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Zur Politik der Linkspartei

Keine Alternative

Tobi Hansen, Neue Internationale 182, September 2013

Seit dem Dresdner Parteitag ist in der Partei scheinbar „Ruhe“ eingekehrt. Selbst die PDS hatte es kaum je geschafft, so viel leere Einigkeit nach außen zu tragen. Auch das Wahlprogramm, das der Dresdner Parteitag dieses Jahr verabschiedete, war unumstritten wie selten ein Dokument.

Echte Sozialdemokratie

Beide Flügel stehen für „echte Sozialdemokratie“, für einen Reformismus verschiedener Betonungen, dafür, dass Kapitalismus per Parlament reformierbar wäre. Das Wahlprogramm „100% sozial“ entwickelt dann auch viele bekannte Forderungen der Linkspartei wie die Abschaffung von Hartz IV, jetzt ergänzt um den Begriff „Mindestsicherung“ in Höhe von 1050 Euro, Abschaffung der Leiharbeit, einen Mindestlohn von 10 Euro, höhere Besteuerung von Spitzeneinkommen und Vermögen, Abschaffung der rassistischen Flüchtlingspolitik, bezahlbarer Wohnraum usw. usf.

Als fernes Zukunftsziel verspricht die Linkspartei einen „demokratischen Sozialismus“, eine Wirtschaft, die zunächst den Bedürfnissen und nicht allein der Profitaneignung dienen soll. Das letzte und kürzeste Kapitel im Programm (Gemeinsam das Land verändern) beschreibt den Weg dahin folgendermaßen:

„Doch soziale und demokratische Verbesserungen werden nur in enger Zusammenarbeit von außerparlamentarischen, sozialen Bewegungen und linken Kräften im Parlament erreicht - und gegen Widerstände. Aus diesen Kämpfen erwächst Selbstvertrauen, Kraft und gesellschaftlicher Druck. DIE LINKE und die Linken sind dabei. Unsere Politik des Widerstandes ist bunt, radikal und phantasievoll.

Wir knüpfen Verbindungen. Uns ist wichtig, was wir zusammen verändern. Der Horizont ist offen, wir können ihn gemeinsam gestalten. Gerecht für alle.“

Dies war der Abschluss. Zuvor heißt es. „DIE LINKE legt den Finger in die Wunden. Wir geben denen eine Stimme, die in der großen Politik keine Lobby finden. Wir machen Druck und lassen nicht locker: Wir zeigen, wie es gehen könnte.“

Doch aus welchen Kämpfen ging die „Linke“ (im Ganzen) zuletzt gestärkt oder mit mehr Selbstvertrauen hervor? Und: Was hat die Linkspartei dazu beigetragen?

In den gesellschaftlichen Kämpfen und Mobilisierungen betreibt die Linkspartei Symbolpolitik, gut abgefedert durch „linksradikale“ Unterstützung der IL (Interventionistische Linke), den alljährlichen Antifaschismus zelebriert sie in Dresden. Anstelle einer bundesweiten Organisierung und Koordinierung gegen die europäischen Krisenpolitik demonstrieren wir vor der EZB in Frankfurt/M., genannt „Blockupy“. Ob dort in den letzten Jahren „mehr Selbstvertrauen“ entstanden ist, lässt sich schwer messen. Fakt ist aber, dass dieses Jahr zu Blockupy deutlich weniger AktivistInnen kamen und insgesamt der Klassenkampf in der BRD auf niedrigem Niveau dahin dümpelt und die Linkspartei ihren Anteil dazu beiträgt, indem sie wenig bis nichts daran ändert.

Realpolitik und die Linken in der Linkspartei

So sehr die Linkspartei auch ihr Abstimmungsverhalten im Bundestag rühmt, so wurde das nie mit realen Mobilisierungen verbunden, gesellschaftlicher Druck wurde nirgends entwickelt. Zum Thema Leiharbeit/Outsourcing etc. machten Fernsehsendungen über GLS oder Amazon mehr Öffentlichkeitsarbeit als die Linkspartei mit ihren Fraktionen, AktivistInnen oder ihren noch 63.000 Mitgliedern.

Speziell in den Gewerkschaften ist die Linkspartei zwar froh über den gewonnenen Funktionärsstamm (schon der zweite Vorsitzende kommt von dort), das aber oppositionelle Politik gegen die „Agendapartei“ SPD geführt würde, ist weder bekannt noch sichtbar. Weder bei den Tarifrunden der letzten Jahre, noch bei den Gewerkschaftskongressen war eine „linke“ Opposition in den DGB-Gewerkschaften sichtbar - stattdessen gibt es einen Wahlaufruf der Strömung „Sozialistische Linke“ (SL), um den sich „linke GewerkschafterInnen“ - im Klartext: der „linkere“ Teil des sozialdemokratischen Bürokraten-Apparats - sammeln.

Damit ist auch genügend zur Rolle der Linkspartei und auch den linken Strömungen im Verhältnis zu den DGB-Gewerkschaften gesagt - es geht für die Linkspartei um eine elektorale Basis im Apparat und der Mitgliedschaft, nicht um eine oppositionelle Politik gegen die Sozialpartnerschaftspolitik der SPD. Auch die „Linken“ der Sozialistischen Linken (SL) oder der „Antikapitalistischen Linken“ (AKL)  nahmen keinen Kampf gegen diese handzahme Gewerkschaftspolitik der LINKEN auf.

Bei Bundestagswahlen geht es schließlich darum, welche Koalitionen möglich sind. Was diese Frage angeht, bleibt die Linkspartei konstant auf Anbiederung Richtung Rot/Grün ausgerichtet. Warum die SPD die EU-Politik der Merkel Regierung unterstützt, wird weder hinterfragt, noch kritisiert oder auch nur eine Konsequenz daraus gezogen. Dies wird auch nicht von den linken Strömungen hinterfragt, diese arbeiten stattdessen im Institut für Soziale Moderne (ISM) mit, ein sogenannter „Think Tank“ von SPD, Grünen, Linkspartei und Fragmenten der IL-Szene, um gemeinsame Politik zu entwickeln, Bündnisse zu dominieren und als Ziel mögliche „Reformregierungen“ vorzubereiten.

Damit führen sie ihre eigene Rolle ad absurdum. Während SL oder AKL vom Selbstverständnis her das Programm und die Praxis der Partei nach links verschieben wollen, waren sie in der Praxis nur Unterstützer des Lafontaine/Wagenknecht/Riexinger-Blocks beim Göttinger Parteitag. Die Änderungsanträge zum Wahlprogramm waren übersichtlich, viele wurden abgelehnt - trotzdem sahen diese Strömungen das Programm als erfolgreiche „Linksverschiebung“. Dass dabei weiterhin kein Wort zur Praxis, sei es in den Gewerkschaften oder in den sozialen Bewegungen steht, stört diese Strömungen anscheinend überhaupt nicht, wie sie selbst nicht in der Lage und willens sind, an dieser reformistischen passiven Praxis etwas zu ändern.

Die letzten Jahre boten genügend Möglichkeiten, eine oppositionelle antikapitalistische Politik zu ermöglichen. Sei es bei den Anti-Krisen-Protesten und -Bündnissen, bei den Entlassungen von Schlecker bis Opel - nirgends haben wir eine aktive Linkspartei erlebt, eine Partei, die sich an die Spitze der Proteste und Kämpfe stellt und versucht, Politik eben nicht nur im Parlament zu machen.

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Nr. 182, September 2013
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*  Heile Welt
*  Umfairteilen am 14. September: Taten statt Worte sind gefragt
*  Energiepolitik: Preis der billigen Braunkohle
*  Zur Politik der Linkspartei: Keine Alternative
*  Flüchtlingspolitik von EU und Deutschland: Humanitärer Imperialismus
*  Berlin Hellersdorf: Hände weg vom Flüchtlingsheim!
*  75. Jahrestag der Gründung der Vierten Internationale: Aufbruch und Zerfall
*  Bolivien: Neue Arbeiterpartei
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*  Ägypten: Das blutige Wüten der Konterrevolution