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Tsipras, SYRIZA und die FAZ

Ein Gespenst geht um in Europas Bourgeoisie

Susanne Kühn, Neue Internationale 170, Juni 2012

Hören sie Tsipras oder SYRIZA, macht sich eine Mischung aus Panik und unverhülltem Hass in den Chefetagen der europäischen Bourgeoisien und Regierungen breit.

Die Furcht, dass SYRIZA eine Mehrheit bei den Parlamentswahlen erreichen könnte, wird immer größer. Die herrschende Klasse malt den Staatsbankrott Griechenlands an die Wand. Tsipras würde sein Land in den Ruin treiben - als ob das die traute Einigkeit aus griechischer und globaler Finanzoligarchie nicht längst getan hätte. Er verhindere die „Rettung“ des Landes, wenn er eine Revision der drakonischen Kürzungsdiktate von IWF/EU/EZB verspricht. D. h, wer verspricht, die Lage der Bevölkerung Griechenlands zu verbessern, wer die Diktate und Abkommen der Regierung mit der TROIKA nicht umsetzen will, gilt den europäischen Regierungen als unverbesserlicher Demagoge und Brandstifter.

So warnt die FAZ am 29. Mai vor Tsipras: „Seine Reden und öffentlichen Mitteilungen sind eine einzige Abfolge von leerem Gerede, Gewaltverharmlosung und pseudorevolutionärem Geschwätz.“

Dass die griechische Bevölkerung „leerem Gerde“ mehr vertraut, als den Wohltaten der EU und deren Kriechern in den Kürzungsparteien Nea Demokratia und PASOK, die bisher die Regierung stellten, vermag sich die FAZ nur schwer zu erklären. Ebenso sieht sie es ungern, dass die Bevölkerung mehr auf das „leere Gerede“ hält, als auf die „offenen Wort“ von IWF-Chefin Lagarde, die findet, dass es den Griechen ohnehin noch ganz gut ginge - verglichen mit den Opfern der IWF-Diktate in Afrika u.a. Kontinenten.

Die Hilfspakete müssten doch für Dankbarkeit sorgen, würden sie doch die Staatspleite verhindern. Auch die FAZ gesteht zu, dass die „Medizin“ zur Gesundung des Landes - also zur „Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit“ - bitter, aber unbedingt notwendig sei. Sie gilt daher, wie jedes asoziale, gegen die Lohnabhängigen gerichtete Programm, der FAZ als „vernünftig“. Ergo ist jede Unterstützung von Tsipras „unvernünftig“, „irrational“ und kann nur chauvinistisch aus einer inhärenten demagogischen politischen Kultur des Landes erklärt werden.

Die GriechInnen sehen von den „Rettungsgeldern“ zwar nichts, dafür aber deren Gläubiger. Das sind die Banken, darunter auch die deutschen, von denen viele ihre „Risikoinvestitionen“ allerdings schon ins Trockene gebracht haben und jetzt die Rettung ihre spekulativen Gewinne in Spanien sicherstellen wollen.

Besonders übel nimmt die FAZ Tsipras, dass er die EU „erpresse“. Er spekuliere nämlich darauf, dass die anderen Staaten „viel Angst vor einem finanziellen Zusammenbruch Griechenlands” hätten, “weil damit eine Kettenreaktion  ausgelöst werde und riesige Kosten für Europa entstünden.” (FAZ, 29. Mai)

Was der FAZ u.a. Organen der Bourgeoisie bei der Rettung systemrelevanter Banken noch als “Gebot der Vernunft” galt, wird hier zur Ungeheuerlichkeit. Was sind schon etliche Millionen griechische ArbeiterInnen, RentnerInnen, Jugendliche im Vergleich zur Bankenwelt? Freilich könnten wir da fragen: Was ist schon die “Erpressung” der imperialistischen Räuber, verglichen mit der tagtäglichen Auspressung und Plünderung von Millionen und Abermillionen?

Klar ist aber: Für den Fall eines weiteren Wahlsieges von SYRIZA/Tsipras, der eine Neuauflage der Koalition unter Führung von Nea Demokratia und PASOK - also praktisch der TROIKA und damit maßgeblich auch des deutschen Imperialismus blockieren würde - oder gar im Falle einer von SYRIZA geführten linken Regierung, welche die Spar-Diktate aufkündigt, können wir eine anti-griechische chauvinistische Hetze der bürgerlichen Medien und Regierung erwarten, der gegenüber alles bisherige  harmlos erscheint.

Bis zum 17. Juni, dem Wahltag, haben sich die deutsche Regierung und die EU-Kommission „Zurückhaltung“ gegenüber Griechenland verordnet. Selbst ein Guido Westerwelle hat erkannt, dass ständige Erpressungen und Drohszenarien gegenüber der griechischen Bevölkerung „kontraproduktiv“ sein können und zu einer „Trotzreaktion“ führen. Schließlich hofft die ganze Imperialistenbande heute darauf, dass es ND und PASOK „irgendwie“ schaffen, also ND stärkste Partei wird, 50 Extra-Sitze für die stärkste Parlamentsfraktion erhält und so ein „demokratisches“ Kürzungsmandat herbeigezaubert wird.

Nach dem 17. Juni wird die TROIKA ihre Gangart jedoch verschärfen. Sollten die alten „Systemparteien“ gewinnen, droht ein weiterer massiver Kahlschlag, der schon jetzt die offizielle (!!!) Arbeitslosigkeit auf über 21 Prozent, unter Jugendlichen auf rund 50 Prozent getrieben hat. Sollte SYRIZA gewinnen und nur einige Versprechungen umsetzen, wird die innere wie äußere Konterrevolution mit Volldampf an der Herstellung wie auch immer gearteter „ordentlicher Verhältnisse“ arbeiten.

Daher ist Solidarität mit der griechischen Arbeiterklasse, mit der griechischen Bewegung und Revolution ein unmittelbares Gebot der Stunde. Gerade in Deutschland, im Herzen der Bestie des europäischen Imperialismus, müssen wir gegen die imperialistische und chauvinistische Hetze aufstehen und Solidaritätskomitees aufbauen. Die griechische Arbeiterklasse kämpft. Sie braucht unsere uneingeschränkte Solidarität - jetzt!

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Nr. 170, Juni 2012
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