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Drei-Länder-Aktionswochen von ver.di

Flop statt Kampfauftakt?

Helga Müller, Neue Internationale 174, November 2012

Wie wir in NI 172 berichteten, ruft ver.di-Chef Bsirske und der Bundesvorstand zu betrieblichen und politischen Aktionen im Herbst gegen die Auswirkungen der Krise auf. Neben ver.di sind auch die österreichische Gewerkschaft GPA und die schweizerische Unia beteiligt.

Es soll es darum gehen, eine Aufklärungskampagne zu starten gegen die Diffamierung von Griechenland, Spanien, Italien etc. und die Lüge, dass sie sich selbst in die Schuldenkrise manövriert hätten. In Deutschland soll der Aktions-Schwerpunkt zwischen dem 5. und 9. November liegen. Diese Woche soll genutzt werden, um öffentliche Veranstaltungen zu organisieren und mit den KollegInnen im Betrieb ins Gespräch zu kommen - sei es in persönlichen Gesprächen oder auf Betriebsversammlungen. Die Fachbereiche und die Gewerkschaftsfunktionäre sollen die Personal- und Betriebsräte beraten, wie dieses Thema angesprochen werden kann.

Das ist insgesamt eine unterstützenswerte Initiative, auch wenn natürlich eine Aufklärungskampagne nur der Beginn sein darf, um die Auswirkungen der Krise wirklich zu bekämpfen und Solidarität mit den KollegInnen in Griechenland oder Spanien zu organisieren. Die Initiative ist schon deshalb sinnvoll, weil sich ja gerade Deutschland auf Kosten der wirtschaftlich nicht so starken Länder saniert und versucht, seine Sparpolitik auf europäischer Ebene durchzusetzen und so direkt zum Abbau von sozialen und gewerkschaftlichen Standards beiträgt, wie Bsirske selbst in seinem Brief an die Bezirke schreibt.

Doch wie sieht die Realität in der Organisation aus? Wenn man auf der Web-Site von ver.di recherchiert, fällt auf, dass Informationen zu der Kampagne gut versteckt sind. Auf den Seiten der ver.di-Bezirke findet man gar nichts über diese Aktionswoche. Von wirklicher Ernsthaftigkeit, gegen die Krise aktiv zu werden, ist also nichts zu spüren. Es wird wohl in einigen wenigen Bezirken öffentliche Kundgebungen geben, in den meisten anderen wird es wohl bei Informationskampagnen bleiben.

In einigen Bezirken gab es unter GewerkschaftsfunktionärInnen die Überlegung, Kundgebungen durchzuführen. Sie sahen dann aber davon ab, weil sich der Bezirk nicht in der Lage sah, eine größere politische Mobilisierung umzusetzen.

Das sind Hinweise darauf, in welch desolatem Zustand sich mittlerweile ver.di befindet. Beschlüsse, Kampagnen, zu denen der ver.di-Vorsitzende selbst aufruft, werden weder ernst genommen noch praktisch umgesetzt. Die Ursachen für dieses Desaster sind vielfältig. Zum einen fehlt den lokalen FunktionärInnen tatsächlich der Mumm politische Kampagnen zu führen, sie ziehen sich lieber auf das „Alltags“geschäft aus Beratung, Tarifverhandlungen usw. zurück, weil ihnen die direkte Bindung an die Betriebsgruppen und Vertrauensleute fehlt.

Reformistische Tristesse

Jetzt rächt sich die jahrelange Entpolitisierung, politische Diskussionen in den Betrieben finden so gut wie nicht mehr statt, es reicht gerade zur Abwicklung der Betriebsratsgeschäfte. Jetzt rächt sich der Abbau und die Vernachlässigung der politischen Bildung nicht nur auf der Ebene der betrieblichen Akteure und in der gesamten Organisation. Nicht zuletzt rächt sich nun die Demobilisierung der KollegInnen bei Tarifauseinandersetzungen wie im letzten Frühjahr im Öffentlichen Dienst.

Anstatt die KollegInnen zu Warnstreiks und Durchsetzungsstreiks zu mobilisieren, wird zugunsten fauler Kompromisse, um die Unternehmen oder öffentlichen Arbeit“geber“ nicht zu sehr zu belasten, auf Mobilisierungen verzichtet. Wie sollen die KollegInnen so Kampffähigkeit und politisches Bewusstsein über den grundlegenden Interessenkonflikt zwischen Kapital und Arbeit entwickeln?! Ihre reformistische Anpassungspolitik fällt nun wie ein Boomerang auf die Gewerkschaftsfunktionäre selbst zurück.

Diese Situation schreit förmlich danach, eine andere, kämpferische Politik in der Gewerkschaft durchzusetzen. Letztlich bezahlen die KollegInnen im Betrieb oder die schon erwerbslosen mit weiteren Einschnitten für die Unfähigkeit „ihrer“ Organisation, ihre Interessen zu vertreten.

Wir rufen deshalb alle gewerkschaftlichen und politischen AktivistInnen, die diesen Kurs der Gewerkschaften nicht mitmachen wollen, dazu auf, sich zusammen zu tun, um eine gemeinsame Kampagne in den Gewerkschaften einzubringen - ein Anfang dazu war der gewerkschaftspolitische Ratschlag am 22./23. September in Frankfurt/Main. Wir rufen alle gewerkschaftlichen und politischen AktivistInnen, die sich für eine kämpferische Politik in den Gewerkschaften einsetzen, auch dazu auf, die Folgen dieser desolaten Politik in den Veranstaltungen und Kundgebungen öffentlich anzugreifen und gleichzeitig ihre Forderungen gegen die Krise einzubringen und zu diskutieren!

Vor allem muss aufgezeigt werden, dass es mehr braucht als Gespräche und einige Kundgebungen, um zu verhindern, dass die Krise auf die Beschäftigten abgewälzt wird. Dazu sind Mobilisierungen und   Streiks bis hin zu politischen Massenstreiks nötig!

Die diesmal sogar mit Gewerkschaften aus Österreich und der Schweiz koordinierte Aktion gibt das richtige Signal, dass Widerstand international sein muss, wenn er erfolgreich sein soll. Allerdings fragt man sich, warum Bsirske das erst jetzt aufgefallen ist? Jahrelang war bei ihm u.a. DGB-Spitzen kein Rede davon, Protest und Widerstand international zu koordinieren.

Gespräche mit den KollegInnen, Betriebsversammlungen und Veranstaltungen müssen dazu genutzt werden, um diese Fragen zu erörtern und konkrete Schritte zu beschließen. Dazu schlagen wir folgende zentrale Forderungen vor:

Entschädigungslose Enteignung und Verstaatlichung der Banken sowie deren Zusammenschluss zu einer Zentralbank unter Arbeiterkontrolle!

Progressive Besteuerung der Unternehmer und Reichen!

Entschädigungslose Enteignung und Verstaatlichung der Unternehmen, die mit Schließungen oder Massenentlassungen drohen und Fortführung unter Kontrolle der Beschäftigten!

Öffentliches Beschäftigungsprogramm unter Kontrolle der Beschäftigten!

30-Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

Einführung eines Mindestlohns von 11 Euro netto!

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Nr. 174, November 2012
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