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Mahle

Widerstand und Weltmarkt

Frederik Haber, Neue Internationale 198, April 2015

Der Mahle-Vorstandsvorsitzende Prof. Junker hatte zu tun. Der Chef des Autozulieferers Mahle erklärte erst der Presse, warum es überhaupt kein Widerspruch sei, für 640 Mill. Euro die Kühlersparte des Konkurrenten Delphi zu kaufen und gleichzeitig von den Beschäftigten Lohnkürzungen und längere Arbeitszeiten zu verlangen und deren Arbeitsplätze in Frage zu stellen. Die Journalisten mag er mit seinen Erklärungen befriedigt haben, die große Mehrheit der Beschäftigten mit Sicherheit nicht.

Der Angriff

Im Herbst 2014 war es losgegangen. In der Dezemberausgabe des Infos des Betriebsrats und der Vertrauensleute vom Standort Stuttgart, der Konzernzentrale also, wird das unter dem Titel „Alle Werke an einem Strang“ so beschrieben:

„Zwei Wochen nachdem die Geschäftsführung ihre Forderungen auf den Tisch gelegt hatte, trafen sich Betriebsrätinnen und -räte aus allen deutschen Werken in Ludwigsburg. Diese Versammlung aus den Betriebsausschüssen der einzelnen Betriebsratsgremien ist im Gesetz vorgesehen und findet einmal im Jahr statt. Wichtigstes Thema war das 15 Prozent-Paket: Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und unbezahlte Mehrarbeit sollen die Beschäftigten opfern für eine Beschäftigungssicherung von drei Jahren. (...)

Herr Prof. Junker war am zweiten Tag erschienen und rechnete uns dann vor, dass er für den Unternehmensbereich 1 mit diesen 15 Prozent Kostensenkung die Umsatzrendite von 1,5 Prozent auf 6 Prozent erhöhen könne, was man auch brauche.“

(www.stuttgart.igm.de/betriebszeitungen/zeitung.html?id=68018)

Ganz offensichtlich gingen einige der Betriebsräte gleich in Offensive. In derselben Ausgabe wird von einer „zusätzlichen“ Betriebsversammlung berichtet, bei der es „eng war in der Kantine“. Vermutlich die Versammlung, von der der Betriebsratsvorsitzende Kalmbach der Presse mitteilte, dass es eine Rekordbeteiligung von 700 Personen gab: „Wer so auf die Pauke haut, muss sich nicht wundern, wenn Emotionen hochkommen.“ (Stgt. Nachrichten 26.11.).

Die Belegschaften in den Mahle-Werken sind offenbar kampfbereit. Das haben wir auch feststellen können, als wir unsere GEGENWEHR (www.arbeiter macht.de/gegenwehr/mahle06Dez14/ggw01.htm) vor Mahle-Werken verteilt haben. Die Forderung, die Tarifverträge nicht anzutasten, ist sehr populär. Das haben nicht nur die BetriebsrätInnen auf der oben erwähnten Vollversammlung ausgedrückt, sondern auch Stuttgarter Vertrauensleute trugen in der Tarifrunde ein Transparent mit der Forderung: „Hände weg von unserem Tarifvertrag!“

In der Presse bezichtigt Junker die Betriebsräte jetzt praktisch der Lüge (Stgt. Ztg 8.3.15), von flächendeckenden Kürzungen habe er nie gesprochen. Die Aktionen der Betriebsräte und Belegschaften zeigen wohl Wirkung. Ein Dementi hätte Junker auch 3 Monate früher loswerden können.

Weitgehend passiv bleibt bisher die IG Metall. Noch gibt es keinerlei Statement, was erstaunlich ist. Immerhin geht es um den viertgrößten Autozulieferer in Deutschland und den Flächentarifvertrag. Der bundesweite Aktionstag der IG Metall an allen Mahle-Standorten am 19.2. ist wohl auch mehr auf Druck aus den Betrieben zustande gekommen. Nach unseren Informationen haben Betriebsratsgremien einen solchen schon im Dezember gefordert. Aber auch zu dieser Gelegenheit gab es kein öffentliches Statement der Gewerkschaftsführung.

Wenn Junker jetzt von der Forderung nach einem Freibrief für Tarifunterbietung abrückt, dann gibt er das auf, was tatsächlich neu gewesen wäre. Denn zeitlich und örtlich begrenzt mussten schon einige Mahle-Werke auf Weihnachts- oder Urlaubsgeld verzichten, bzw. haben umsonst länger gearbeitet. Diese Abweichungen sind in der IGM heute eher die Regel denn die Ausnahme, was allerdings kaum diskutiert und auch auf dem kommenden Gewerkschaftstag unter den Teppich gekehrt werden wird. In ihrer Strategie, die deutsche Metallindustrie konkurrenzfähig zu halten, hat die IGM in den letzten 10 Jahren dabei mitgemacht, die Konkurrenz zu unterbieten und dabei die Reallöhne deutlich gesenkt. Offensichtlich wollen sich die Bezirksleitung und der Vorstand auch bei Mahle alle Optionen offenhalten. Für Junkers Zurückweichen sind also nicht sie verantwortlich.

Seinen Rückzug hat Junker nicht nur mit Beschuldigungen und Lügen verbrämt, mit Drohungen von Investitionsstopp und weiteren Verlagerungen garniert, sondern auch mit der Aufforderung an die IG Metall und die Betriebsräte verbunden, sie müssten sich jetzt bewegen. In der Tat könnte der Weg jetzt offen für einen Kompromiss sein, der vorher fast unmöglich schien. Ein solcher Kompromiss dürfte aber erneute Abweichungen nach unten für einige Werke bedeuten und damit eine weitere Erosion des Flächen-Tarifs. Letztlich wird dieser auch bei den führenden Zulieferern in der Realität nicht mehr vorkommen und sich auf die anteilmäßig schrumpfenden Kernbelegschaften der Autohersteller beschränken.

Ein solcher Kompromiss muss scharf bekämpft werden! Hier werden sich die Fronten auch zwischen den BetriebsrätInnen und Vertrauensleuten und anderen aktiven Beschäftigten auftun, die gewerkschaftlich orientiert sind. Die Geschlossenheit, die die Mahle-Belegschaften jetzt gemeinsam mit ihren Betriebsräten gezeigt haben, wird durch einen solchen Kompromiss gesprengt.

Dabei kann es gut sein, dass die konsequenten VerteidigerInnen des Tarifvertrags große Teile der Belegschaften, möglicherweise die Mehrheit hinter sich haben. Aber der Apparat aus GesamtbetriebsrätInnen und GewerkschaftsfunktionärInnen hat immer und in allen Betrieben den Vorteil, über seine Strukturen vernetzt zu sein. Wenn sich dort die Kompromissler durchsetzen können, hat der Widerstand keine Zentralisierung mehr.

Nötig sind also konzernweite Vertrauensleute-Konferenzen. Alle, die weiter gegen Tarifabweichungen kämpfen wollen, müssen sich über die Werke hinweg vernetzten. Sie müssen dafür kämpfen, dass kein Abschluss ohne Zustimmung der Gewerkschaftsmitglieder bzw. der Belegschaften erfolgt. Sie müssen verlangen, dass die Verhandlungen öffentlich geführt werden. Die Aktionen gegen Junkers Zumutungen müssen weitergehen und sie müssen von Aktionskomitees in die Hand genommen werden, die von der Basis gewählt werden.

Wir werden dies auch weiter vor den Mahle-Werken verbreiten. Unterstützung ist willkommen!

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Nr. 198, April 2015
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