europäische Sozialforum (ESF) wird vom 14.-16. oder vom 15.-17. Oktober in London stattfinden - so der Beschluss des Vorbereitungstreffens vom 6./7. März.

Britische Gewerkschaften und die Londoner Stadtverwaltung haben finanzielle Unterstützung zugesagt. Die stärkere Beteiligung der britischen Gewerkschaften ist ein Fortschritt gegenüber ihrer sonst üblichen national-bornierten Politik Sie ermöglicht zehntausenden GewerkschafterInnen, am ESF mit ArbeiterInnen und AntikapitalistInnen aus ganz Europa zusammentreffen, diskutieren und Aktionen koordinieren zu können. Damit ist aber auch die Gefahr verbunden, dass die GewerkschaftsbürokratInnen die Bewegung ihren reformistischen Interessen politisch unterordnen.

Die Socialist Workers Party (SWP, in der BRD Linksruck) agiert dabei als organisierende Kraft, die einerseits das ESF voranbringen will, andererseits die BürokratInnen vor allzu linker Kritik in Schutz nimmt.

Wir sind nicht gegen die Beteiligung der Gewerkschaften und ihrer FührerInnen – wir sind aber dagegen, ihnen politische Konzessionen zu machen, welche die Dynamik der Bewegung schwächen. Zwei sehr gefährliche Zugeständnisse zeichneten sich beim Vorbereitungstreffen schon ab:

Der beschlossene Teilnehmerbeitrag ist sehr hoch: rd. 45 EURO für Beschäftigte und 30 EURO für Erwerbslose, SchülerInnen und Studierende. Selbst der "ermäßigte" Betrag ist ein sehr großes Hindernis für die Teilnahme gerade der unterdrücktesten Schichten der Arbeiterklasse und der Jugend am ESF.

Das "Treffen der Sozialen Bewegungen" soll möglichst an den Rand gedrängt werden, entweder auf Sonntag Abend oder auf den Montag (!) nach dem ESF.

Soziale Bewegungen

Gerade von diesen Versammlungen der Sozialen Bewegungen gingen bisher die Aufrufe und Mobilisierungen der ESF aus. Sie sind jener Teil der Bewegung, von der eine neue Internationale ausgehen könnte. Sie sind - anders als das ESF - nicht den "Prinzipien von Porto Alegre" unterworfen, die Abstimmungen über Aktionen und die offizielle Beteiligung von Parteien verbieten.

Daher ist es zentral, gegen diese reaktionären Beschränkungen und gegen die stillschweigende Zerstörung der Versammlung der Sozialen Bewegungen zu kämpfen. Statt diese Versammlung zu ruinieren, müsste sie neu belebt werden! Sie muss zu einer Zusammenkunft demokratisch gewählter, repräsentativer und rechenschaftspflichtiger Delegierter werden, die Aktionsvorschläge diskutieren und darüber abstimmen. Sie müsste eine Koordinierung bilden, eine Art Kampf-Führung.

Gemeinsame Kampfschritte einer Bewegung könnten einen wichtigen Impuls zum Aufbau einer neuen Internationale geben. Das wäre aber weder ein automatischer, spontaner, noch ein konfliktfreier Prozess. Im Gegenteil! Eine solche Entwicklung würde die Konfrontation zwischen den verschiedenen Flügeln der Bewegung, die in letzter Instanz verschiedene Klassenkräfte repräsentieren, verschärfen; sie könnte sich nur über eine Reihe von Konfrontationen und Spaltungen mit reformistischen BürokratInnen und kleinbürgerlichen Versöhnlern entwickeln.

Das bedeutet nicht, dass wir nicht-proletarische oder nicht-revolutionäre Kräfte aus der Bewegung drängen oder gar gemeinsame Aktionen mit ihnen ablehnen wollten. Der Grund dafür ist, dass jeder Kampf gegen den globalen Kapitalismus, der wirkungsvoll sein und die Massen einbeziehen will - also eine Gefahr für das System darstellt -, notwendig die Frage von Reform und Revolution, die Frage der politischen Macht aufwerfen muss.

Gegenwärtig ist die Bewegung eine Mischung aus vorwiegend reformistischer, populistischer oder libertärer Propaganda und von Bündnissen für einzelne Kämpfe.

Das Ziel der reformistischen Gewerkschaftsführer und links-bürgerlicher Gruppierungen wie attac sind dabei klar. Ihnen sind die "politischen Partner", die tradierten Sozialdemokratischen Parteien "abhanden" gekommen. Sie suchen daher nach neuen "Politikformen" und Foren - ohne ihre reformistische, auf den Klassenausgleich im Kapitalismus ausgerichtete, Politik aufgeben zu müssen. Daher haben sie ein natürliches Interesse daran, zu verhindern, dass die Bewegung verbindliche Aktionen beschließt, an denen die BürokratInnen gemessen werden können. Sie ziehen es vor, dass sie ein "Raum" ist und bleibt.

Träume von Räumen

Anarchistische und libertäre Gruppierungen, die in London als "horizontals" (die Horizontalen) auftraten, spielen ungewollt, aber umso wirkungsvoller diesen Absichten der Bürokratie in die Hände. Ginge es nach ihnen, soll die Bewegung nur aus losen, dezentralen Netzen bestehen. Sie kann alles Mögliche machen - nur nicht die Machtfrage aufwerfen. Sie sehen daher die politische Auseinandersetzung nicht im Spannungsfeld von Reform und Revolution oder verschiedener Klassenkräfte, sondern "hierarchischer" und "horizontaler" Gruppierungen. Sie wollen keine Bewegung von Massen und dementsprechende zentralisierte und demokratische Organisationsformen, sondern eine "Bewegung" der Individuen, die sich unverbindlich im "Raum" Sozialforum begegnen. Daher richtet sich die Kritik der "Libertären" auch weniger gegen die ReformistInnen, als gegen jene linken Organisationen, die aus den Sozialforen Aktionszentren des Kampfes machen wollen.

Subjektiv revolutionäre Gruppierungen wie Linksruck oder das Vereinigte Sekretariat der Vierten Internationale (in Deutschland isl und RSB) hoffen dagegen auf die Entwicklung einer klassenübergreifenden Bewegung, in der sie wie "Fische im Wasser" schwimmen können und darauf, dass sich die Bewegung spontan nach links entwickelt. Das ist jedoch eine Illusion! Ohne politische Auseinandersetzung, ohne klassenkämpferische Aktionen und Taktiken, ohne klare revolutionäre Propaganda und unversöhnlichen Kampf gegen reformistische, zentristische und anarchistische Ideologien wird die Bewegung vollständig zur Beute von BürokratInnen und Kleinbürgern werden müssen.

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Nr. 89, April 2004

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