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Bundeswehreinsätze in Syrien und Mali

Nein zur imperialistischen Intervention!

Martin Suchanek, Neue Internationale 205, Dez. 15/Jan. 16

In groß-koalitionärer Einigkeit hat der Bundestag am 4. Dezember die Intervention in Syrien beschlossen. Der zur Zeit größte Kriegseinsatz der Bundeswehr wurde im Eilverfahren durchgespeitscht. Sicher, auch nach einer längeren Parlamentsdebatte oder nach dem Parteitag der SPD Mitte Dezember hätte sich nicht viel an den Mehrheiten geändert. Es ist bezeichnend für die bürgerliche Demokratie, dass Fragen von Krieg und Frieden, nach Auslandsinterventionen oder deren Zweck dem ansonsten gern zur Rechtfertigung jeder Schweinerei ins Treffen geführten „Volkswillen“ nicht „überlassen“ werden.

Mandate im Eilverfahren

Ab Januar 2016 sollen 1200 deutsche Soldaten vor allem Aufklärung und Informationsbeschaffung im Rahmen der „Anti-IS-Allianz“ in Syrien und im Irak leisten. Begründet wurde das Mandat damit, dass Frankreich und auch die irakische Regierung bei ihrer „Selbstverteidigung“ unterstützt werden müssten. Solcherart sei dann auch alles völkerrechtlich in Ordnung.

Hat die Intervention in Syrien immerhin Proteste verschiedener Art mit sich gebracht, so geht die Ausweitung der Bundeswehr-Präsenz in Mali fast geräuschlos über die Bühne. Frankreich interveniert seit 2012 unter UN-Mandat, um dort seine Interessen zu wahren und das Land im Krieg gegen Islamisten, Tuareg-Milizen und nach einem Militärputsch zu „stabilisieren“. Die Bundeswehr war bislang mit rund 200 Soldaten präsent, die die Armee- und Polizeikräfte im Rahmen des UN-Einsatzes EUTM im Süden ausbilden. Nun soll der Einsatz im Rahmen der UN-Mission Minusma, die für den Norden Malis gilt, auf 800 Soldaten ausgeweitet werden, um einen Waffenstillstand erzwingen, wie der sog. „Friedenseinsatz“ genannt wird.

Bemerkenswert an diesem Kampfeinsatz gegen den „Terror“ ist auch, dass Verteidigungsministerin von der Leyen die Ausweitung des Mandates schon seit Oktober, also vor den Anschlägen von Paris, forciert hat. Gegenüber der breiteren Öffentlichkeit wird jedoch so getan, als wären diese Pläne erst auf Bitten Frankreichs entwickelt worden.

Der Einsatz in Mali, der nicht minder reaktionären Zwecken folgt (siehe Martin Suchanek, Nein zur imperialistischen Löschaktion der Brandstifter, NI 176, Dezember 2012/Januar 2013, www.arbeitermacht.de/infomail/665/mail.htm), wie jener in Irak und Syrien, gilt gemeinhin als lupenrein humanitär. Die stationierten Truppen agieren mit den höheren Weihen der zur „Weltgemeinschaft“ verbrämten UNO. Allenfalls beklagen die bürgerlichen Medien, dass sich „unsere Soldaten“ mit korrupten und undankbaren Eliten, lokalen Landlords und einer ehemaligen Kolonialbevölkerung herumschlagen, die den „Friedenseinsatz“ zu ihrem vorgeblichen Schutz nicht richtig zu würdigen weiß und ihre „Retter“ auch noch mit Steinen bewirft.

Kein Wunder also, dass nicht nur beide Koalitionsparteien, sondern auch die Grünen für eine Ausweitung des Einsatzes eintreten. Die Linkspartei hält die Füße still. Selbst ihr eigenes Abstimmungsverhalten scheint sie nicht zu interessieren. Was einzelne „KritikerInnen“ des Einsatzes bei SPD und Grünen betrifft, so mahnen sie allenfalls „klarere und längerfristige Konzepte“ an. Der „Kontakt zur Bevölkerung“ und deren „Aufklärung“ über die Segnungen imperialistischer Interventionen sollen verbessert werden.

Mit solchen Erwägungen hält sich beim Syrien-Einsatz niemand auf. Bomben sagen eben mehr als tausend Worte.

Der Kampf gegen Daesh, gegen den sog. „Islamischen Staat“, wie der „Krieg“ gegen den Terrorismus sind allemal nur der Vorwand im Kampf um Befriedung und Neuordnung von Irak und Syrien durch die verschiedenen Groß- und Regionalmächte. Dass das Ziel des Einsatzes, das genaue Mandatsgebiet, die „längerfristige Perspektive“ oder die Dauer „unklar sind“, bestreitet letztlich niemand wirklich.

Halbherzige Kritik

Das Elend der parlamentarischen, „humanistischen“, bürgerlichen und linken KritikerInnen am Einsatz besteht jedoch darin, dass sie diese Fragen zum Kernpunkt ihre Kritik machen, während die eigentlichen Zwecke und Triebkräfte, die hinter der Intervention stehen, außen vor bleiben.

Kritiker von Grünen und Linkspartei sehen in Syrien/Irak allzu gern nur „blinden Aktionismus“ der Bundesregierung. Statt „einseitiger“ Interventionen bräuchte es ein UN-Mandat, die Absprache mit Russland, am besten auch mit Assad. Alle globalen und regionalen Schlächter müssten an einen Tisch, um eine „Verhandlungslösung“ auf den Weg zu bringen. Dann könne „natürlich“ auch ein „Blauhelmeinsatz“ in Erwägung gezogen werden, ja eventuell gar unumgänglich sein. Gegen die heilige UN hat nämlich auch der „linke“ Flügel der Linkspartei nichts einzuwenden.

Es ist kein Wunder, dass solche Kritik in der Bevölkerung nicht sonderlich überzeugend wirkt. Dass Mandat und Ziele unklar wären, wird nicht zufällig auch von rechten KritikerInnen des Einsatzes vorgebracht - frei nach dem Motto, dass „wir“ nur solchen Interventionen zustimmen sollten, die sich „für uns“, also den deutschen Imperialismus, auch lohnen. In Syrien ist es - und das bestreitet selbst die Regierung nicht - alles andere als sicher, dass der Krieg auch wirklich eine Dividende abwirft, ist fraglich, ob er den Aufwand lohnt.

Der Ruf nach einem „Konzept“ der Weltgemeinschaft, nach einer Verhandlungslösung, bei der „alle“ - sprich die imperialistischen Mächte USA, Deutschland, die EU, Russland, China sowie Regionalmächte wie die Türkei, Iran, Saudi-Arabien oder Israel - eingebunden sind, ist in Wirklichkeit auch nur die Forderung danach, dass sich diese Staaten auf eine „faire“ Neuordnung des Nahen Ostens einigen. Diese „Lösung“ wäre v.a. durch einen Interessensausgleich der Großmächte auf dem Rücken der Völker bestimmt, sie wäre ihrem Wesen nach durch und durch reaktionär. Sie müsste allen widerstreitenden Kräften aufgezwungen werden - den erz-reaktionären Gegnern einer solchen „Ordnung“ ebenso wie allen demokratischen Bestrebungen der Bevölkerung, sei es den verbliebenen Kräften der syrischen Revolution oder den Kurden und Kurdinnen.

Wer eine solche „Friedenslösung“ fordert, muss unwillkürlich auch den Einsatz der Mittel zur „Erzwingung“ des ausgehandelten Friedens wollen, also für eine Intervention eintreten - oder er verstrickt sich in unauflösbare Widersprüche, die allenfalls durch pazifistisches Gestammel übertüncht werden können.

Das Problem der meisten - auch der meisten linken - KritikerInnen an der Intervention der Bundesregierung und anderer imperialistischer Staaten besteht letztlich darin, dass sie sich selbst auf den Boden der Rechtfertigungsideologie stellen, die die unterschiedlichsten Groß- und Regionalmächte, diese falschen Freunde des syrischen und irakischen Volkes, von sich geben. Irgendwie wäre auch in den Augen dieser KritikerInnen die „Weltgemeinschaft“ aller Staaten dazu berufen, „Ordnung“ zu schaffen, irgendwie ginge es darum, dass sie sich der „Demokratie“ und „Menschenrechte“ annehmen würde.

In Wirklichkeit sind „Demokratie“, „Menschenrechte“ usw. nur der ideologische Ausdruck, die mehr oder minder verlogene Rechtfertigung zur Neubestimmung einer imperialistischen Weltordnung, die wegen Krise und Kampf um die Neuaufteilung der Einflusssphären mehr und mehr aus den Fugen gerät. Der „Krieg gegen den Terror“, gegen die faschistoide Daesh, gegen „die Islamisten“ (oder auch gleich gegen den Islam) liefert eine unerschöpfliche Quelle von Rechtfertigungen für fast jede beliebige Intervention. Eine Kritik an den Interventionen, die sich auf den Boden dieser Gründe stellt, kommt unwillkürlich als kleinlich, als borniert, ja als menschenfeindlich daher.

Eine revolutionäre Kritik, eine Kritik vom Standpunkt der ArbeiterInnenklasse darf sich daher nicht auf die Formen beschränken, wie die Einsätze der Bundeswehr und ihrer Verbündeten legitimiert, ja durchgepeitscht werden; sie darf sich nicht darauf beschränken, die Widersprüchlichkeit ihrer Begründung zu entlarven oder Lügen bloßzustellen. Sie muss vielmehr auch erklären, warum die Bundesregierung diese Politik betreibt und in welchem Interesse.

„Mehr Verantwortung übernehmen“

Die zunehmenden Interventionen werden von Kanzlerin Merkel und anderen führenden PolitikerInnen mit der Formel gerechtfertigt, dass Deutschland „mehr Verantwortung in der Welt übernehmen“ müsse. Naiven Gemütern wird das gern als Nachgeben gegenüber den „Bitten von Freunden“ dargestellt, als aufgezwungene Verpflichtung des „Exportweltmeisters“ zu entsprechenden humanistischen Militärinterventionen.

Wahr ist daran nur, dass der Aufstieg und die Ambitionen des deutschen Imperialismus allerdings eine „aktivere“ Außenpolitik und somit mehr Interventionen und eine Aufrüstung der Bundeswehr erfordern. Für eine führende kapitalistische Nation ist es nur logisch, dass sie auch die politischen, diplomatischen und militärischen Mittel entwickelt, um ihre wirtschaftlichen Erfolge und ihren Einfluss in der Welt zu sichern und auszuweiten.

Daher handelt die Bundesregierung im Interesse des Gesamtkapitals, der langfristigen Interessen des deutschen Imperialismus, wenn sie in Syrien, Irak oder Mali interveniert. Dass die Ziele gerade im Nahen Osten unklar sind, dass sich der Waffengang lange hinziehen kann - das wissen auch Steinmeier oder von der Leyen und Co.

Ihr Handeln ist davon bestimmt, dass es sich eine „europäische Führungsmacht“ nicht leisten kann, dass anderen Mächte den Nahen Osten neu ordnen, während Deutschland außen vor bleibt. Ebenso wenig können sie zulassen, dass „unser Partner“ Frankreich in Afrika weiter Boden verliert und der Einfluss anderer Konkurrenten, v.a. Chinas, weiter zunimmt. Der Ruf nach einem „klaren Plan“ ist letztlich nichts anderes als der Ruf danach, dass die imperialistische Konkurrenz „planmäßig“, „klar“, „überschaubar“ ausgetragen, wenn nicht „geschlichtet“ werden soll - und das auf dem Boden der Verhältnisse, die eben diese Konkurrenz notwendig und verschärft hervorbringt.

Die Parole „Mehr Verantwortung übernehmen“ hat neben dem Ziel, sich durch militärische Intervention und Truppenstationierungen ein Mitspracherecht bei der Neuordnung ganzer Länder und Regionen zu sichern, im Nahen Osten, Nordafrika (aber auch in der Ukraine) eine besondere Dringlichkeit, die aus der Lage dieser Regionen an den Außengrenzen der EU erwächst. Eine weitere, fortgesetzte Destabilisierung bedeutet auch eine weitere Destabilisierung der EU, also der unmittelbaren Einflusssphäre des deutschen Imperialismus.

Der CDU-Abgeordnete Gädechens hat das angesichts der Lage in Mali auf unverblümt chauvinistische, imperiale Art gegenüber der FAZ deutlich gemacht: „Und wenn ich mir Afrika anschaue, dann brauchen wir bald ein paar Rettungsanker, damit sich nicht der ganze Kontinent in eine bessere Welt aufmacht.“

Ganz auf dieser Linie werden auch mit Syrien, in der Türkei, mit den Ländern Nordafrikas Abkommen zur „Sicherung“ der Außengrenzen gemacht. Die rassistische Hetze gegen angeblich integrationsresistente Menschen mit islamischer Religion, gegen IS-Kämpfer, die sich unter die Flüchtlinge einschleichen usw. ist die andere Seite der Abkommen mit Despoten wie Erdogan und der militärischen Intervention in Syrien/Irak.

Der Hauptfeind steht im eigenen Land

Wer angesichts der Interventionen und Aufrüstung vom deutschen Imperialismus nicht reden mag, der wird letztlich auch keinen konsequenten Widerstand gegen die zunehmend aggressive Politik der EU-Hegemonialmacht leisten können.

Sozialchauvinismus, Rassismus dienen als Mittel zur Spaltung der Lohnabhängigen und Armen, zur Rechtfertigung von Aufrüstung und Militarisierung, der Aushebelung demokratischer Rechte und weiterer, blutiger Interventionen und Kriege.

Die rassistische Welle im Zuge der „Frankreich-Solidarität“, die fast protestfreie Durchsetzung des Mandats für die Einsätze in Syrien und Mali zeigen, dass die deutsche Regierung die Gunst der Stunde zu nutzen versucht. Die ArbeiterInnenbewegung, insbesondere die Gewerkschaften und Sozialdemokratie, unterstützen mehr oder weniger offen diese Politik, die parlamentarische Opposition, insbesondere die Linkspartei, verwechselt Pazifismus und Phrasen von der „Weltgemeinschaft“ mit Internationalismus und Anti-Imperialismus. Statt Unterordnung und zahnloser Appelle sollten sich die ArbeiterInnenklasse und die Linke darauf besinnen, dass ihr Gegner, ihr Hauptfeind der deutsche Imperialismus ist. Sein Vormarsch kann nur durch Aktion, durch Klassenkampf gestoppt werden. Doch auch das setzt voraus, den Gegner und dessen Ziele hinter seinen ideologischen Verklärungen zu benennen.

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Nr. 205, Dez. 15/Jan. 16
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