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Die Partei “Alternative Für Deutschland”

Absetzbewegung von der CDU?

Tobi Hansen, Neue Internationale 180, Juni 2013

Neben den „Piraten“ wird dieses Jahr noch eine weitere Partei mit bundesweiten Ambitionen zur Bundestagswahl antreten: die „Alternative für Deutschland“, kurz AfD. Am 13. April, dem Tag der Parteigründung, verkündete sie, dass sie inzwischen 7.000 Mitglieder hätte und Landesverbände gegründet werden. Parteichef Bernd Lucke hielt ein zweistelliges Ergebnis bei den Bundestagswahlen für realistisch. Dass sich eine rechte, konservative, mittelständische Abspaltung der CDU „Alternative“ nennt, bleibt als Treppenwitz zu vermerken, ob dies auch für die Partei gilt, ist noch nicht ausgemacht.

Hauptthema der AfD ist die Euro/EU-Krisenpolitik der Regierung Merkel und die Aussage, dass es keine Alternative dazu gäbe. Das reicht als Inhalt für diese Ansammlung ehemaliger CDUlerInnen, vieler AkademikerInnen und MittelständlerInnen offenbar aus. Von den bürgerlichen Medien wurde die AfD als „Anti-Euro-Partei“ bezeichnet, womit sie zumindest ein Etikett bekommen hat, das aktuell erfolgreich sein könnte.

Wer steht hinter der AfD?

Die bürgerlichen Medien beschrieben die AfD-Mitgliedschaft so: mindestens 50 Jahre alt, entweder Akademiker oder Unternehmer, oft schon im Ruhestand. Auch ein Hans-Olaf Henkel, Ex-BDI-Chef und zuletzt bei den „Freien Wählern“ aktiv, treibt jetzt bei der AfD sein Unwesen, angeblich, um eine Kooperation beider Parteien zu arrangieren. Der erzkonservative Arnulf Baring fehlt noch, könnte aber demnächst Altersvorsitzender werden. Auch der sich oft irrende „Wirtschaftsweise“ Hans Werner Sinn vom ifo-Institut München ist noch nicht beigetreten, obwohl er sich als Ökonomie-Orakel gut machen würde. Dazu gibt es viele ehemalige CDU-Mitglieder. Auch Parteichef Professor Lucke war 33 Jahre in der CDU wie viele andere emeritierte Kollegen aus den Bereichen Volkswirtschaft und Geschichte. Und natürlich fehlen auch politische Irrlichter wie die glühende Antikommunistin und Ex-DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld nicht, die wieder eine neue politische Heimat gefunden zu haben glaubt.

Die Hauptforderung dieser seltsamen Alternative ist, dass es ein Austrittsrecht für den Euro-Raum geben muss. Dafür solle die BRD eintreten und bis dahin alle Notkredite blockieren. Schließlich sollen alle Staaten selbst über ihre Währung entscheiden dürfen. Auch die EU solle genauer prüfen und entschieden, wer (noch) dazu gehört und wer nicht.

Die AfD fordert zwar nicht direkt den Rausschmiss der südeuropäischen Staaten aus Euro bzw. EU, sie möchte aber, dass es diese Möglichkeit geben soll, was schon öfter auch bei CDU, CSU und FDP diskutiert wurde. Zwar hat in der AfD noch niemand die Abtretung griechischer Inseln an die BRD gefordert - das tat bislang nur die FDP -, allerdings ist der AfD bis zur Wahl noch manch populistischer Unsinn zuzutrauen, speziell gegenüber den Südländern der EU.

In der AfD sammeln sich die enttäuschten Teile des Kleinbürgertums und kleiner Kapitalisten von CDU/CSU/FDP, diejenigen, die ihre Interessen von der „Wunschregierung des Kapitals“ nicht vertreten sehen. Wie kommt das?

Der ideelle Gesamtkapitalist und die Krise

In der Wirtschaftskrise seit 2008 und speziell, seitdem die EU im Fokus dieser Krise steht (2010), musste die deutsche Regierung, zunächst Schwarz/Rot dann Schwarz/Gelb, die Gesamtinteressen des deutschen Kapitals wahren - das heißt in der BRD v.a. die Interessen des Monopolkapitals, also der großen Industriekonzerne, Banken und Versicherungen.

Die Exportindustrie hat die Krise genutzt, um ihre Position zu stärken. Dies geht zum einen zu Lasten der Konkurrenz in der EU, aber natürlich auch zu Lasten des Mittelstands in der BRD, der dieser verschärften Konkurrenz auch unterworfen ist.

Während also im strategischen Interesse der Export-Konzerne der Euro-Markt zusammengehalten werden muss und sich die Position des deutschen Großkapitals in der EU immer weiter stärkt, gefährdet diese Politik zugleich das Projekt EU an sich und setzt alle Kapitalsektoren unter stärkeren Druck. Die Großaufträge der Rüstungsindustrie nach Griechenland z.B. werden durch EU-Kredite subventioniert, der Mittelstand guckt dabei in die Röhre und hat sehr wenig von Rettungsschirmen, Fonds u.a. Notkrediten.

In dieser Situation einer tiefen Krise zeigt sich, dass der Staat als „ideeller Gesamtkapitalist“ nicht einfach die Summe aller Unternehmensinteressen ist. Im Gegenteil: die Interessen der stärksten Teile des Kapitals kommen noch deutlicher zur Geltung, werden noch rücksichtsloser durchgesetzt - auch gegen die Interessen kleinerer Kapitalsektionen.

Tendenzen

Diese Absatzbewegung von CDU/FDP entspricht damit der Entwicklung der mittleren Bourgeoisie und des Kleinbürgertums in der Krise. Die konservativ/neoliberale AfD vertritt insofern deren Interesse nach einer anderen Politik gegenüber der EU und dem Euro. Wie weit diese Absatzbewegung von Union und FDP gehen könnte, zeigen die rechtspopulistischen und faschistischen Parteien in Europa. Die „Wahren Finnen, die „Freiheit“ aus den Niederlanden, die ungarische „Jobbik“ oder die griechische „Chrisi Avgy“ sind ähnliche, teils weit stärkere Gruppierungen des jeweiligen Kleinbürgertums. Die AfD hierzulande ist insofern ein erster Schritt in diese Richtung, zumal Abspaltungen von der CDU/CSU bisher ohnehin Seltenheitswert in der BRD-Geschichte hatten. Die letzte nennenswerte waren die Republikaner Anfang der 1980er.

Rassismus und Nationalismus sind dabei der Kitt, mit dem auch politisch rückständige Schichten der Arbeiterklasse und der städtischen Armut gebunden werden können - zumal, wenn sich die Arbeiterbewegung als unfähig erweist, eine Alternative zur Krisenpolitik der herrschenden Klasse durchzusetzen.

Die organisierte Arbeiterbewegung und die radikale Linke müssen auf solche Entwicklungen reagieren. Nicht nur in der Frage, wie sie gegen Rechtspopulisten oder Faschisten agiert (was natürlich außerordentlich wichtig ist); sondern auch und vor allem, indem sie ein eigenes politisches Programm gegen die Eurokrise verfechten, ein Programm der sozialistischen Reorganisation der deutschen und europäischen Wirtschaft.

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Nr. 180, Juni 2013
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