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Steuerhinterziehung

Sind wir alle Uli?

Susanne Kühn, Neue Internationale 180, Juni 2013

Freude ist berechtigt, wenn gegen einen „Leistungsträger der Gesellschaft“ ermittelt wird, wenn Seehofer und Merkel unser „Vorbild“ plötzlich nicht mehr kennen wollen. Wenn jemand aus der herrschenden Klasse beim Schummeln erwischt wird, hält sich das Mitleid in Grenzen.

Darüber ist auch die herrschende Klasse nicht wirklich besorgt. Denn sie weiß: Was ist schon ein Steuerbetrug verglichen mit den ganz legalen Steuerbegünstigungen der Reichen und Unternehmen?

Dass sich das Volk empört, ist normal. Doch es möge keine falschen Schlüsse ziehen. So zeigen Umfragen, dass eine deutliche Mehrheit der Befragten die Steuerhinterziehung der Reichen, das Verfrachten von Millionen in Steueroasen für unmoralisch hält, den kleinen Steuerschwindel von BezieherInnen geringer Einkommen jedoch als Bagatelle betrachtet.

Das, so mancher Gastredner in Talk-Shows, wäre Doppelmoral. Statt Uli Hoeneß vorzuverurteilen sollte doch eine Diskussion über die moralischen Standards aller SteuerzahlerInnen geführt werden. Sind wir nicht alle irgendwie wie „der Uli“? Sind wir nicht alle Wurstfabrikanten, denen nur die Fabrik fehlt?

Außerdem hätten die Lohnabhängigen in Sachen Steuerbetrug leicht reden, haben sie bei Lohn- und Mehrwertsteuer ohnedies keine Möglichkeit, am Fiskus vorbei zu operieren. Wie so oft mangelt es den Armen am Einfühlungsvermögen in die Welt der Versuchungen, die der Reichtum so mit sich bringt.

So empört sich die Masse leicht beim Unternehmer, der Schwarzarbeit zur Lohndrückerei einsetzt, während sie mit dem Schwarzarbeiter mitfühlt, der keine soziale Absicherung hat. Das aber, werden wir belehrt, sei unmoralisch und doppelzüngig.

In Wirklichkeit empört die Gegner der angeblichen Doppelmoral, dass hier, wenn auch in Form moralischer Aufregung, der Klassengegensatz hervortritt. All jene, die den Steuerbetrug des Reichen mit dem des Armen auf eine Stufe stellen, wollen nur, dass kein Unterschied gemacht wird, wo es einen wirklichen Unterschied gibt.

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Nr. 180, Juni 2013
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