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Nach dem Gewerkschaftstag der IG Metall

Waffenstillstand

Frederik Haber, Neue Internationale 85, November 2003

Am Ende des ersten Teils des IG Metall-Gewerkschaftstages im August waren Peters und Huber als neues Führungsduo installiert worden. Damit hatte der alte Vorsitzende Zwickel sein letztes Gefecht verloren, mit dem er versucht hatte, Peters zu verhindern und seinen Favorit Huber auf den Schild zu heben.

Huber steht für die Modernisierer. Sie wollen die Zusammenarbeit mit dem Kapital den heutigen Gegebenheiten anpassen. Wenn Unternehmen oder das deutsche Kapital insgesamt der verschärften weltweiten Konkurrenz begegnen wollen und dabei um die Führung kämpfen, dann sind eben das die Rahmenbedingungen. Wenn das Lohnniveau und die Sozialleistungen aus der "goldenen Zeit" des Nachkriegskapitalismus den Unternehmern zu teuer geworden sind, wollen die Modernisierer sie umgestalten - also abbauen. An diesen Errungenschaften hängen viele MetallerInnen und sehen in Peters ihren Mann.

In der Entscheidung um den neuen Vorsitzenden konnte keine Seite siegen. Viele Sachfragen, die im zweiten Teil in Hannover zur Entscheidung anstanden, wurden vertagt. In der Tarifpolitik wollen die Modernisierer dem Druck der Unternehmer nachgeben, die differenzierte Tarifabschlüsse fordern. Unter dem Motto "Zweistufigkeit" sollen ertragsstarke Betriebe mehr rausholen können. Aber jede Öffnung nach oben ist auch eine nach unten: Das zeigen die Abschlüsse in der Chemieindustrie, wo das Weihnachtsgeld je nach Ertragslage nach oben oder unten schwanken kann und in Zeiten der Flaute wie jetzt in den meisten Betrieben nach unten "schwankt".

Ernüchternde Bilanz

Ebenso vertagt wurde die Entscheidung in der Bildungsarbeit. Es steht zu befürchten, dass die politische Bildung einer Ausbildung von Betriebrats-Technokraten geopfert werden soll.

Etwas Bewegung brachte die Debatte um die Sozialpolitik. Neben einer Beurteilung aktueller Angriffe wie der Gesundheitsreform wird auch eine hohe Beteiligung von MetallerInnen am 1.11. in Berlin "begrüßt". Der Druck der Basis zeigte Wirkung, obwohl der IGM-Tag keine klaren Schritte zur Mobilisierung beschloss. Dennoch ist die vorherrschende Einstellung die, dass Reformen nötig seien - nur andere. Alle Vorschläge gehen in die Richtung, die Plünderung der Sozialkassen zu Lasten der Massen zu akzeptieren.

Ein Antrag, der den Ausbau der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee kritisierte und den Verbot von Auslandseinsätzen forderte, verlor knapp. Da der Gewerkschaftstag nicht alle Anträge behandeln konnte, wurden unter anderem auch drei Anträge an den Beirat verwiesen, welche die Aufhebung der Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen Linke forderten.

Den aktuellen Waffenstillstand zwischen den zwei IGM-Flügeln können die Modernisierer nutzen, um ihre Positionen auszubauen. Die Petersleute werden ihnen konzeptionell wenig entgegensetzen. Sollten sie zu Mobilisierungen aufrufen, muss man das unterstützen. Aber für eine wirkliche Perspektive ist mehr nötig: Wer das Konzept einer "Gegenmacht" beibehalten will, muss es neu definieren. Weder Arbeitsplätze, noch Löhne oder Arbeitsbedingungen können mit Verhandlungen und "verhandlungsbegleitendem Druck" dauerhaft verteidigt werden. Die Macht der Unternehmer muss direkt angegriffen werden!

Jene Teile der Organisation, die dazu bereit sind, müssen sich organisieren und ihre Ziele programmatisch (er)klären. In Hannover wurden einige linke Verbindungen geknüpft. Nun geht es darum, sowohl politisch-programmatisch als auch organisatorisch die nächsten Schritte zu gehen. Die lose Vernetzung als organisatorische Grundlage und punktuelle politischen Übereinstimmungen sind perspektivisch zu wenig, um eine aktive und mobilisierungsstarke Opposition in den Gewerkschaften aufzubauen.

Wir arbeiten deshalb an zwei Projekten. Zum einen geht es um den Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung, die alle aktiven und kritischen GewerkschafterInnen vereint, die nicht den Konsens mit, sondern den Kampf gegen Regierung und Kapital suchen und dafür ihre eigene Organisation zu einer basisdemokratischen und zugleich kämpferischen Organisation umformen wollen. Das schließt den politischen Kampf gegen alle Flügel - Traditionalisten wie Modernisierer - der herrschenden Gewerkschaftsbürokratie ein. Gerade für KollegInnen, die etwas tun wollen, jedoch isoliert und ohne Führung sind, ist es wichtig, dass es eine politisch und organisatorisch erkennbare Struktur von Gleichgesinnten gibt, der man sich anschließen kann.

Revolutionäre Fraktion

Gleichzeitig ist es nötig, dass eine revolutionäre Fraktion innerhalb der Gewerkschaften aufgebaut wird, die auf einem Programm beruht, das die Überwindung des Kapitalismus insgesamt zum Ziel hat. Nur so kann gewährleistet werden, dass kämpferische Basisinitiativen zu einer Opposition gegen die gesamte Bürokratie verbunden werden und auch eine politisch-programmatische Alternative zur Führung entwickeln.

Gerade jetzt, da auch in der IG Metall intensiver über eine politische Alternative zur SPD diskutiert wird, ist es notwendig, eine solche aufzuzeigen und eine Struktur zu haben, die diese Ideen auch direkt in die Bewegung, in die Betriebe und die gewerkschaftliche Basis tragen kann.

Bei beiden Projekten geht es nicht nur um Ideen oder theoretische Positionen, sondern darum, den Kampf gegen die Offensive des Kapital, gegen die Agenda 2010 konkret voran zu bringen.

Der Waffenstillstand in der IG Metall wird nicht ewig andauern. Die Zeit arbeitet gegen Peters und seine Anhänger. Der wachsende "Reform"-Druck des Kapitals auf die IG Metall ist vor allem Wasser auf die Mühlen Hubers.

Die Zeit kann aber auch für die Linke arbeiten, weil der Kurs der Führung immer mehr ArbeiterInnen abstoßen wird. Umso wichtiger ist es jetzt, die Mobilisierungen gegen die Agenda zu verstärken und all jene zu sammeln, die nicht still stehen, sondern ihre (Streik)Waffen anwenden wollen.

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neue internationale
Nr. 85, November 2003

*  Von der Demo zum Massenstreik: Agenda kippen!
*  Nach dem Gewerkschaftstag der IG Metall: Waffenstillstand
*  Bildung: Leere statt Lehre
*  Ausbildungsplatzabgabe: Wer nicht ausbildet, zahlt!
*  Die Union und die Sozialreformen: Pest oder Cholera
*  Klassenkampf in Europa: Das Kapital schlägt zu
*  Europäische Antikapitalistische Linke: Weg aus der Sackgasse?
*  Bolivien: Arbeiter und Bauern an die Macht!
*  Palästina: Solidarität mit der Intifada!
*  Heile Welt
*  Europäisches Sozialforum: Paris, wir kommen!