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Frankreich

Nein zu islamistischem Terror, nein zu imperialistischem Krieg!

Internationales Sekretariat der Liga für die Fünfte Internationale, 15. November 2015, Infomail 850, 16. November

Millionen Menschen in Frankreich und auf der ganzen Welt waren schockiert, als sie am 13.November von der Ermordung von 129 Menschen in Paris erfuhren. Nachdem auch weitere 250 Personen schwer verletzt worden sind, kann sich die Zahl der Toten sogar weiter erhöhen.

Diese Tat wurde mit brutaler und barbarischer Präzision durchgeführt. Die Explosionen in der Nähe des Stade de France, wo gerade in Länderspiel stattfand, sowie das Massaker an BesucherInnen eines Rockkonzerts in Bataclan, die als Geisel genommen wurden, und den Gästen von nahe gelegenen Cafés verdeutlichen, dass die Ziele dieser reaktionären islamistischen Terroristen die „normale“ Bevölkerung, einfache Leute waren, deren einziges „Verbrechen“ darin besteht, dass sie sich an diesem Abend amüsieren wollten oder am falschen Ort zur falschen Zeit waren.

Der „Islamische Staat“ (IS) hat die politische Verantwortung für diese schockierenden Aktionen für sich reklamiert, und sie als Gegenangriffe gegen die „Kreuzritter“ dargestellt, die sie in Syrien angriffen hätten. Dabei hat der IS schon längst seinen erzreaktionären Charakter offenbart, indem er die Bevölkerung der von ihm eroberten Gebiete im Irak, in Syrien, in Libyen und Westafrika zu den Hauptopfern seines Vordringens gemacht hat, darunter EzidInnen, ChristInnen, KurdInnen sowie Frauen und Jugendliche, die sich von patriarchaler Unterdrückung befreit haben. Im Grunde sind es alle, die er als Feinde seines totalitären und faschistoiden Kalifats betrachtet.

Zweifellos werden die ArbeiterInnen der Welt mit den Opfern dieses barbarischen Aktes, deren FreundInnen, Verwandten und ArbeitskollegInnen tiefe Solidarität empfinden.

Wurzeln des Djihadismus

Zur gleichen Zeit muss die ArbeiterInnenbewegung, ja alle Menschen, die gegen Ausbeutung, Unterdrückung, soziale und politische Reaktion kämpfen wollen, sicherstellen, dass die französische und andere imperialistische Regierungen die Trauer, den Schock und die Wut der Bevölkerung nicht politisch missbrauchen. Die Taten der Djihadisten, die durch nichts zu entschuldigen sind, bleiben unverständlich, wenn sie nicht im Kontext der Aktionen der französischen Regierung, ihrer NATO-Verbündeten wie auch Russlands im Nahen Osten in den letzten Jahrzehnten begriffen werden.

Der reaktionäre Djihadismus war ursprünglich in den 1980er Jahren von den USA und ihren Verbündeten wie z.B. Saudi Arabien als Waffe gegen das afghanische Regime und ihre Unterstützer in der Sowjetunion gefördert worden. Bin Ladens Al Qaida und die Taliban in Afghanistan waren der Rückstoß gegen die Dominanz der USA in der Region und deren Ausbeutung. Und wir sollten uns daran erinnern, dass frühere, unentschuldbare Akte des individuellen Terrorismus, wie der Angriff auf die Twin Towers 2011 benutzt worden sind, um eine schier endlose Serie von imperialistischen Kriegen und die Besetzung von Ländern wie Irak und Afghanistan zu rechtfertigen.

Die Tatsache, dass Saddam Husseins Irak rein gar nichts mit 9/11 zu tun hatte, offenbarte Millionen Menschen auf der Welt, dass der sog. „Krieg gegen den Terror“ eine verlogene Rechtfertigung für die verstärkte imperialistische Dominanz über die ölreichste Region der Erde war und dazu diente, die geringsten Anzeichen von Unabhängigkeit der dortigen Staaten zu brechen. In Wirklichkeit war der ganze „Krieg gegen den Terror“ nur ein Mittel zur Rechtfertigung dieser Kriege, um diese Länder durch die imperialistischen Mächte oder ihre Stellvertreter zu terrorisieren, zu besetzen, neu zu ordnen und auszuplündern. Allein im Irak fiel dem mindestens eine Million Menschen zum Opfer. In der Region hat diese Politik zur Verwüstung ganzer Länder und ihrer Infrastruktur geführt, Jahrzehnte wirtschaftlicher Entwicklung wurde zunichte gemacht. Der „Islamische Staat“ (ISIS) ist ein genuines Produkt dieses von außen erzwungenen Rückfalls in die Barbarei.

Reaktion der Regierung

Der französische Imperialismus ist dabei kein „unschuldiger Akteur“. Es ist eine der Mächte, die am aktivsten in der „islamischen Welt“ intervenieren. Er greift in afrikanischen Ländern wie Mali ein, als wären diese noch immer Teile seines Kolonialreiches. Er hat sich an den Bombardements von Libyen und jetzt von Syrien beteiligt.

Der „sozialistische“ Präsident Francois Hollande und die französische Regierung haben auf den terroristischen Anschlag reagiert, in dem sie mit schonungsloser Entschlossenheit und allen Mitteln gegen den „kriegerischen Akt“ vorgehen wollen. Er hat zum ersten Mal seit dem algerischen Unabhängigkeitskrieg den Ausnahmezustand über ganz Frankreich verhängt. Er hat die Armee und die Staatspolizei mobilisiert. Per Dekret hat er eine Reihe von Bürgerrechten wie die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die Grenzkontrollen wurden wieder eingeführt und das Schengen-Abkommen wurde ausgesetzt. Die Polizei kann Personen ohne Angabe von Gründen anhalten und durchsuchen.

Es ist möglich, dass Hollande die NATO auffordert, den Unterstützungsfall zu erklären. Merkel und andere imperialistische Führer haben schon jetzt ihre Unterstützung für jedwede französische „Anti-Terror“-Politik erklärt und Deutschland hat Unterstützung durch die Geheimdienste und die Armee offeriert. Auf ähnliche Weise haben Putin, Obama und Cameron, die iranischen, israelischen sowie türkischen Staats- bzw Regierungschefs ihre Unterstützung angeboten und ihre Bereitschaft zur Teilnahme an einem weiteren „Krieg gegen den Terror“ erklärt.

Die Syrien-Konferenz, die diese Woche in Wien stattfindet, und die G20-Tagung in der Türkei könnten den Rahmen abgeben, in dem die imperialistischen und Regionalmächte ihre Intervention im Nahen Osten abstimmen. Sie gehen möglicherweise in Richtung auf gemeinsame politische und militärische Operationen, um eine Neuordnung Syriens und andere Teile der Region durchzusetzen, auch wenn dies natürlich jederzeit an ihren Interessensgegensätzen untereinander scheitern kann.

In Frankreich und auf der ganzen Welt stehen wir in der Gefahr, dass Hollande und die anderen imperialistischen Staats- und Regierungschefs die Lage nicht nur zur weiteren Einschränkung demokratischer Rechte nutzen werden, sondern auch zur Rechtfertigung von verstärkter imperialistischer Intervention, von Luftschlägen und möglicherweise sogar dem Einsatz von Bodentruppen im Nahen Osten und in Afrika.

Zusätzlich werden die extreme Rechte und konservative Kräfte die Situation nutzen, um den Rassismus gegen Muslime und alle Flüchtlinge anzuheizen. Wie die Djihadisten selbst, sehen auch diese Kräfte die terroristischen Angriffe als Teil eines „Kriegs der Zivilisationen“. Die sozialdemokratischen Führer wie Hollande oder der konservative Mainstream um Merkel und Cameron präsentieren ihre Antwort als „Verteidigung der Demokratie“ und „unserer Werte“. Selbst einige Kräfte, die sich der Linken zurechnen, haben die Entfremdung der Muslime von der französischen Gesellschaft im Namen des Säkularismus oder sogar des Feminismus betrieben durch Forderungen wie das Verbots von Schleiern in öffentlichen Gebäuden, vor Gericht oder in Schulen. Eine solche fehlgeleitete Verteidigung „republikanischer Werte“ kann nur die dringend notwendige Solidarität zwischen den rassistisch Unterdrückten und der französischen ArbeiterInnenbewegung schwächen.

All diese „Begründungen“, ob offen rassistisch oder verlogen „demokratisch“, dienen letztlich nur als ideologische Nebelkerzen, um die eigentlichen Ziele zu verhüllen, die alle bürgerlichen Kräfte von der extremen Rechten bis zum Zentrum unter Einschluss der Mehrheit der reformistischen Führungen der „sozialistischen“ oder „kommunistischen“ Parteien verfolgen.

Was ist denn in ihren Augen bedroht? Was verteidigen sie wirklich? Es geht um die Verfügungsmacht Frankreichs und der anderen imperialistischen Mächte über den Reichtum der Länder des Nahen Ostens und Afrikas, die sie über Jahrhunderte ausgeplündert haben. Sie sind keine Verteidiger der „Demokratie“, also der „Herrschaft des Volkes“, wie sie behaupten, sondern der Herrschaft des imperialistischen Finanzkapitals.

Ob „demokratisch“ oder rassistisch - alle Parlamentsparteien von der Front National bis zur Kommunistischen Partei haben erklärt, dass jetzt die „nationale Einheit“ und „das Land“, also der französische Imperialismus, an erster Stelle stehen müsse.

Klassenstandpunkt

Die ArbeiterInnenklasse und die Jugend Frankreichs und auf der ganzen Welt dürfen diesen Weg nicht beschreiten. Sie müssen von den Führungen ihrer Organisationen, den Gewerkschaften, den sozial-demokratischen und „Links“parteien fordern, dass sie jedwede falsche „nationale“ oder „republikanische“ Einheit Frankreichs und der anderen Mächte unter dem Vorwand des „Krieges gegen den Terror“ ablehnen.

Sie müssen vielmehr deutlich machen, dass die terroristischen Morde vom 13. November, auch wenn sie durch nichts zu rechtfertigen sind, nur verstanden werden können als reaktionäre Antwort auf die Interventionen und Ausplünderung durch Frankreich und die anderen imperialistischen Länder. Sie können nur verstanden werden als Ergebnis von Verhältnissen, die ganze Generationen der Bevölkerung des Nahen Ostens und der MigrantInnen in Frankreich zu einem Leben ohne Hoffnung verurteilt haben. In Frankreich sind sie den Attacken der Rechten ausgesetzt und werden vom Staat in Ghettos gepfercht und rassistisch unterdrückt. In den arabischen Ländern und in Nordafrika verurteilen die verstärkte Ausbeutung und die globale kapitalistische Krise insbesondere die Jugend zu einer „Zukunft“ aus wachsender Verelendung und Massenarbeitslosigkeit, wenn nicht permanenter reaktionärer Kriege.

Der französische Imperialismus und die anderen Mächte haben schon lange den Ausgebeuteten und Unterdrückten den Krieg erklärt. Die Schwäche, ja in vielen Fällen sogar das gänzliche Fehlen von proletarischen und revolutionären Kräfte mit einer Strategie zum Sturz von imperialistischer Herrschaft und zur Beendigung kapitalistischer Ausbeutung hat jedoch viele demoralisiert oder zum „Radikalismus der Verzweiflung“ getrieben.

Daher muss die ArbeiterInnenklasse eine Stellung einnehmen, die von allen bürgerlichen und imperialistischen Kräften politisch unabhängig, ja diesen entgegengesetzt ist. Sie muss die Politik, die von Hollande durchgeführt und von den RassistInnen ebenso wie von den BürokratInnen der offiziellen ArbeiterInnenbewegung unterstützt wird, nicht nur ablehnen, sondern bekämpfen.

Nein zum Ausnahmezustand! Sofortige Aufhebung aller Einschränkungen der demokratischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten!

Nein zu jedem weiteren „Krieg gegen den Terror“! Nein zur militärischen und jeder anderen Intervention des französischen Imperialismus oder der NATO! Abzug aller Truppen der imperialistischen und Regionalmächte aus Syrien, Irak, Libyen, Westafrika und anderen Ländern der Region!

Verteidigt die MigrantInnen und MuslimInnen gegen rassistische Angriffe durch den Staat, RassistInnen und FaschistInnen! Organisierte Selbstverteidigung durch die MigrantInnen und die Organisationen der ArbeiterInnenklasse!

Nein zu den Grenzkontrollen, nein zur Festung Europa! Keine Einschränkungen der Rechte von MigrantInnen und des Asylrechts! Öffnung der Grenzen, Arbeit und Wohnraum für alle, bezahlt durch die Kapitalisten und Reichen!

Solidarität mit den fortschrittlichen Kräften, die den Islamischen Staat und reaktionäre Regimes wie das von Assad bekämpfen, wie die kurdischen und verbliebenen demokratischen Kräfte der syrischen Revolution! Solidarität mit dem palästinensischen Volk!

Massenmobilisierungen, Demonstrationen und politische Streiks für solche Forderungen können nicht nur Hollandes Ruf nach einem imperialistischen Rachefeldzug stoppen, dem noch weit mehr unschuldige ZivilistInnen zum Opfer fallen würden als den Anschlägen von Paris. Sie können auch den Millionen von ArbeiterInnen, BäuerInnen und Verarmten auf der ganzen Welt zeigen, dass es eine Alternative zur bitteren Wahl zwischen islamistischer und imperialistischer Reaktion gibt - nämlich die Einheit der ArbeiterInnenklasse und aller unterdrückten Völker! Die Alternative liegt im gemeinsamen Kampf gegen die Wurzel aller Formen der Reaktion, gegen das kapitalistische System und die Ausbeutung der Welt durch wenige imperialistische Mächte - sie liegt im gemeinsamen Kampf für eine sozialistische Revolution und eine sozialistische Welt!


Nr. 205, Dez. 15/Jan. 16
*  Bundeswehreinsätze in Syrien und Mali: Nein zur imperialistischen Intervention!
*  Weltwirtschaft: Wachsende Unsicherheit
*  Lafontaine für begrenzten Flüchtingszuzug: Sozialchauvinismus in Reinkultur
*  AfD-Demo in Berlin: Sag mir, wo Du stehst ...
*  Antirassismus: Bundesweite Großdemonstration nötig
*  Schulstreik in Solidarität mit Refugees: Tausende auf der Straße
*  Autozulieferer Mahle: Muster-Kapitalist will raus aus dem Ländle
*  Amazon: Die unendliche Geschichte
*  Portugal: Cavaco Silva und die "wahre Demokratie"
*  Argentinien: Präsidentschaftswahlen offenbaren Rechtsruck
*  Pariser Klimagipfel: Konkurrenz im grünen Kostüm
*  Pakistan: Fabrikeinsturz - 51 Arbeiter tot
*  Frankreich/Belgien: Nein zum Ausnahmezustand! Solidarität mit InternationalistInnen!
*  Frankreich: Nein zu islamistischem Terror, nein zu imperialistischem Krieg!

 







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